Unter anderem mit diesen Fragen hat sich der Workshop "Mundgesundheit bei Kindern mit Migrationshintergrund: Weniger Karies, mehr soziale Gerechtigkeit" auf dem Deutschen Zahnärztetag 2015 beschäftigt. Initiator war die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) mit Unterstützung des Informationskreises Mundhygiene und Ernährungsverhalten (IME).
Im Video vom Workshop von DGKiZ und IME beim Deutschen Zahnärztetag 2015 beschreibt Ramazan Salman vom Ethno-Medizinischen Zentrum in Hannover, welchen Herausforderungen Migranten in Deutschland begegnen. Außerdem gibt er Tipps für die Kommunikation mit den neuen Patienten in der Praxis.
Bei Kindern mit Migrationshintergrund stoßen die Zahnmediziner vielfach noch auf einen dmf-t-Wert (d = decayed/Läsion, m = missing/gezogen, f = filled/gefüllt, t = teeth/Zähne) über drei und auf weitaus weniger als 50 Prozent Kids mit einem naturgesunden Gebiss.
Karies als soziale Erkrankung
Prof. Dr. Christian Splieth, Greifswald, betonte: Karies sei heute im Wesentlichen eine "soziale" Erkrankung. Sie zeige eine deutlich höhere Prävalenz und Schwere in Gruppen mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund, also in bildungsfernen Schichten und oft auch bei Migranten. Prävention sei schwierig, da diese Gruppen physisch und kommunikativ erreicht werden und Verhaltensänderungen eigenverantwortlich umsetzen müssten.
Splieth plädierte für Gruppenprophylaxe in Schulen und Kindergärten, da die Kinder vor Ort seien und dort prägendes Verhalten eingeübt werde, vor allem Fluorideinbürstungen mit Zahnpaste oder Gelee. So könne – unabhängig vom sozialen oder kulturellen Hintergrund – Prävention gelernt werden.
Lotsen erklären das Gesundheitssystem
Auch die Eltern müssen einbezogen werden – dafür sprach sich Dipl. soz.wiss. Ramazan Salman, Gründer des Ethno-Medizinischen Zentrums (EMZ) in Hannover, aus, "sie müssen mitlernen". Informationsdefizite, Barrieren in der Kommunikation und kulturell geprägte Angebote, die den eigenen Wertvorstellungen nicht entsprechen – das sieht Salman unter anderem als Gründe dafür, dass bestehende Prophylaxemöglichkeiten nicht optimal genutzt werden.
"Die Patienten sind anders, sie haben andere Bedürfnisse", erklärte er, verwies aber auch auf das Verbindende: Gesundheit gelte in allen Kulturen als hohes Gut. Ein Weg, diese Menschen zu erreichen, sind beispielsweise die im EMZ ausgebildeten Gesundheitslotsen, gut integrierte Migranten, die bundesweit andere Zuwanderer mit dem deutschen Gesundheitssystem vertraut machen.
Salman: "Eine gelingende interkulturelle Öffnung setzt die Akzeptanz kultureller Vielfalt der Nutzer voraus." Welchen Herausforderungen Migranten in Deutschland begegnen, beschreibt Salman im Video-Interview. Außerdem gibt er Tipps, wie Zahnärzte mit der aktuellen Situation umgehen können.