Alle Jahre wieder ruft der Gesundheitskongress des Westens Klinikmanager, Ärzte, Zahnärzte, Verantwortliche aus Gesundheitspolitik und -unternehmen, aus Forschung und Wissenschaft sowie der Pflege auch dieses Mal wieder in die Metropole Köln.
Im ehrwürdigen Gürzenich wurde der Kongress von Hauptorganisatorin Claudia Küng, Geschäftsführerin der den Kongress ausrichtenden WISO S. E. Consulting GmbH, Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und NRW-Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP) eröffnet. Das diesjährige Motto „Der Druck nimmt zu: Zeit für mutige Veränderungen“ sprach den meisten Teilnehmern offenkundig aus der Seele. Den Druck im Gesundheitskessel erzeugt die Digitalisierung, die Küng vielsagend als janusgesichtig bezeichnete – verbinden sich mit ihr doch, wie in kaum einem anderen Bereich Hoffnungen und Furcht. Küng sieht hier auch seit mehreren Jahren Welten aufeinander stoßen. Treffen hier doch die starren, wenn nicht verkrusteten Strukturen des Gesundheitssystems auf „freche Start-ups“ mit disruptiven Lösungen von außen. Dass diese Schnittstelle noch immer nicht reibungslos funktioniert, zeigte sich auch während des Kongresses.
OBin Reker betonte die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft für den Standort Köln. 5.000 Unternehmen seien hier tätig. Sie kündigte an, dass der Plan, die Kliniken der Stadt Köln und die Kölner Universitätsklinik zu einem Klinikverbund zusammenzufassen, wohl umgesetzt werde. Damit entstünde der zweitgrößte Klinikverbund nach Berlin in Deutschland. Reker zog dann auch den Bogen zur Digitalisierung, in dem sie das hohe Potenzial der enormen Datenmengen des neuen Verbunds hervorhob: Big Data und ihre Auswertung als Entwicklungstreiber in der Medizin.
Wirtschaftsminister Pinkwart setzte in seiner frei gehaltenen Eröffnungsrede ganz auf die Digitalisierung als Chance für NRW. „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Alles, was vernetzt werden kann, wird vernetzt“, prophezeite der Minister und plädierte für eine zügige Digitalisierung – auch im Gesundheitswesen nach dem Vorbild von Estland. „Junge Asiaten, die nach Deutschland kommen, haben hier ein museales Erlebnis“, scherzte Pinkwart, wir seien noch nicht da, wo wir sein könnten. Das Hauptproblem machte der Minister darin aus, dass „wir Deutschen die Bürokratie erfunden haben.“ Um Gesundheitswesen und Bürokratie zu digitalisieren, empfahl der Minister, mutig zu sein und „einfach einmal anzufangen“ und eine Fehlerkultur zu akzeptieren. Auch die Risiken in der Cyber Securitiy sprach Pinkwart an. NRW sei in diesem Bereich aber sehr gut aufgestellt, zudem werde ein Max-Planck-Institut für Cyber Security in Bochum gegründet.
Auf einem anschließenden Podium zum „Entrepreneurship in der Medizin“ wurde dann wieder schmerzlich klar, wie schwer die Einbindung von innovativen Ansätzen in der Medizin in das etablierte Gesundheitssystem ist. Ein Grundproblem ist die meist dünne finanzielle Ausstattung der Start-ups. Haben sie ein Produkt oder Dienstleistung entwickelt, muss der medizinische Nutzen belegt werden – durch Studien, durch Einsatz in Praxen und Krankenhäusern. Hier ist ein langer Atem gefragt. Der kann jedoch schnell einmal ausgehen, wenn kein finanzkräftiger Investor mit an Bord ist. Eine weitere Hürde ist die Aufnahme in den Leistungskatalog der GKV. Das kann gerne zwei bis sechs Jahre dauern. Viele Start-ups entwickeln eher Innovationen, die dann in Richtung PKV angeboten werden oder gehen direkt auf den amerikanischen Markt, wo viel freies Kapital in Entwicklungen im Gesundheitsbereich investiert wird. Dr. Bernhard Tenckhoff, Abteilungsleiter Innovation, strategische Analyse und IT-Beratung bei der KBV, brachte die Idee ein, Sandboxes zu schaffen, die für einen überschaubaren zeitlichen und räumlichen Bereich testweise in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden könnten, um sie anschließend zu evaluieren. Das unabschätzbare Potenzial der Digitalisierung wurde in diversen Aspekten anschaulich. Ebenso anschaulich wurde aber auch, wie wenig diese Ressourcen genutzt werden und Eingang in das Gesundheitssystem finden. Diese strukturellen Hindernisse auszuräumen, bleibt ein Problem und eine Bremse in der Digitalisierung. Nicht nur im Westen der Republik.