Praxisleitfäden des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) sind knapp formuliert. Privatdozent Dr. Jörg Neugebauer erklärt, warum sie auch im Gutachterwesen richtungsweisend sind.
Herr Neugebauer, als niedergelassener Zahnarzt, ehemaliger Mitarbeiter eines großen Implantatherstellers und Lehrbeauftragter der Universität Köln kennen Sie die Implantologie aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Was unterscheidet die Praxisleitfäden des BDIZ EDI von anderen Empfehlungen?
Dr. Jörg Neugebauer: Verschiedene nationale und internationale Organisationen erstellen Leitlinien, die meist sehr umfangreich sind und wahrscheinlich nicht von allen Kollegen gelesen werden. Es ist wenig praxisorientiert, wenn keine leicht verständlichen Hinweise enthalten sind. Statt positiv zu formulieren, schließen sie praxisbewährte Methoden aus – häufig aufgrund fragwürdiger Metaanalysen. Unsere Praxisleitfäden beschreiben dagegen sehr anschaulich, was in der Praxis funktioniert. Durch die internationale Besetzung werden dabei auch Positionen berücksichtigt, die außerhalb Deutschlands bedeutsam sind. Die Dokumente orientieren sich in jedem Fall an der täglichen implantologischen Arbeit und dienen deshalb zum Beispiel als anerkannte Entscheidungsgrundlage im deutschen Gutachterwesen.
Sie sind seit Langem Mitautor und in diesem Jahr Leiter der mittlerweile 14. Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC) Ihres Berufsverbands. Spielt die aktuelle Literatur bei Ihrer Arbeit keine Rolle?
Neugebauer: Doch, selbstverständlich. Ebenso wie zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) durchsuchen wir systematisch die einschlägigen Datenbanken. Im Gegensatz zur AWMF beziehen wir aber auch Studien mit niedrigerer Evidenzstufe ein.
Wie stellen Sie sicher, dass die Empfehlungen relevant sind?
Neugebauer: Die Relevanz ergibt sich eben aus der Kombination von Wissenschaft und Praxisnähe. Wir wollen den Kolleginnen und Kollegen eine gute Orientierung geben. Die individuelle Patientensituation kann aus medizinischen oder auch wirtschaftlichen Gründen andere Therapieformen begründen. Unabhängig davon ist es natürlich wichtig, aktuelle Empfehlungen und die Richtlinien der gesetzlichen Kassen zu kennen. Bei Problemen nach einer Versorgung erstatten private Zusatzversicherungen bekanntlich erst, nachdem die GKV den Patientenanteil bezahlt hat.
Warum lohnt es sich auch dieses Jahr, den Praxisleitfaden von der BDIZ-EDI-Website zu laden?
Neugebauer: Das Thema lautet „Komplikationen bei der implantologischen Behandlung – vermeiden, therapieren, Ergebnis verbessern“. Ein Schwerpunkt sind Probleme und Lösungsansätze bei implantologischen Versorgungen für Patienten mit systemischen und seltenen Erkrankungen. Gerade hierzu enthält die Literatur überwiegend Fallberichte oder Fallserien. Weiterhin geben wir Empfehlungen zu chirurgischen und prothetischen Konzepten, zum Beispiel zu computergestützter Implantation und zu Fixierungsoptionen für die Implantatprothetik. Eine Empfehlung verrate ich gern vorab: Natürliche Zähne lassen sich, bei Beachtung einiger methodischer Punkte, erfolgreich und zahnerhaltend mit Implantaten kombinieren.