Die dzw hat Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, zum Themenkomplex Investoren-MVZ, Standespolitik und dem Praxisanteileverkauf von Dr. Peter Matovinovic, Vorstandsvorsitzender der KZV Rheinland-Pfalz, an einen Investor befragt und folgendes Statement erhalten.
Dr. Wolfgang Eßer: „Fremdinvestoren sind die größte Bedrohung für die flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige zahnärztliche Versorgung in Deutschland. Die Spitzenorganisationen des Berufsstands, allen voran die KZBV, haben vielfach deutlich gemacht, dass Investoren und Private-Equity-Fonds mit den von diesen kontrollierten, rein zahnärztlichen MVZ (I-MVZ) die zahnärztliche Freiberuflichkeit existenziell bedrohen. Anders als bewährte Praxisformen, die in ihrer Freiberuflichkeit dem Gemeinwohl verpflichtet sind, stehen diese zuvörderst renditeorientiert agierenden Strukturen für eine Vergewerblichung und Industrialisierung der Versorgung. Dem ungehinderten Zustrom von versorgungsfremden Investoren in den heimischen Dentalmarkt muss daher konsequent begegnet werden, bevor die Versorgung in Deutschland irreparablen Schaden nimmt.
Eine fortschreitende Ökonomisierung des Gesundheitswesens führt dazu, dass die Patientenversorgung nachweislich schlechter wird: Zulassungsdaten belegen, dass I-MVZ regional stark konzentriert sind und sich überwiegend in Großstädten, Ballungsräumen und einkommensstarken ländlichen Regionen ansiedeln – dort, wo Versorgung längst bedarfsgerecht sichergestellt ist. Investoren haben in der Regel wenig Interesse daran, Versorgungsverbesserungen in strukturschwachen Gebieten zu erreichen, sondern verursachen oder verstärken durch I-MVZ Über- und Fehlversorgung. Darüber hinaus lassen Auswertungen des Abrechnungsgeschehens darauf schließen, dass die Versorgung in I-MVZ deutlich teurer ist als in bewährten Praxisformen, die keinen überhöhten Renditevorgaben gerecht werden müssen. Diese Entwicklung beschädigt das gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient – seit Jahrzehnten ein Erfolgsgarant unseres Gesundheitswesens.
Der Berufsstand hat sich angesichts der realen Bedrohung durch versorgungsfremde Investoren für eine Beschränkung der Gründungsmöglichkeiten für I-MVZ starkgemacht, die vor einigen Monaten durch den Gesetzgeber mit dem TSVG in Form einer Quotenregelung beschlossen wurde. Seit Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes im Mai 2019 beobachtet der Vorstand der KZBV genau, ob die gesetzliche Regelung die erhoffte Steuerungswirkung erzielt. Das vor dem TSVG bestehende Risiko, dass die zahnärztliche Versorgung von Fremdinvestoren in Form von I-MVZ überrollt wird, scheint mit der Quotenregelung – ersten Trends zufolge – zumindest verringert worden zu sein. Eine erste belastbare Analyse wird die KZBV im kommenden Jahr, also ein Jahr nach Inkrafttreten des TSVG vorlegen.
Jeder Standesvertreter muss sich mit der Übernahme eines exponierten Amts in der zahnärztlichen Interessenvertretung bewusst sein, dass er eine besondere Verantwortung für den Berufsstand trägt. Neben fachlicher Expertise, Umsicht und Fleiß müssen Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit die Voraussetzungen darstellen, ein solches Amt zu übernehmen.
Kolleginnen und Kollegen, die uns als Standesvertreter gewählt haben, schenken uns ihr Vertrauen in der berechtigten Erwartung, dass wir ihre Interessen gegenüber Politik und Kostenträgern entschlossen und erfolgreich vertreten. Dazu zählen die Verbesserung wirtschaftlicher und beruflicher Rahmenbedingungen ebenso wie der Erhalt von Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit. Für eine wirksame Interessenvertretung sind Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit in gleichem Maße wie das geschlossene Auftreten und Handeln der Interessenvertreter eine unverzichtbare Voraussetzung. Nur auf dieser Grundlage konnten in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Erfolgen für den Berufsstand erreicht werden.
Wird die Glaubwürdigkeit unserer Forderungen gegenüber Politik, Gesellschaft und Kollegenschaft durch eklatantes Fehlverhalten einzelner exponierter Interessenvertreter konterkariert, nimmt das System der zahnärztlichen Selbstverwaltung als solches und damit der gesamte Berufsstand schweren Schaden.
Im konkreten Fall hat ein Vorsitzender einer Landes-KZV über einen längeren Zeitraum den Verkauf seiner Anteile an einer Berufsausübungsgemeinschaft zuletzt an einen Fremdinvestor betrieben, ohne die Mitglieder seiner VV oder die VV der KZBV darüber zu informieren. Vielmehr hat er an Gremiensitzungen auf Bundesebene teilgenommen und mitgewirkt, in denen der Berufsstand seine Strategien gegen das ungehemmte Eindringen von Fremdinvestoren in den zahnärztlichen Versorgungsbereich entwickelt hat, und allen Beschlüssen zugestimmt. Gleichzeitig hat er in öffentlichen Äußerungen, Interviews und Presseberichterstattung die konsentierte Positionierung des Berufsstands gegen Investoren und I-MVZ ohne Abstriche bekräftigt. Den Verkauf der eigenen Praxis an einen Fremdinvestor und die Aufnahme einer Angestelltentätigkeit in einem I-MVZ für einen Fremdinvestor hat er den Gremien und dem Vorstand der KZBV bis ins Jahr 2019 hinein verschwiegen.
Nach einhelliger Auffassung der Vertreterversammlung der KZBV ist der Verkauf einer Praxis an und die Tätigkeit für einen Fremdinvestor als angestellter Zahnarzt mit dem Amt eines KZV-Vorstandsmitglieds unvereinbar. Gerade von einem hauptamtlichen Vorsitzenden einer KZV muss die Kollegenschaft erwarten können, dass er zu den gemeinsamen Beschlüssen der Gremien steht und sich auch selbst danach richtet. Mit seinem Handeln hat der KZV-Vorsitzende seine Glaubwürdigkeit verspielt. Mit dem Verkauf seiner Praxis und der Tätigkeit als angestellter Zahnarzt für einen Fremdinvestor unterstützt er diesen und befördert dessen Interessen zum Nachteil des Berufsstands.“