Was soll man als Arzt oder Zahnarzt von einer Zwangsverpflichtung halten, wenn man unter Androhung empfindlicher finanzieller Konsequenzen gezwungen wird, die eigene Praxis an eine digitale Infrastruktur anzuschließen, die wesentlichen Inhalten einer kurz zuvor beschlossenen Datenschutzverordnung nicht entspricht? Was soll man davon halten, wenn es nicht bei der Androhung finanzieller Einbußen in Höhe von 1 Prozent des Honorarvolumens bleibt, sondern die „Daumenschrauben“ mit Ansage weiter angezogen werden sollen – von 1 Prozent auf sage und schreibe 2,5 Prozent?
Nun, da hatte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wohl zu früh gefreut, denn nach der ersten Schlappe – Herausnahme der elektronischen Patientenakte aus dem Gesetzesentwurf – wird es mit der geplanten Anhebung der Sanktionen für TI-Verweigerer oder -Zuspätkommer wohl auch nichts, wenn es nach einer Empfehlung des Gesundheitsausschusses des Bundesrats geht, der, so die Freie Ärzteschaft, das Digitale-Versorgung-Gesetz einer genauen Prüfung unterzogen hat.
Das ist allerdings noch lange kein Grund zur Freude, denn der bisher schon festgezurrte Honorarabzug von 1 Prozent bleibt erst einmal weiter bestehen. Andererseits bleibt begrüßenswert, dass der Bundesrat beziehungsweise sein Gesundheitsausschuss endlich mal genauer hinschaut.
Wie die Freie Ärzteschaft richtig schlussfolgert, kann es nicht sein, dass ein Gesetz, das in empfindlichen Bereichen – Datenschutz – schlicht unzureichend ist, nicht nur von oben herab zwangsverordnet wird, sondern die Nichterfüllung dieser Pflicht auch noch sanktioniert wird. Man wird den Eindruck nicht los, dass schon allein die Androhung von Honorarabzügen offenbart, dass der Plan von Spahn nicht ganz durchdacht ist. Sein Ministerium hat es nicht geschafft, den Nutzen der Telematikinfrastruktur für Arzt und Patient so positiv zu kommunizieren, dass Ärzte und Zahnärzte freiwillig den Schritt in ein digitales Gesundheitswesen gehen. Und selbst eine gelungene TI-Kampagne hätte kaum darüber hinwegtäuschen können, wo im Detail – siehe Datenschutzregelungen – handwerkliche Fehler liegen. Hinzu kommt, dass die Verantwortung für etwaige Verstöße gegen Grundvoraussetzungen des Datenschutzes auf die Nutzer des Systems, Ärzte und Zahnärzte, verlagert wird. Das Ganze dann auch noch mit gestaffelten Sanktionen beschleunigen zu wollen, trägt nun wirklich nicht zu einer allgemeinen Akzeptanz bei. Gut also, dass die Erhöhung auf 2,5 Prozent möglicherweise nicht kommen wird, und wer weiß, vielleicht fällt auch die 1-Prozent-„Strafe“ noch weg.
Gleichzeitig ist der Schritt in das digitale Zeitalter des Gesundheitswesens längst überfällig. Oft genug wurde an dieser Stelle auf positive Beispiele unserer europäischen Nachbarn verwiesen. Mag sein, dass die dort verwendeten digitalen Systeme nicht unbedingt dem entsprechen, was in Deutschland als unabdingbar eingefordert wird. Patientenbefragungen in Deutschland belegen jedenfalls eine überwiegend positive Einstellung zu eGK oder ePA. Diese positive Einstellung der Deutschen setzt Sicherheit voraus. Ohne Datenschutz und Datensicherheit in der TI wird es nicht funktionieren – auch nicht unter Druck.