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Schlafmedizin: Obstruktive Schlafstörungen präventiv und funktionsorientiert behandeln

Positivdrucktherapie

Die als Goldstandard eingestufte Positivdrucktherapie ist bei schwererer Symptomatik angezeigt. Sie hat jedoch mit Druckstellen, reduzierter Schlaftiefe und sozialer Beeinträchtigung (Partner) unangenehme Nebenwirkungen.

Reines Schnarchen ist ein primär zwischenmenschliches Problem. Dagegen beeinträchtigt die obstruktive Schlafapnoe (OSA) durch Tiefschlafdefizit massiv die Lebensqualität. Tagesmüdigkeit reduziert die Leistungsfähigkeit Betroffener und erhöht die Unfallgefahr durch Sekundenschlaf. Wie der Hofer Kardiologe und Schlafmediziner Prof. Anil-Martin Sinha (Sana Klinikum Hof) in Würzburg ausführte, kann die Erkrankung über den Stoffwechsel zudem das Risiko für Diabetes, metabolisches Syndrom und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen.

Erstes Würzburger Schlafsymposion
Das kleine, aber feine Symposium fand erstmals am 4. und 5. März in Würzburg statt und wurde von den schlaftherapeutisch zertifizierten Kieferorthopäden Dr. Uta und Dr. Franz Richter organisiert (www.kfo-richter.de). In Würzburg referierten neben weiteren der Internist Prof. Martin Konermann (Kassel) und Dr. Alfred Wiater (Köln), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Ausführliche Informationen zur zahnärztlichen Schlafmedizin finden sich auf der Seite www.dgzs.de.

Obstruktive Schlafstörungen durch Fetteinlagerung im Rachenbereich

Aufgrund von Fetteinlagerungen im Rachenbereich leiden adipöse Patienten besonders häufig unter obstruktiven Schlafstörungen. Primär bei unter 60-Jährigen helfen Diäten, die aber laut Dr. Stefan Baron (Missio-Klinik Würzburg) meist nur mit professioneller Hilfe funktionieren (zum Beispiel Weight Watchers, Optifast-Programm der Missio-Klinik). Hilfe benötigen bereits zahlreiche, oft übergewichtige Kinder im Grundschulalter, die bei Schlafmangel und resultierender Aufmerksamkeitsstörung zum Teil mit Ritalin behandelt werden.

Funktionstherapie statt Ritalin

Die Würzburger Kieferorthopädin Dr. Uta Richter fordert entsprechend vor Ritalin-Verordnungen eine schlafbezogene Diagnostik. Anamnestisch sind Fragen nach Schnarchen oder offener Mundhaltung zielführend (Eltern), therapeutisch kann die Entfernung hyperplastischer Weichgewebe (Tonsillen, Nasenpolypen) hilfreich sein. Nächtlicher Sauerstoffmangel scheint zudem das Hormon STH und damit auch das Unterkieferwachstum zu hemmen [1]. Die Dimensionen des Luftwegs werden bereits im Kindesalter weitgehend festgelegt.

Neben Anomalien wie dem Pierre-Robin-Syndrom kann eine Rücklage oder Kaudalrotation des Unterkiefers (offener Biss) den Raum zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand einengen. Auch ein zu kleiner Oberkiefer, der zu wenig Raum für die Zunge lässt, verstärkt das Problem. Entsprechend werden die Zahnbögen in der Praxis Drs. Richter konsequent ausgeformt, mit Verzicht auf Lückenschluss bei Nichtanlagen und mit funktions-kieferorthopädischen Geräten.

Fernröntgen

Fernröntgen

Fernröntgen

Fernröntgen-Seitenbilder eines 34-jährigen Patienten: Durch Verwendung einer zweiteiligen Unterkieferprotrusionsschiene ließ sich der posteriore Atemraum signifikant erweitern (links ohne, rechts mit Schiene). Der Schlaf-Apnoe/Hypopnoe-Index (AHI) sank von über 30 auf unter 10 pro Stunde und damit annähernd in den gesunden Bereich.

Unterkiefer-Protrusionsschienen (UPS) werden in Leitlinien und einem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS) für leichte oder mittelgradige obstruktive Schlafapnoe empfohlen (Abbildungen 1 und 2) [2-4]. Der interdisziplinäre Weg beginnt mit der Diagnose durch einen Schlafmediziner oder eine schlaftherapeutisch ausgebildete Zahnärztin/Kieferorthopädin. Nach schlafmedizinischer Diagnostik (Polygrafie) und Therapie-Empfehlung gliedert der Zahnarzt/die Zahnärztin zunächst eine Testschiene ein, die wie die definitive individuell angepasst sein sollte.

Schnarchen und andere Schlafstörungen
Intraorale Schlaftherapiegeräte (IST-Geräte) sind zahnärztliche Behandlungsmittel. Sie werden erfolgreich gegen Schnarchen und andere Schlafstörungen eingesetzt. Zahnärztliche Schlafmedizin wird nach der GOZ abgerechnet, auch die Geräte sind Privatleistungen.
Damit Sie diese Leistungen anbieten können und diese von Ihren Patienten in Anspruch genommen werden, benötigen Sie Fachwissen und Managementwissen, Marketingwissen und selbstverständlich auch Abrechnungswissen. Dieses Wissen vermitteln wir in der Vor-Ort-Fortbildungsreihe „Kompaktkurs Zahnärztliche Schlafmedizin“, zu der wir Sie im Namen der Haranni Academie herzlich einladen.

Kurstermine:

  • Karlsruhe, 20. 4. 2016
  • Dresden, 18. 5. 2016
  • Bremen, 8. 6. 2016
  • Fürth, 29. 6. 2016

Lebt die Partnerin noch?

Der Therapie-Erfolg wird dann wiederum schlafmedizinisch kontrolliert und das weitere Vorgehen entsprechend festgelegt. Die Erfolgsrate von Unterkiefer-Protrusionsschienen liegt je nach Untersuchung zwischen 50 und 90 Prozent. Wie Dr. Franz Richter erläuterte, sprechen einige Patienten nicht auf die Behandlung an. Das kann zum Beispiel an einem in sagittaler Richtung spaltförmigen pharyngealen Raum liegen, der bei mandibulärer Vorwärtsverlagerung nicht wesentlich vergrößert wird (laut Uta Richter zirka in 5 Prozent der Fälle).

Meist lassen sich aber mit dem relativ einfachen Mittel UPS-Schiene sehr gute Ergebnisse erzielen. So berichtete der Erfurter MKG-Chirurg Prof. Hans Pistner von einem Patienten, der nach Anwendung eines IST (Intraorale Schlaf Therapie)-Geräts nach Prof. Dr. Rolf Hinz (Dr. Hinz Dental) seine Frau nachts nicht mehr hörte. Er war beunruhigt und „musste nachsehen, ob sie noch lebt“.

Ratgeber

Prof. Hinz Ratgeber: Schnarchen und andere Schlafstörungen Schnarchen ist ein wesentlicher Hinweis auf ernst zu nehmende schlafbezogene Atmungsstörungen – oftmals mit nachhaltig negativen gesundheitlichen Folgen. Das noch sehr junge Fachgebiet der Schlafmedizin, das zu allen medizinischen Fachbereichen Berührungspunkte hat, klassifiziert mittlerweile mehr als 80 international anerkannte verschiedene Erkrankungen. Der laienverständlich verfasste Ratgeber vermittelt Betroffenen und Beschäftigten verschiedenstermedizinischer Fachbereiche einen ersten Eindruck in Ursachen und differenzierte Behandlungen von Schlafstörungen.

Franz Richter erläuterte anhand des von seiner Praxis angewandten Systems (Somnodent, Somnomed), dass bruchfeste und separate Schienen für Ober- und Unterkiefer notwendig sind, deren sagittale Position zum Schutz der Kiefergelenke justierbar sein sollte. Weiterhin sei vor Behandlungsbeginn eine funktionelle und parodontale Diagnostik schon aus forensischen Gründen sehr zu empfehlen. Weitere Experten sprachen in Würzburg zu den Themen Positivdrucktherapie mit Atemmasken (CPAP, siehe Abb. oben), OSAS und Bruxismus, HNO-Chirurgie, Kardiologie, Neurologie und Vertragsrecht.

Fazit

Die Einbeziehung der Zahnmedizin in die interdisziplinäre Schlaftherapie ist in Deutschland – im Gegensatz zu einigen anderen Ländern – noch nicht etabliert. Dieses Problem ist angesichts der begrenzten zahnmedizinische Kenntnisse vieler „großer“ Mediziner nicht erstaunlich, sollte aber im Patienteninteresse nachhaltig behoben werden. Erfreulicherweise sind Krankenkassen immer häufiger bereit, Kosten zum Beispiel für UP-Schienen zu übernehmen.

Literatur
1. Peltomaki, T. Eur J Orthod 2007. 29(5):426-429.
2. Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM); 2006.
3. Kushida, C. A. et al. Sleep 2006. 29(2):240-243.
4. Mayer, G. et al. Somnologie 2009. 13 (supplement): 4-160.