Die Zahnmedizin wird zunehmend weiblich. Es soll schon Jahrgänge geben, in denen die Erstsemester an zahnmedizinischen Fakultäten ausschließlich mit jungen Frauen besetzt sind. Im Jahr 2015 forderte der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) noch öffentlichkeitswirksam eine Männerquote, weil die wachsende Zahl der Zahnärztinnen angeblich die Patientenversorgung gefährde. Im Fokus stand die vermutete Neigung, mehr Zeit in die Familie als in eine selbst geführte Praxis zu investieren.
Frauen kommen in den Gremien an
Das kann man wohlwollend als „gut hörbaren PR-Gag zum Thema Zahnärztemangel“ interpretieren, wie damals die „Ärzte Zeitung online“. Man kann es aber auch als Anmaßung eines Gremiums sehen, das in überholten Strukturen denkt. Denn immer noch sind standespolitische Vertretungen, wissenschaftliche Stellen und Professuren überwiegend männlich besetzt.
Im Dezember 2019 gab es ein überragendes Ergebnis für den erstmals mit eigener Liste angetretenen Verband der Zahnärztinnen-Dentista (VdZÄ) in den Kammerversammlungen Nordrhein und Westfalen-Lippe. Die Frauen kommen jetzt offensichtlich auch in den Gremien an. Schließlich waren an den deutschen Universitäten nach einer 2018 veröffentlichten Umfrage des Bundesverbands der Zahnmedizinstudenten bis zu 80 Prozent der Zahnmedizinstudenten weiblich.
Idealer Frauenberuf
Einen Grund kann man in den üblicherweise besseren Noten von Abiturientinnen für den anspruchsvollen Numerus clausus vermuten. Über weitere Motive für die Berufswahl gibt es keine gesicherten Daten, dafür viele annähernd deckungsgleiche Vermutungen. Ein Streifzug durch Fakten und Meinungen.
In einem älteren Interview in der „Deutschen Zahnärztlichen Zeitschrift“ (DZZ) hat Birgit Wolff (früher Dohlus), Gründerin des Dentista e.V., den Beruf einmal als idealen Frauenberuf bezeichnet. Dabei fielen Stichworte wie „Arbeit mit Menschen auf einer Vertrauensbasis“, „Geschick, Konzentration und Empathie“. Die Sicht auf das Ganze – über einen verlorenen Zahn hinaus – sei sehr zeitgemäß, ebenso wie die Präventionsorientierung. Damit käme ein Trend in der modernen Zahnmedizin den Frauen entgegen (Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 9/2008 (63), S. 590-5).
Gründe für die Berufswahl
Fragt man Zahnärztinnen nach Gründen für ihre Berufswahl, steht oft das Heilen und Helfen mit den erlernten Fähigkeiten im Vordergrund. Weitere Argumente: Man behebt Beschwerden in einem relativ übersichtlichen Gebiet, hat im Vergleich zur Humanmedizin recht schnelle Erfolgserlebnisse und aufgrund vielfältiger Therapien große Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu kann man sein handwerklich-feinmotorisches Geschick einsetzen und erzielt ein ansprechendes, ästhetisches Ergebnis. „Früher hat man schmerzende Löcher gefüllt, heute erfüllt man den Wunsch nach einem strahlenden Lächeln“, sagt Dr. Dr. Ruben Stelzner von der AllDent-Geschäftsleitung.
Anstellung versus Niederlassung
„Die ärztlichen Berufe sind, ähnlich wie Jura, sehr renommiert. Dabei hat die Zahnmedizin den kürzesten Lehrweg in den medizinischen Studienfächern“, nennt Dr. Ivona Leventic, ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung bei AllDent, praktische Erwägungen. „Man kann ab dem sechsten Semester bereits behandeln, hat später keine Nacht- und Wochenenddienste und verdient mehr als die Humanmediziner.“
Das Dogma der Praxiseröffnung mit allen damit verbundenen Risiken sei gefallen. In der Anstellung spare man sich den Aufwand für Werbung, Marketing, Personalplanung und einen Wust an Bürokratie. Tatsächlich geht ein Großteil der Zahnärztinnen zumindest in der heißen Familienphase lieber in die Anstellung als in die eigene Praxis, was die jüngste Existenzgründungsanalyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (ApoBank) zeigt.
Anita Westphal, München
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