Die dentale Implantologie ist heute geprägt von der Verwendung zweiteiliger Titan-Implantate, deren intraossäre Oberfläche angeraut ist, um eine rasche und dauerhafte Osseointegration zu erreichen. Den Grundstein zu dieser Erfolgsgeschichte haben die beiden Forscher Per-Ingvar Brånemark in Göteborg und André Schröder in Bern gelegt, als sie unabhängig voneinander erkannten, dass Titan problemlos und ohne Fremdkörperreaktion im Knochen einheilt. Brånemark prägte dafür den Begriff Osseointegration.
Heute ist es allgemeiner Konsens und fast schon Dogma, dass die intraossäre Oberfläche eine mittlere Rauheit (Sa) von 1 bis 2 µm aufweisen sollte, um eine schnelle und dauerhafte Osseointegration zu erreichen [1]. Es gab allerdings in den Anfängen der Implantologie einen erbitterten Streit zwischen den beiden Forschungsgruppen von Brånemark und Schröder zur Frage, welche Oberfläche für die Osseointegration geeignet ist. Die Gruppe um Brånemark − die mit dem Unternehmen Nobelpharma in Göteborg zusammenarbeitete − vertrat die Auffassung, dass eine glatte Oberfläche verwendet werden könne, so wie sie durch die maschinelle Bearbeitung des Titans entstand.
Dagegen war die Gruppe um Schröder − die mit der Firma Straumann zusammenarbeitete und aus der später das ITI hervorging − der Meinung, dass die Oberfläche rau sein müsse, mit Lakunen von bis zu 60 µm Größe, damit sich die Osteoblasten gut an die Oberfläche anlagern und sich sogar in die Lakunen einlagern könnten. Diese Rauheit wurde erzeugt, indem Titan mittels Plasmaflamme aufgeschmolzen und auf die Implantatoberfläche gespritzt wurde, wo es sich mit der Unterlage verband und die typische Oberfläche der ersten Straumann-Implantate bildete. Allerdings war die Reinigung der Oberfläche bei einem periimplantären Knochenabbau aufgrund der starken Unterschnitte unmöglich. In Tierversuchen zeigte sich zudem, dass schwach raue Oberflächen eine bessere Osseointegration bewirken, sodass beide Lager für ihre Oberflächen schließlich eine mittlere Rauheit von 1 bis 2 µm wählten.
Scharfkantige Topografie vermeiden
Die Oberfläche der Zirkonoxid-Implantate wird in Anlehnung an die Titan-Implantate ebenfalls rau gestaltet. Die Strukturierung der Oberfläche erfolgte zunächst durch Sandstrahlen. Hohe klinische Verlustraten der frühen Zirkonoxid-Implantate wurden auf diese Oberfläche zurückgeführt [2] und haben zu Weiterentwicklungen geführt, um die durch das Sandstrahlen erzeugte scharfkantige Topografie zu vermeiden. Als Verfahren werden dafür heute das Ätzen nach dem Sandstrahlen (Abb. 1), die Strukturierung mittels Laser (Abb. 2) und das Aufsintern von feinsten Zirkonoxid-Partikeln (Abb. 3) eingesetzt.
Interessanterweise liegen klinische Langzeitdaten nur für einteilige Implantate mit geätzten Oberflächen vor, die aber sehr ähnliche Resultate geliefert haben. So weist das Implantat Pure (Straumann) eine Überlebensrate von 97,5 Prozent nach drei Jahren auf [3], das Implantat ceramic.implant (Vita) 98,4 Prozent nach fünf Jahren [4] und das Implantat Ziraldent (Metoxit, heute Vertrieb unter dem Produktnamen Fairwhite durch Fairimplant) 94,3 Prozent nach fünf Jahren [5]. Das sind Zahlen, die sich durchaus mit Daten von Titan-Implantaten messen lassen können. Zirkonoxid-Implantate mit einer mittleren Rauheit von 1 bis 2 µm im intraossären Bereich osseointegrieren also sehr gut.
Neben der Überlebensrate ist natürlich die Stabilität des periimplantären Knochenniveaus wichtig. Hier wurden in den drei Studien zwischen dem Zeitpunkt der Implantation und dem Einsetzen der Rekonstruktion initiale Knochenverluste von 0,7 bis 1,0 mm beobachtet [3–5]. Danach blieb das Knochenniveau über den gesamten Beobachtungszeitraum konstant (Abb. 4). Der intiale Knochenumbau darf als Remodelling gewertet werden, wie es nach jeder Implantation beobachtet wird. Die Zahlen belegen, dass das Knochenniveau mit Zirkonoxid-Implantaten langfristig stabilisiert werden kann. Erfreulicherweise wurden in den genannten Studien mit Zirkonoxid-Implantaten keine Periimplantitisfälle beobachtet.
Reine Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppen
Leider waren aber alle drei Studien reine Beobachtungsstudien ohne Kontrollgruppen mit Titan-Implantaten, sodass auf dieser Basis nicht der Schluss gezogen werden darf, Periimplantitis würde bei Zirkonoxid-Implantaten grundsätzlich nicht auftreten. Aber es darf gefolgert werden, dass Zirkonoxid-Implantate mit durch Sandstrahlen und anschließendes Ätzen erzeugten Oberflächen eine mindestens so gute Osseointegration zeigen wie die heute verwendeten Titan-Implantate.
Es gibt Hinweise in der Literatur, dass bei Titan-Implantaten auch glatte Oberflächen eine gute Osseointegration bewirken können. Aufschlussreich ist beispielsweise die Aussage in einer Review über die Leistungsfähigkeit von Titanoberflächen im Hinblick auf die Osseointegration und das Knochenniveau, die von Ann Wennerberg und ihrem Team in Göteborg verfasst wurde [6]. Berücksichtigt wurden klinische Daten von Titan-Implantaten mit glatten und rauen Oberflächen und einer Mindestbeobachtungszeit von zehn Jahren. In den Ausführungen kommt klar zum Ausdruck, dass verschiedenste Topografien zu einer dauerhaften Osseointegration führen („In conclusion, the present systematic review demonstrates that it is possible to achieve very good long-term results with all types of included surfaces.“).
Dass der Einsatz glatter Oberflächen nicht intensiver diskutiert wird, hat zwei Gründe. Einerseits ist es immer sehr schwierig, eine von einer überwältigenden Mehrheit getragene Meinung anzuzweifeln. Zum anderen ist die Oberfläche ein sehr gutes Marketinginstrument zur Differenzierung gegenüber Mitbewerbern. Wenn aber eine glatte Oberfläche wirklich funktioniert, ergeben sich deutliche Vorteile:
- 1. Die Herstellung der Implantate ist preiswerter, weil ein aufwendiger Arbeitsschritt entfällt;
- 2. Die Reinigung nach dem Herstellungsprozess ist vereinfacht, weil Verunreinigungen nicht in Unterschnitten der Oberfläche eingefangen werden können;
- 3. Die Gefahr, dass Partikel bei der Insertion des Implantats von der Oberfläche abgeschert werden und im periimplantären Gewebe verbleiben, besteht nicht mehr, weil nur kompaktes Material vorliegt;
- 4. Die Hygienefähigkeit der Implantate ist bei Knochenabbau und freiliegender intraossärer Oberfläche verbessert, weil keine Bakterien in unzugänglichen Unterschnitten verbleiben und
- 5. Die Entfernung eines Implantats mit glatter Oberfläche ist einfacher, weil der Torsionswiderstand geringer ist.
Weil glatte Oberflächen aus technischer Sicht attraktiv sind, haben wir verschiedene glatte Zirkonoxid-Oberflächen in Zellkulturen geprüft. Für das Verständnis der weiteren Ausführungen muss hier vorab erwähnt werden, dass Zirkonoxid je nach Temperatur unterschiedliche Kristallstrukturen annehmen kann. Bei Raumtemperatur liegt eine sogenannte monokline Kristallstruktur vor, die oberhalb einer Temperatur von 1.173 Grad Celsius im immer noch festen Zustand in eine tetragonale Struktur umklappt.
Diese sogenannte Phasenumwandlung ist reversibel, beim Abkühlen klappt die tetragonale Struktur wieder in die monokline Struktur zurück. Der Phasenübergang ist mit einem Volumensprung verbunden, die tetragonale Phase benötigt etwa 5 Prozent weniger Volumen als die monokline Phase. Durch den Einbau von geringen Mengen Yttrium anstelle von Zirkonium in das Kristallgitter von Zirkonoxid wird die tetragonale Struktur quasi eingefroren und ist somit auch bei Raumtemperatur noch stabil. Dies wird gemacht, um eine sogenannte Transformationsverstärkung zu erreichen: durch starke mechanische Spannungen erfolgt dann doch eine Phasenumwandlung und die damit verbundene Volumenzunahme von der tetragonalen zur monoklinen Struktur verhindert durch den inneren Druckaufbau eine Rissbildung und ein Risswachstum und erhöht so die mechanische Festigkeit des Materials.
In der Zellkultur breiteten sich die Osteoblasten auf einer sandgestrahlten und geätzten Oberfläche rasch aus (Abb. 5). Die Prüfkörper waren nach dem Sandstrahlen und Ätzen bei 1.250 Grad Celsius getempert worden, um einen möglichst hohen Anteil an tetragonaler Phase (und damit ein großes Potenzial an Transformationsverstärkung) zu erzielen. Auf sandgestrahlten Oberflächen war die Ausbreitung der Zellen sehr viel langsamer, was deutlich macht, dass Osteoblasten sich auf dieser Oberfläche nicht wohlfühlen.
Überraschend aber war, dass die Zellen die im Experiment verwendeten glatten Oberflächen deutlich bevorzugten (Abb. 6), erkennbar auch an der höheren Viabilität. Getestet wurden gesinterte, gesinterte und anschließend getemperte, polierte sowie polierte und anschließend getemperte Oberflächen (Abb. 7). Eine weitere Überraschung erlebten wir, als wir feststellten, dass die Zellviabilität der Osteoblasten linear mit dem tetragonalen Anteil des Zirkonoxids korreliert war. Die Zellreaktion fiel also gegenüber den unterschiedlichen Kristallstrukturen des Zirkonoxids unterschiedlich aus [7]. Am höchsten war die Viabilität der Zellen auf der polierten und anschließend getemperten Oberfläche.
Aufgrund dieser Erkenntnisse haben wir die Daten aus der oben bereits zitierten klinischen Studie mit dem ceramic.implant genauer analysiert [8]. Das Implantat hat einen glatten transmukosalen Bereich (Abb. 8). Dieser Bereich ist poliert, und da das Implantat nach der Oberflächenbearbeitung in einem letzten Herstellungsprozess noch getempert wird, liegt hier eine polierte und anschließend getemperte Oberfläche vor, wie wir sie auch in der Zellkultur getestet haben.
Unterhalb des transmukosalen Bereichs befindet sich eine Rille, die den Übergang vom glatten transmukosalen zum rauen intraossären Teil bildet (Abb. 8). Nach fünf Jahren Beobachtungszeit lagen etwa 40 Prozent der röntgenologisch bestimmten Knochenniveaus mesial und distal der Implantate im Bereich des glatten transmukosalen Bereichs, etwa 20 Prozent in der Rille am Übergang vom glatten transmukosalen zum rauen intraossären Bereich und etwa 40 Prozent im rauen intraossären Bereich. Auch in der Klinik finden wir also Hinweise, dass eine glatte Zirkonoxid-Oberfläche für die Knochenanlagerung geeignet ist.
Fraglich ist natürlich nun noch, welchen Effekt eine glatte Oberfläche auf die Primärstabilität und die Geschwindigkeit der Osseointegration hat. Der Literatur ist zu entnehmen, dass die Art der Oberfläche bei Titan-Implantaten keinen Einfluss auf die Primärstabilität hat [9]. Eine leichte Presspassung des Implantats ist für die Primärstabilität offensichtlich wichtiger als die Topografie der Oberfläche. Also bleibt noch zu prüfen, ob mit einer glatten Zirkonoxid-Oberfläche eine ausreichend rasche Osseointegration erfolgt. Tierversuche helfen hier leider nicht weiter, da die Ergebnisse aus Tierversuchen nicht unmittelbar auf die Situation am Menschen übertragen werden können [10], denn den größeren Einfluss auf das Ergebnis hat wohl das gewählte Tiermodell selbst [11].
Unser nächster Schritt ist also eine klinische Studie, die wir mit einer polierten und anschließend getemperten Oberfläche planen, weil damit in der Osteoblastenkultur die besten Effekte erzielt wurden und mit dieser Oberfläche, die im transmukosalen Bereich des ceramic.implant vorliegt, sogar schon eine gewisse klinische Erfahrung besteht.
Prof. Dr. med. dent. Dr. rer. nat. Jens Fischer
PD Dr. med. dent. Nadja Rohr
Biomaterialien und Technologie
Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin
Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel
Literatur
[1] Wennerberg A, Albrektsson T. Effects of titanium surface topography on bone integration: a systematic review. Clin Oral Implants Res 2009;20 Suppl 4:172-184.
[2] Roehling S, Woelfler H, Hicklin S, Kniha H, Gahlert M. A retrospective clinical study with regard to survival and success rates of zirconia implants up to and after 7 years of loading. Clin Implant Dent Relat Res 2016;18:545-558.
[3] Bormann KH, Gellrich NC, Kniha H, Schild S, Weingart D, Gahlert M. A prospective clinical study to evaluate the performance of zirconium dioxide dental implants in single- tooth edentulous area: 3-year follow-up. BMC Oral Health 2018;18:181.
[4] Balmer M, Spies BC, Kohal RJ, Hämmerle CH, Vach K, Jung RE. Zirconia implants restored with single crowns or fixed dental prostheses: 5-year results of a prospective cohort investigation. Clin Oral Implants Res 2020;31:452-462.
[5] Kohal RJ, Spies BC, Vach K, Balmer M, Pieralli S. A prospective clinical cohort investigation on zirconia implants: 5-year results. J Clin Med 2020;9:2585.
[6] Wennerberg A, Albrektsson T, Chrcanovic B. Long-term clinical outcome of implants with different surface modifications. Eur J Oral Implantol 2018;11 Suppl 1:S123-S136.
[7] Rohr N, Bergemann C, Nebe JB, Fischer J. Crystal structure of zirconia affects osteoblast behavior. Dent Mater 2020;36:905-913.
[8] Rohr N, Balmer M, Jung RE, Kohal R-J, Spies B, Hämmerle CHF, Fischer J. Influence of zirconia implant surface topography on first bone implant contact within a prospective cohort study. Clin Implant Dent Relat Res 2021;23:593-599.
[9] Javed F, Almas K, Crespi R, Romanos GE. Implant surface morphology and primary stability: is there a connection? Implant Dent 2011;20:40-46.
[10] Pieralli S, Kohal RJ, Lopez Hernandez E, Doerken S, Spies BC. Osseointegration of zirconia dental implants in animal investigations: A systematic review and meta-analysis. Dent Mater 2018;34:171-182.
[11] Roehling S, Schlegel KA, Woelfler H, Gahlert M. Zirconia compared to titanium dental implants in preclinical studies-A systematic review and meta-analysis. Clin Oral Implants Res 2019;30:365-395.