DGZMK: Kompaktempfehlungen für konkrete Fragestellungen aus der zahnärztlichen Praxis
Leitlinien und Wissenschaftliche Mitteilungen enthalten Empfehlungen als diagnostische und therapeutische Richtlinien, doch meist sind sie sehr komplex und umfangreich. Auch ist der Abdeckungsgrad für die Praxis manchmal gering, denn für viele wichtige Bereiche existieren keinerlei Handlungsempfehlungen. Diesem Umstand tragen die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und ihre Fachgesellschaften seit Anfang 2021 mit sogenannten „Kompaktempfehlungen“ Rechnung.
Für schnelle Leser
- Auf den Websites der DGZMK finden sich Kompaktempfehlungen mit klaren, kurzen Antworten auf alltägliche Fragestellungen der zahnärztlichen Praxis.
- Die Kompaktempfehlungen beruhen auf wissenschaftlicher Evidenz ohne die Ausführlichkeit und Schwerfälligkeit von Leitlinien und wissenschaftlichen Mitteilungen.
- Der Beitrag enthält Beispiele solcher kompakten Empfehlungen verschiedener wissenschaftlicher Fachgesellschaften der DGZMK.
Es existieren dort bereits eine Reihe von einfachen und klaren Entscheidungshilfen zu konkreten Fragestellungen sozusagen im „Kitteltaschenformat“. Sie basieren auf der bestverfügbaren Evidenz und durchlaufen vor ihrer Veröffentlichung einen Verabschiedungsprozess in der DGZMK und ihren Fachgesellschaften. Sie sollen das tägliche zahnärztliche Handeln in Ergänzung zu Leitlinien oder Wissenschaftlichen Mitteilungen unterstützen. Im Folgenden werden einige Beispiele für Kompaktempfehlungen aus den unterschiedlichen Fachbereichen aufgeführt.
Antworten auf Praxisfragen aus dem Bereich Endodontie und Traumatologie
Die DGET hat sich unter anderem mit der Frage beschäftig ob eine medikamentöse Einlage bei Zähnen mit apikaler Parodontitis erforderlich ist. Klare Antwort: Nein. „Mehrere Meta-Analysen und systematische Reviews belegen, dass sich die Erfolgsraten von ein- oder mehrzeitigen Wurzelkanalbehandlungen von Zähnen mit apikaler Parodontitis nicht signifikant unterscheiden“, heißt es in dieser Kompaktempfehlung [1].
Eine weitere Frage aus dem Bereich Endodontie und Traumatologie, die in den Kompaktempfehlungen beantwortet wird, ist die, ob traumabedingt obliterierte Zähne wurzelkanalbehandelt werden sollten. Auch hier lautet die Antwort: Nein. Zähne mit infolge einer Dislokationsverletzung obliteriertem Wurzelkanal sollen auch bei negativer Sensibilitätsprobe nicht wurzelkanalbehandelt werden. Wichtige Voraussetzungen dabei sind, dass weder klinisch noch radiologisch Hinweise auf eine apikale Parodontitis vorliegen [2].
Wie viele Pfeiler braucht eine Teleskopprothese mindestens?
Die Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien e.V. (DGPro) hat eine Kompaktempfehlung zur Mindestanzahl von Pfeilerzähnen zur Verankerung von Teleskopprothesen herausgegeben. Die Fachgesellschaft empfiehlt, die Versorgung mit Teleskopprothesen dann sorgfältig differenzialtherapeutisch abzuwägen, wenn die Zahl der einzubeziehenden Pfeiler drei unterschreitet und eine ungünstige Topografie vorliegt [3].
Eine der in der Empfehlung zitierten Studien wies darauf hin, dass Teleskopprothesen auf ein oder zwei Abutments im Vergleich zu Prothesen auf drei Abutments signifikant häufiger mit technischen und biologischen Komplikationen (Lösen der Primärkrone, Abutmentfraktur) verbunden waren [4].
Neue Empfehlungen für die zahnärztliche Betreuung von Demenzpatienten
Im letzten Jahr haben die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ) und die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) gemeinsame Empfehlungen für die zahnmedizinische Betreuung von Patienten zu Beginn eines kognitiven Abbaus beziehungsweise bei einer Demenzdiagnose eingestellt. Die Empfehlungen bestehen aus drei Teilen, die sich mit der zahnmedizinischen Betreuung und Diagnostik zu Beginn und mit der zahnmedizinische Betreuung bei progredienter Demenz beschäftigen.
Mit der Erstdiagnose einer Demenz verändert sich die Eigenverantwortlichkeit des Patienten und somit die rechtlichen Voraussetzungen für eine zahnmedizinische Behandlung. Es ist nun zu klären, wer für die Betreuung und Gesundheitsvorsorge des Patienten juristisch legitimiert ist. Eine zeitnahe und langfristige Anbindung an einen Kooperationszahnarzt ist sinnvoll, damit bei gegebenem Behandlungsbedarf Therapien zügig eingeleitet werden, bevor eine erwartbare Progredienz der Demenz einsetzt. Nimmt der kognitive Abbau zu, müssen die Untersuchungsintervalle angepasst und auch eigeninitiativ vom zahnärztlichen Team angeregt und mit den Betreuungspersonen organisiert werden [5].
Dr. Kerstin Albrecht, Düsseldorf
Hinweis: Beiträge in der Rubrik Oralmedizin kompakt können nicht die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller
Literatur und/oder von Expertenempfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.
Literatur
[1] Kompaktempfehlung DGET (Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie e. V.): Ist eine medikamentöse Einlage bei Zähnen mit apikaler Parodontitis erforderlich? 12.01.2021
[2] Kompaktempfehlung DGET (Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie e. V.): Sollen traumabedingt obliterierte Zähne wurzelkanalbehandelt werden? 12.01.2021
[3] Kompaktempfehlung der DGPro (Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien e. V.): Teleskopprothese (Doppelkronenprothese) mit wenigen Pfeilern und im stark reduzierten Gebiss. 12.01.2021
[4] Rinke S, Schneider L, Schulz X, Wiedemann V, Bürgers R, Rödiger M. Overdentures borne on less than four abutments with telescopic crowns: 5-year results of a retrospective clinical study. Clin Oral Investig. 2019 Aug; 23(8): 3153-3160. doi: 10.1007/s00784-018-2734-1.
[5] Kompaktempfehlung der DGAZ/DGMKG: Zahnmedizinische Betreuung von Patienten zu Beginn eines kognitiven Abbaus beziehungsweise bei einer Demenzdiagnose (Teil 1, 2 und 3)