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Wie wäre es mit einem „Paro-Cent“?

Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Statt um das Gesundheitsministerium ­unter Leitung von Karl Lauterbach geht es hier zunächst einmal um das Ministerium von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), das Bundeslandwirtschaftsministe­rium. Der Minister plant, wie nachzulesen ist, eine Verbrauchssteuer auf Fleischprodukte zu erheben.

Im Kern steht die griffige Formulierung „Tierwohl-Cent“.

Dieser soll erhoben werden, um „wichtige, ­vornehmlich landwirtschafts- und ernährungspolitische Vorhaben“ zu finanzieren. Wobei Cent sicher nicht im Sinne von Singular, also einem Cent, gemeint sein wird, denn an anderer Stelle zu den Plänen ist die Rede von „wenigen Cent pro Kilo mehr“. Tierschutz und Tierwohl sind ein hohes Gut und in der aktuellen „Verwertungskette“ sind wir noch weit entfernt von dem, was wünschenswert und im Sinne unserer Nutztiere wäre.

Es geht um das Tierwohl, nicht um das der Landwirte. Die Bauernschaft soll das Geld – so der ministerielle Plan – als Unterstützung zur tierfreundlicheren Umrüstung ihre Ställe betrachten. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Preise für landwirtschaftliche tierische Erzeugnisse steigen werden, denn der Bundestag hat ja auf der anderen Seite allen Protestaktionen zum Trotz den Rückbau diverser Subventionen der Landwirtschaft beschlossen – unterm Strich könnte der Tierwohl-Cent also vielleicht doch nicht seinem angedachten Zweck zugeführt werden. Auch ist fraglich, ob die Zusatzabgabe überhaupt EU-konform ist. Und sie käme ohnehin nur für in Deutschland produzierte Fleischprodukte und -nebenprodukte infrage – landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland würden im EU-Vergleich zusätzlich benachteiligt. 

Trotzdem ist die Idee einer überschaubaren Zusatzabgabe per se nicht uninteressant, zeigt sie doch, wie schon mit kleinstem persönlichem Mitteleinsatz in der Größenordnung Cent oder weniger Cents Geld für Sinnvolles zur Verfügung gestellt werden kann.

Aber schauen wir doch mal auf das Menschenwohl.


Wie wäre es neben dem Tierwohl-Cent mit einem „Paro-Cent“, um die Budgetierung im Bereich Parodontitisbehandlung ein für allemal und mit politisch gutem Gewissen beerdigen zu können?

Da sollte sich doch auch im BMG eine schlüssige und EU-feste Argumenta­tionskette aufbauen lassen. Bei rund 46 Millionen Einkommensteuerpflichtigen in Deutschland und einhundert Cent „Paro-Steuer“ monatlich stünde jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro bereit. Wie vielen Patienten könnten damit eine strukturierte Behandlung erhalten?

einfache Zeichnung eines männlichen Kopfes, darunter der Schriftzug Der Kommentar

Das Problem ist, dass im Steuerwunderland Deutschland mit der Einführung einer „Paro-Steuer“ früher oder später endgültig alle Hemmungen fallen würden, für alles mög­liche Extrasteuern oder einen Extracent einführen zu wollen. Aus wenigen Cent würde schnell eine im Geldbeutel spürbare Mehrbelastung werden.

Den Tierwohl-Cent müssen ja nur diejenigen zahlen, die auch weiterhin nicht auf Fleisch und Fleischprodukte verzichten wollen, den Paro-Cent dagegen alle, ob parodontal gesund oder nicht. Andererseits ist das der Kern unseres solidarisch finanzierten Gesundheitssystems.

Das Geld in diesem System scheint jedoch trotz üppiger solidarisch getragener Finanzierung nicht auszureichen. Oder es wird für Dinge ausgegeben, die gemessen am Nutzen zu teuer sind – denken wir an die Kosten für das mit zu vielen Fragezeichen versehene Digitalisierungsprojekt Gesundheitswesen mit teuren Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen. Wenn wir so viel Geld für wenig Nutzen ausgeben können, haben wir kein Ein­nahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem.

Es ist höchste Zeit, im Gesundheitswesen einen Kassensturz vorzunehmen und die wahren Kostentreiber zu identifizieren. Dann bleibt auch Geld für Prävention übrig – der beste Weg gegen Hypotheken auf die Zukunft. Vielleicht brauchen wir den Paro-Cent dann doch nicht.

 

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