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Notruf, Brandbrief, Wut-Brief

Briefeschreiben ist noch lange nicht out. Manchmal braucht es genau diese Form von Kommunikation, um einem berechtigten Anliegen den nötigen Nachdruck zu verleihen. Vor allem dann, wenn der ­Adressat gut gewählt ist.

Garant sozialer Stabilität

Vor zwei Wochen berichteten wir erstmals über den gemeinsamen Hilferuf von Kassenärztlicher Bundesvereinigung, Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung und Apothekerverband an Bundeskanzler Scholz. Darin brachten die Unterzeichner ihre Sorge um das deutsche Gesundheitssystem zum Ausdruck. Eine Sorge, die über die rein ­gesundheitspolitische Dimension hinaus gehe. „In Zeiten der wachsenden Instabilität fühlen sich die Menschen umso mehr angewiesen auf bisher funktionierende Versorgungsstrukturen, auf die sie sich verlassen können. Diese Strukturen, bestehend aus den ärztlichen, zahnärztlichen und psychotherapeutischen Praxen und den Apotheken vor Ort sind für die Bevölkerung mit unschätzbarem Wert verbunden. Sie sind verlässlich, wohnortnah und immer verfügbar“ und seien damit praktisch ein „Garant sozialer Stabilität“, hieß es. Der Wert dieser Strukturen sei bekannt und seine Stärkung „konsequenter- und richtigerweise“ auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden.

Die aktuelle Gesundheitspolitik bewirke jedoch das Gegenteil. Ärzte, Zahnärzte und Apotheker erstickten in Bürokratie, würden finanziell nur unzureichend ausgestattet und durch „nicht ausgereifte Digitalisierungspflichten gelähmt“. Das Fazit, von zahlreichen Medien zwischen den Zeilen gelesen: Der Bundeskanzler möge von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und seinen Bundesgesundheitsminister in die Schranken weisen. Denn die aktuelle Gesundheitspolitik gefährde das bewährte und über Jahrzehnte stabile deutsche Gesundheitssystem.

Das mediale Echo auf das Schreiben der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker an den Kanzler war erstaunlich groß und erwartbar vielfältig. Je nach Medium wurde aus dem Brief an Bundeskanzler Scholz ein Notruf („Zeit“), ein Brandbrief („Cicero“) oder gar ein „Wut-Brief gegen Lauterbach!“ („Bild“), in dem sich „Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Apothekerverband UND die mächtige (sic!) Kassenzahnärzt­liche Bundesvereinigung über den aktuellen Kurs“ beschweren. Oder, wie es bei ­„Cicero“ heißt: „Das Rückgrat des deutschen Gesundheitssystems wandte sich geschlossen gegen den Minister“.

Erste positive Signale

Der Minister nahm zu den Vorwürfen leicht patzig Stellung: „Es ist das gute Recht von Lobbygruppen, sich mit ihren Forderungen direkt an den Bundeskanzler zu wenden. In den vergangenen Legislaturperioden wurde das Fehlen von Reformen mit Geld zugekleistert. Unser Gesundheitssystem ist sehr teuer. Trotzdem ist die Lebenserwartung eher gering“, wird Lauterbach in der „Bild“ zitiert.
Ganz spurlos scheint der Erhalt einer Kopie des Schreibens an den Bundeskanzler aber dennoch nicht an Lauterbach vorbeigegangen zu sein, denn er suchte binnen kürzester Zeit das Gespräch mit Vertretern der „Lobbygruppen“. So meldete die KBV bereits vergangene Woche „erste positive Signale“ seitens des Bundesgesundheitsministers. In einem Gespräch mit dem Vorstand der KBV am vergangenen Mittwoch habe Lauterbach versprochen, zeitnah zumindest einige der thematisierten Probleme mit Gesetzesvorhaben angehen zu wollen. Dazu zählen laut KBV Maßnahmen zur Entbürokratisierung in den Praxen, die hausärztliche Entbudgetierung, eine bessere Digitalisierung und die ­Abwehr der Regressgefahr. Zum Thema Ambulantisierung habe man mit dem ­Minister weitere Gespräche vereinbart.

Es sieht also ganz danach aus, als hätten die Unterzeichner Dr. Andreas Gassen, Martin Hendges und Gabriele Regina Overwiening mit ihrem gemeinsam verfassten Brief etwas in Gang gesetzt. Jetzt heißt es, die ersten „positiven Signale“ in Richtung KBV zu einem konstanten und konstruktiven Dialog auch mit KZBV und ABDA weiterzuentwickeln.