Ein nicht zu unterschätzendes Thema im Rahmen der Praxisabgabe ist der Umgang mit dem bestehenden Praxispersonal. Sowohl Praxisabgeber als auch Existenzgründer, die eine bestehende Praxis übernehmen wollen, müssen in diesem Bereich gewisse Spielregeln beachten.
Regelungen zum Betriebsübergang (Teil 2)
Vor allem müssen sie den Umgang mit dem Personal sensibel und vorausschauend planen, damit das Aufeinandertreffen und Kennenlernen von neuem Praxisinhaber und eingespieltem Praxisteam reibungslos funktioniert. Die wichtigsten rechtlichen Faktoren, die es zu beachten gilt, damit der Praxisabgeber mit gutem Gefühl das Personal an den neuen Inhaber übergeben kann und andererseits der Praxisübernehmer von den Vorteilen der bestehenden Praxisstrukturen weiterhin profitieren kann, werden hier dargestellt.
Praxisübergabe ist Betriebsübergang
Zunächst ist zu wissen, dass die Praxisübergabe im Verhältnis zum bestehenden Personal einen „Betriebsübergang“ im Sinne von Paragraf 613a Absatz 1 BGB darstellt. Das bedeutet, dass der Praxisnachfolger in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Der Praxisnachfolger übernimmt das gesamte vorhandene Praxispersonal und zwar grundsätzlich auch zu unveränderten Konditionen. Eine Kündigung der Mitarbeiter durch den alten oder neuen Chef wegen der Praxisübernahme ist unwirksam, Paragraf 613 Absatz 4 BGB. Gerade für den Praxisnachfolger ist dieser Punkt im Rahmen der Planung zu berücksichtigen. Ein Praxisnachfolger muss die arbeitsrechtliche Situation einer Risikoprüfung unterziehen, bevor er sich für eine Praxis entscheidet.
Schriftliche Mitarbeiterinformation
Wichtig zu wissen ist auch, dass die Mitarbeiter entweder durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den zukünftigen, neuen Arbeitgeber vor der Übergabe schriftlich unterrichtet werden müssen, Paragraf 613 a Absatz 5 BGB. Die schriftliche Unterrichtung muss Folgendes enthalten: 1. den (geplanten) Zeitpunkt des Übergangs, 2. den Grund für den Übergang, 3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie 4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. Nicht zu vergessen sind dabei auch ruhende Arbeitsverhältnisse etwa mit Mitarbeitern in Elternzeit. Auch diese Mitarbeiter sind zu unterrichten. Es muss ausdrücklich darüber informiert werden, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, binnen eines Monats dem Betriebsübergang zu widersprechen und welche Konsequenzen sich hieraus für sie ergeben.
Folgen eines Widerspruchs
Der Widerspruch eines Mitarbeiters hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Praxisinhaber bestehen bleibt. Der bisherige Praxisinhaber hätte dann nur die Möglichkeit das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zu kündigen, wenn er etwa aus Altersgründen auch keine zahnärztliche Tätigkeit weiterhin ausführen wird und daher keine entsprechenden Tätigkeiten anbieten kann. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, das Personal so früh wie möglich über den Betriebsübergang zu informieren, um etwaige Kollisionen im Falle des Widerrufs mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs möglichst zu vermeiden.
Wird nicht widersprochen, geht das Arbeitsverhältnis 1:1 auf den neuen Praxisinhaber über. Alle Regelungen aus dem bestehenden Arbeitsvertrag wie etwa Arbeitszeit, Gehalt und Urlaubstage, gelten im Arbeitsverhältnis mit dem neuen Praxisinhaber genauso wie bisher.
Kündigungsmöglichkeiten? Gestaltungsoptionen?
Die Kündigungsmöglichkeiten sowohl für den Praxisabgeber als auch Praxisübernehmer sind insofern eingeschränkt, als dass eine Kündigung nicht aufgrund oder wegen der Praxisübernahme erfolgen darf (Paragraf 613 a Absatz 4 BGB). Kündigungen, die zumindest einen zeitlichen Zusammenhang zur Praxisübernahme aufweisen, werden daher besonders kritisch bewertet, sodass im Vorfeld ganz genau darauf zu achten ist, ob das Kündigungsverbot nach Paragraf 613 a Absatz 4 BGB der Wirksamkeit einer Kündigung entgegensteht.
Ob und in welchem Umfang gleichwohl weitergehende Gestaltungsoptionen für die bestehenden Arbeitsverhältnisse bestehen, muss ganz individuell und im Einzelfall geklärt werden.
Da Arbeitsverträge nicht einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden dürfen – vor allem dann nicht, wenn der Arbeitnehmer dadurch schlechter gestellt wird als vorher – muss im Einzelnen genau geprüft werden, ob es verhandelbare Möglichkeiten für zukünftige Änderungen gibt.
Praxistipp
Bei Praxisabgaben wird den arbeitsrechtlichen Besonderheiten nicht immer die notwendige Beachtung geschenkt. Dies kann sowohl für Praxisabgeber als auch für Praxisübernehmer teuer werden und damit den Praxisübergang unnötig erschweren. Sorgfältig ausgearbeitete Arbeitsverträge können den Praxiswert steigern, während optimierungsbedürftige Verträge den Praxiswert deutlich senken können, da der Praxisübernehmer ab der Praxisübergabe das finanzielle Risiko trägt. Insofern sollte jeder Praxisabgeber seine Arbeitsverträge vor der Praxisübergabe prüfen und falls notwendig vor einer möglichen Praxisabgabe neu verhandeln und überarbeiten lassen. Umgekehrt sollten Praxisübernehmer sich in jedem Fall vor einer Entscheidung die Arbeitsverträge zeigen lassen, um nicht unvorbereitet langfristige Verpflichtungen einzugehen, die für sie selbst weder tragbar noch gewollt sind.
Die Autorin: RAin Jennifer Jessie, Fachanwältin für Medizinrecht
Rechtsanwältin Jennifer Jessie ist seit Oktober 2016 in der Kanzlei Lyck+Pätzold healthcare.recht tätig. Sie ist sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich tätig und berät und vertritt medizinische Leistungserbringer insbesondere in den Bereichen des Arbeitsrechts, Berufs- und Werberechts sowie Zulassungsrechts. Seit dem Frühjahr 2017 ist Frau RAin Jessie zudem Rechtsbeirätin des Dentista e.V. und begleitet dort von rechtlicher Seite insbesondere die Themen rund um Mutterschutz, Beschäftigungsverbot und Elternzeit.
Foto: Lyck+Pätzold