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Praxiskaufvertrag richtig gestalten (Teil 6 von 7)
Vier junge Frauen in Zahnarztpraxis

Da es sich bei der vertraglichen Gestaltung der Praxisabgabe um ein Herzstück der Beratung handelt, zeigen wir in sieben Artikeln auf, welche vertraglichen Regelungen Sicherheit bieten.

Das Personal gehört zu den tragenden Säulen der Praxis. Nach Einschätzung von Patienten ist das Personal neben dem Internetauftritt eines der wichtigsten Marketingfaktoren.

Der Arbeitsvertrag

In Zeiten des Fachkräftemangels besteht allerdings nicht nur die Herausforderung, überhaupt geeignetes Personal zu finden, sondern dieses auch langfristig zu halten. Um so wichtiger ist es, das Thema „Personal“ in vielfältiger Weise neu zu denken. Der richtige Arbeitsvertrag bildet hier einen wichtigen Grundstein. Hier können die Weichen für eine vertrauensvolle und langfristige Zusammenarbeit gelegt werden. Und das zahlt sich auch bei der Praxisabgabe aus.

Alle Rechte und Pflichten werden übernommen

Praxisübernehmer treten grundsätzlich in alle bestehenden Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Von daher sind nachträgliche Änderungen im Zusammenhang mit einer Praxisabgabe fast nicht möglich. Ein von Anfang an wohldurchdachter Arbeitsvertrag, der klar und verständlich und im rechtlich zulässigen Rahmen gestaltet ist, bietet daher nicht nur mehr Rechtssicherheit für das laufende Arbeitsverhältnis. Er hilft auch dem Praxisübernehmer, ein Gespür dafür zu bekommen, ob die Praxis zu einem passt und ob die Verbindlichkeiten langfristig tragbar sind.

Arbeitsvertrag als Visitenkarte der Praxis

Der Arbeitsvertrag ist daher auch keine reine Formalität mehr. Er ist die Visitenkarte eines jeden Unternehmens und damit auch jeder Praxis. In erster Linie natürlich für die jeweiligen Mitarbeiter. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können Praxisinhaber mit ihrem Arbeitsvertrag zeigen, wer sie sind, wie sie sich das gelebte Arbeitsverhältnis vorstellen und vor allem auch welche Möglichkeiten geboten werden. Im Weiteren vermittelt der Arbeitsvertrag aber auch einen guten Eindruck über die Praxis und das Personal für den potenziellen Praxisübernehmer, der mit dem Praxiskauf alle Rechte und Pflichten übernimmt. Am Ende sollte ein Praxisinhaber und auch ein potenzieller Übernehmer in jedem Fall folgende Frage mit einem definitiven „Ja“ beantworten können: Würde ich als Arbeitnehmer diesen Vertrag selbst unterschreiben?
Auch bei Arbeitsverträgen gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Gerade das Arbeitsrecht ist allerdings durch eine Vielzahl von Gesetzen und einer sich ständig wandelnden Rechtsprechung geprägt. Bei der Vertragsgestaltung muss daher immer auch der rechtlich zulässige Rahmen mitbedacht werden. Zwingende Vorschriften dürfen nicht umgangen werden. Arbeitsverträge mit unzulässigen oder zu weit gehenden Regelungen mit einem unüberschaubaren Risiko für den Praxisübernehmer können bei einer Praxisabgabe ein echtes KO-Kriterium sein.

Die wesentlichen Punkte in einem Arbeitsvertrag

Bestimmte Kernpunkte sollten immer im Arbeitsvertrag geregelt sein, wie etwa Beginn des Arbeitsverhältnisses, Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub und Kündigungsfristen. Dies ergibt sich aus dem Nachweisgesetz. Gleichzeitig sollten vorausschauend bestimmte Risikoszenarien gleich mitbedacht werden, vor allem Überlegungen angestellt werden, ob für besondere Situationen besondere Regelungen überhaupt gebraucht werden. Was passiert etwa mit Urlaubsansprüchen im Falle von Langzeiterkrankungen? Ist es sinnvoll, Wettbewerbsverbote zu vereinbaren? Kann man bei Sonderzahlungen Stichtagsklauseln vereinbaren? Worauf müssen Mitarbeiter hingewiesen werden? Es ist daher auch nicht damit getan, einmal einen Arbeitsvertrag aufzusetzen und für alle zukünftigen Arbeitsverhältnisse zu verwenden. Arbeitsvertragliche Regelungen müssen in regelmäßigen Abständen hinterfragt und auch auf Aktualität überprüft werden. Denn gerade bei Neueinstellungen gilt immer nur die aktuelle Rechtslage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Mehr Individualität statt 08/15

Ein Rückgriff auf Musterverträge aus dem Internet ist zwar für den Moment bequem und vermeintlich einfach. Muster sind und bleiben allerdings Muster. Sie strahlen weder persönliche Wertschätzung noch Individualität aus. Im Kampf um die besten Mitarbeiter macht es jedenfalls einen erheblichen Unterschied, ob man nur einen 08/15-Vertrag anbietet oder einen individuellen Arbeitsvertrag, der den Mitarbeiter gezielt anspricht und das gelebte Arbeitsverhältnis auch wirklich klar und transparent abbildet. Zudem bergen Musterverträge auch immer das Risiko, dass sie nicht an die aktuelle Rechtslage angepasst sind und damit auch ein nicht zu unterschätzendes ­Risiko für einen potenziellen Praxisübernehmer darstellen.

Praxistipp

Im Kampf um die besten Mitarbeiter ist es sinnvoll, schon bei der Vertragsgestaltung anzusetzen. Dies wirkt sich auch bei der Praxisabgabe spürbar aus. Arbeitsverträge sind die Visitenkarte der Praxis. Hier können bereits persönliche Akzente gesetzt werden, um sich von anderen Praxen abzuheben. Gleichzeitig sorgt eine sorgfältige Vorarbeit auch dafür, potenzielle Risikoszenarien zu vermeiden. Kein Praxisübernehmer möchte sehenden Auges untragbare Verbindlichkeiten eingehen, bei denen Unzufriedenheit und Streit schon vorprogrammiert sind. Aus gleich mehreren Gründen macht ist es daher sinnvoll, sich schon frühzeitig rechtliche Unterstützung bei der Arbeitsvertragsgestaltung zu holen. Denn bei der Praxisabgabe ist es in der Regel dafür schon zu spät.

(wird fortgesetzt)

Die Autorin: RAin Jennifer Jessie, Fachanwältin für Medizinrecht

Jennifer Jessie

Rechtsanwältin Jennifer Jessie ist seit Oktober 2016 in der Kanzlei Lyck+Pätzold healthcare.recht tätig. Sie ist sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich tätig und berät und vertritt medizinische Leistungserbringer insbesondere in den Bereichen des Arbeitsrechts, Berufs- und Werberechts sowie Zulassungsrechts. Seit dem Frühjahr 2017 ist Frau RAin Jessie zudem Rechtsbeirätin des Dentista e.V. und begleitet dort von rechtlicher Seite insbesondere die Themen rund um Mutterschutz, Beschäftigungsverbot und Elternzeit.

Foto: Lyck+Pätzold