Schlafstörungen und ein nicht erholsamer Nachtschlaf sind ernst zu nehmende Symptome und Erkrankungen, die einer weiterführenden Diagnostik und gegebenenfalls Therapie bedürfen. Nicht behandelte Schlafstörungen können zu weiterführenden Erkrankungen, so zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mentalen Krankheiten führen und können auch begleitende Erkrankungen verschlechtern. Manche Schlafstörungen können sogar ein Frühsymptom anderer Erkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer, sein.
Die Schlafmedizin ist eine sehr breit gefächerte Disziplin, die zur optimalen Abdeckung aller Erkrankungen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit benötigt. Mediziner aus dem internistischen, pneumologischen, hals-, nasen-, ohrenärztlichen, neurologischen, psychiatrischen und pädiatrischen Bereich widmen sich in verschiedenen Forschungsschwerpunkten den sehr unterschiedlichen Erkrankungen, die während des Schlafs auftreten.
Einmal jährlich treffen sie sich zum großen Update auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Er findet dieses Jahr vom 7. bis 9. Dezember in Berlin statt. Prof. Dr. Ingo Fietze vom Schlafmedizinischen Zentrum der Charité, einer der wissenschaftlichen Leiter des Kongresses, gibt im folgenden Interview kurz und knackig Auskunft darüber, wie sich Schlaferkrankungen verändert haben, und warum man in der Großstadt schlechter schläft.
Das Motto „Schlaf in Zeiten des Wandels“ überschreibt die 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Welchen Herausforderungen unserer Zeit müssen Sie sich als Schlafmediziner stellen?
Prof. Dr. Ingo Fietze: Die größte Herausforderung ist der wachsende Bedarf an schlafmedizinischer Expertise bei schwindenden Ressourcen.
Also haben wir in Deutschland keine gute schlafmedizinische Versorgung. Was muss denn passieren, damit diese gewährleistet ist?
Fietze: In keiner Weise. Sie wird eher schlechter. Wir brauchen Exzellenzzentren an Universitäten und in Krankenhäusern, mehr Schlaflabore und viel mehr Schlafpraxen. Die Telemedizin wird teilweise helfen, dem Versorgungsauftrag gerecht zu werden. Sie muss aber vergütet werden.
Haben sich Schlaferkrankungen im Lauf der vergangenen Jahre verändert? Wenn ja, wie?
Fietze: Die Gesellschaft altert, das Übergewicht nimmt zu, und die Auslöser für einen schlechter werdenden Schlaf werden nicht weniger. Das sind die wesentlichen Gründe für eine Zunahme von Schlafstörungen.
Der Schlaf und seine Bedeutung für unsere Gesundheit sind in den zurückliegenden Jahren mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Hat sich die Einstellung der Menschen zum Schlaf Ihrer Meinung nach damit positiv entwickelt?
Fietze: Es ist ein Trend zu erkennen, auch dank der medialen Unterstützung. Aber es halten sich weiterhin viele nicht mehr zutreffende Mythen rund um den Schlaf.
Zum vierten Mal in ihrer Geschichte ist die Jahrestagung der DGSM in diesem Jahr in Berlin zu Gast. Werden die Teilnehmer denn im Großstadttrubel gut schlafen oder generell gefragt, was unterscheidet die Schläfer in Großstädten und im ländlichen Raum?
Fietze: Nachgewiesenermaßen schläft man in Großstädten schlechter. Das hat mit der Lichtverschmutzung, dem Lärm, der Luft, der Hitze und dem Lebensstil in der Großstadt zu tun.
Welche persönliche Note geben Sie als Tagungspräsidium dieser Jahrestagung mit?
Fietze: Nicht nur heilen, auch vorbeugen. Die Berücksichtigung der vielfältigen Faktoren, die unseren Schlaf beeinflussen, ist wichtig, um dessen Störungen noch besser entgegenwirken und auch behandeln zu können.
Termin
Der Jahreskongress der DGSM vom 7. bis 9. Dezember im Estrel Congress Center Berlin bietet ein Update zu Schlaferkrankungen aller Art und stellt neue schlafmedizinische Forschungen zu aktuellen Themen wie zum Beispiel künstliche Intelligenz, Melatonin-Gebrauch oder Klimawandel vor.
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