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"Man muss sich auf die kleinen Patienten einlassen"
Ängstliches Kind beim Zahnarzt.

Viele Kinder fühlen sich unwohl auf dem Behandlungsstuhl. Wichtig ist es deshalb, ein gutes Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Kinder sind besondere Patienten. Was Zahnärzte, die sich in diesem Bereich spezialisieren möchten, mitbringen sollten, erklärt Dr. med. Gisela Zehner, FZÄ für Kinderstomatologie, im DZW-Interview (Teil 2). 

Was sollten Kollegen beachten, die den Schwerpunkt Kinderzahnheilkunde für ihre Praxis wählen?

Dr. Gisela Zehner: Die besonderen Herausforderungen an die spezialisierten Kinderzahnärzte stecken in der eigentlichen Arbeit mit den Kindern und darin, ihre Zahnarztpraxis vollkommen auf die Behandlung von Kinderpatienten einzustellen und entsprechend einzurichten. Neben einer intensiven Ausbildung in Kinderzahnmedizin und Psychologie im Kindesalter sollten Kollegen, die den Schwerpunkt Kinderzahnbehandlung wählen wollen, insbesondere auch eine natürliche Zuneigung zu den kleinen Patienten mitbringen. Nur mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen kann ein guter Rapport zu kleinen Kindern aufgebaut werden, was eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kinderzahnbehandlung ist.

Gilt das auch fürs Team?

Zehner: Das trifft auf das gesamte Praxisteam zu, denn nur mit kompetenten und kinderfreundlichen Mitarbeiterinnen kann eine Kinderzahnarztpraxis ihre komplexen Anforderungen bewältigen. Auch die Mitarbeiterinnen sollten im Umgang mit Kindern, in Verhaltensführung und kindgerechter Kommunikation gut geschult sein, deshalb ist es wünschenswert, mehr Möglichkeiten einer umfangreichen Ausbildung des gesamten Praxisteams im Fachgebiet Kinderzahnmedizin zu schaffen.

Welche Möglichkeiten gibt es, um eine Behandlung von Kindern gut zu meistern?

Zehner: Mit einigen zusätzlichen Methoden, beispielsweise Akupressur, Kinderhypnose oder auch Zaubern, kann die Zahnbehandlung der Kinder so entspannt und zauberhaft gestaltet werden, dass die kleinen Patienten begeistert sind und sich darauf freuen, zum nächsten Termin wieder in ihre Zauberzahnarztpraxis kommen zu dürfen. Sie werden das überall erzählen, und man kann als Praxisinhaber auf teure und aufwendige Marketingstrategien verzichten! Kinder reagieren allerdings sehr individuell und müssen in bestimmten Fällen auch dringend mit Sedierungsmaßnahmen behandelt werden, deshalb sollten auch diese Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die von vielen Kollegen in der Befragungsstudie (siehe Kasten Befragungsstudie) beschriebene „Belastung und Anstrengung“ bei der Kinderzahnbehandlung sich schnell in Spaß und Freude verwandelt, wenn man den Kindern eine nach ihren Bedürfnissen ausgerichtete Zahnbehandlung ermöglicht. Die Erfüllung und Zufriedenheit, die eine schwerpunktmäßige Ausrichtung auf Kinderzahnmedizin für die Behandler und das gesamte Praxisteam mit sich bringt, lässt auch die erwähnten Probleme durchaus etwas in den Hintergrund rücken!

Müssen sich Praxen konzeptionell anders aufstellen, um die Herausforderung Kinderzahnmedizin zu meistern?

Zehner: In einer speziell auf Kinderzahnbehandlung ausgerichteten Zahnarztpraxis ist es natürlich viel einfacher, die besonderen Herausforderungen der Kinderzahnmedizin zu meistern, als in einer allgemein zahnärztlichen Praxis. Schon allein die kindgerechte Einrichtung einer solchen Zahnarztpraxis wird bewirken, dass die kleinen Patienten sich wohler und sicherer fühlen und der Rapport dadurch leichter aufzubauen ist. Den im Umgang mit Kindern speziell ausgebildeten freundlichen Mitarbeiterinnen wird auch ein kleiner Angsthase schnell vertrauen, wenn auf seine individuellen Bedürfnisse eingegangen und er entsprechend kindgemäß behandelt wird.

Und in einer „normalen“ Zahnarztpraxis – was ist da möglich?

Zehner: Auch in einer „normalen“ Zahnarztpraxis kann ein erfolgreiches Konzept zur Kinderbehandlung umgesetzt werden. Um die Kinder nicht immer nur zwischen den Erwachsenen in den normalen steril-weißen Behandlungsräumen mit wechselnden, den Kindern oft nicht vertrauten Mitarbeiterinnen behandeln zu müssen, ist es beispielsweise sinnvoll, bestimmte Zeiten – vorzugsweise in den Vormittagsstunden – für die Kinderzahnbehandlung zu reservieren. Man kann für einen Kindervormittag mit wenigen Handgriffen die Praxis kindgerecht umgestalten, indem in der Wartezone Spielzeug bereitgestellt wird und im Sprechzimmer alle Dinge, die Kindern Angst machen könnten, mit bunten Tüchern abgedeckt werden. Wenn dazu noch Kinderlieder im Behandlungsraum gespielt werden, die den kleinen Patienten bereits aus dem Kindergarten bekannt sind, entsteht sofort eine vertraute Atmosphäre.

Der Dienstplan könnte so gestaltet werden, dass in diesen Stunden ausreichend Zeit und ausschließlich auf die Kinderzahnbehandlung spezialisierte Mitarbeiterinnen eingeplant werden, die den Kindern gut vertraut sein sollten. Das gibt den kleinen Patienten Sicherheit, der Rapport ist schnell hergestellt, das Behandlungsteam kann sich ohne Zeitdruck vollkommen auf die kleinen Patienten einlassen und auf ihre besonderen Bedürfnisse und Behandlungsmaßnahmen konzentrieren.


Bundesweite Befragungsstudie

Ausschnitte aus der Studie „Erfahrungen, Probleme und Einschätzungen niedergelassener Zahnärzte bei der Behandlung jüngerer Kinder – Ergebnisse einer bundesweiten Befragungsstudie“ von Dr. Nele Kettler, IDZ Köln, und Prof. Dr. Christian Splieth, Universität Greifswald (IDZ Information 1/2013).

„Knapp die Hälfte aller Zahnärzte gibt an, die Kinderbehandlung … als „anstrengend“ bis „sehr sehr anstrengend“ … zu empfinden, wohingegen nur etwa 20 Prozent die Beanspruchung als „sehr sehr leicht“ bis „leicht“ … wahrnehmen.“

„Ein Unterschied in der Belastung ergibt sich interessanterweise weder geschlechter- noch altersspezifisch, allein auf dem Gebiet der Kinderzahnheilkunde fortgebildete Zahnärzte fühlen sich weniger stark beansprucht als nicht fortgebildete Zahnärzte.“ …

„Bei der Kariessanierung im Milchgebiss, insbesondere bei kleinen Kindern, äußern deutsche Zahnärzte und Zahnärztinnen in der vorliegenden Studie dieselben Probleme, die auch andere Studien unterstreichen: das zu behandelnde kleine Kind per se, die Eltern, aber auch die eigene Unsicherheit im Umgang mit dem Kind und mit den Prozeduren im Milchgebiss“ (vgl. Splieth et al. DZZ 64/2009).

„Wie … beschrieben, wurde insbesondere in den alten Bundesländern Deutschlands

lange die zahnärztliche Behandlung jüngerer Kinder nicht systematisch entwickelt und sie weist selbst heute noch bei der universitären Ausbildung einige Lücken auf

(vgl. Basner, Hirsch und Splieth, DZZ 67/2012). Es verwundert daher nicht, dass die Behandlung kleiner Kinder von Zahnärzten als belastend empfunden wird.“ …