Die Verbraucherorganisation foodwatch kritisiert die Marketing- und Lobbymaßnahmen von Coca-Cola als unverantwortlich. Der Weltmarktführer für Zuckergetränke nehme mit millionenschweren Marketingkampagnen im Internet und im Fernsehen bewusst Kinder und Jugendliche als Zielgruppe ins Visier. Gleichzeitig versuche der Konzern durch gezielte Lobbyarbeit wirksame Regulierungen wie Werbeverbote oder Sondersteuern zu torpedieren und habe nachweislich versucht, mit gekauften Wissenschaftlern Zweifel an der Schädlichkeit von zuckerhaltigen Getränken zu säen. Coca-Cola trage damit eine entscheidende Mitverantwortung für die Epidemie ernährungsbedingter Erkrankungen wie Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes.
Foodwatch hat hierzu einen 108-seitigen Coca-Cola-Report verfasst, den die Verbraucherorganisation auf einer Pressekonferenz in Berlin, direkt neben der Deutschland-Zentrale des Unternehmens, vorgestellt hat. Die Organisation forderte Coca-Cola auf, sein an Kinder und Jugendliche gerichtetes Marketing zu stoppen und beispielsweise nicht länger junge Youtube- und Instagram-Stars („Influencer“) für Werbezwecke einzuspannen. Zuckergetränke sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine wesentliche Ursache für Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes. Deshalb sei zudem die neue Bundesregierung gefordert, eine Herstellerabgabe für überzuckerte Getränke einzuführen.
Getränkekonzern in der Verantwortung
„Ob mit Fußballstars im TV oder angesagten Influencern im Youtube-Video: Coca-Cola versteht es wie kaum ein anderer Konzern, ein positives Image zu kreieren – auch und gerade bei jungen Menschen. Dabei sind die Zuckergetränke von Coca-Cola flüssige Krankmacher“, sagte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch und Autor des Coca-Cola-Report. „Natürlich weiß wohl jedes Kind, dass Cola und Limo nicht gesund sind. Aber es geht nicht um ein bisschen zu viel Zucker – schon eine Dose am Tag fördert ernsthafte Krankheiten wie Diabetes. Die Zuckergetränke-Industrie, allen voran der Weltmarktführer, stellt nicht bloß die Produkte ins Regal und überlässt den Konsumenten die freie Wahl. Coca-Cola torpediert gezielt gesundheitspolitische Initiativen rund um den Globus und versucht mithilfe von Lobbyverbänden, die Gesundheitsgefahren von Zuckergetränken zu verschleiern – mit den gleichen Methoden wie früher die Tabakindustrie.“
Erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit und Diabetes
Der überhöhte Konsum zuckerhaltiger Getränke fördert nachweislich die Entstehung zahlreicher Krankheiten wie etwa Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes oder Karies. Zuckergetränke liefern nur „leere Kalorien“ ohne wichtige Nährstoffe und ohne eine entsprechende Sättigung zu verursachen, was zu einer überhöhten Kalorienaufnahme führt. Anders als beispielsweise Süßwaren, bei denen „eine Handvoll“ als unproblematisch gilt, sind Zuckergetränke schon in vergleichsweise geringen Mengen gesundheitsgefährdend: Eine Dose am Tag erhöht das Risiko für Übergewicht, Fettleibigkeit oder Typ-2-Diabetes. Kinder und Jugendliche in Deutschland – vor allem Jungen – trinken deutlich mehr Zuckergetränke als empfohlen. Laut aktueller Daten des Robert-Koch-Instituts trinken männliche Jugendliche knapp einen halben Liter täglich.
Werbung mit Youtube-Stars
Coca-Cola erwecke durch eine Selbstverpflichtung den Eindruck, keine Werbung an Kinder unter 12 Jahren zu richten. Doch die Praxis sieht laut foodwatch anders aus. Mit Fußballstars in der Werbung und Aktionen wie dem Coca-Cola-Adventskalender oder der Coke-Weihnachtstruck-Tour werden gezielt Kinder angesprochen, so die Verbraucherorganisation. Der Konzern habe zudem gleich eine ganze Reihe von vor allem bei jungen Menschen beliebten Youtube-Stars für seine Marketing-Aktionen eingespannt: Neun der 20 meistabonnierten Youtuber in Deutschland – mit teilweise mehr als drei Millionen Abonnenten – traten bereits in dem Youtube-Kanal „CokeTV“ auf. Foodwatch kritisiert, dass sie beispielsweise als Moderatoren kurzweilige und lustige Videospots präsentieren, in Stil und Machart geschickt an die erfolgreichsten Jugendkanäle angelehnt. Das meistgeklickte Video auf dem deutschen Coca-Cola-Kanal wurde mehr als 2,3 Millionen Mal angeschaut.
Gekaufte Wissenschaftler
Gleichzeitig engagiert sich der Weltkonzern auch auf politischer Ebene, um Zweifel an der gesundheitsschädlichen Wirkung von Zuckergetränken zu säen und eine effektive Regulierung der Produkte zu verhindern, stellt foodwatch in seinem Coca-Cola-Report fest. Ein Beispiel: Wie 2015 die New York Times aufdeckte, finanzierte Coca-Cola mit 1,5 Millionen US-Dollar eine vermeintlich unabhängige Forschungseinrichtung. Diese vertrat öffentlich die Position, nicht ungesunde Ernährung, sondern Bewegungsmangel sei das zentrale Problem für Übergewicht.
Zuckergetränke und Übergewicht
Zahlreiche Studien haben in der Vergangenheit untersucht, ob Zuckergetränke und Übergewicht zusammenhängen. Dabei finden 80 Prozent der von der Lebensmittelindustrie finanzierten Studien heraus, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Übergewicht und dem Konsum von Zuckergetränken – während 80 Prozent der unabhängig finanzierten Studien zu dem gegenteiligen Ergebnis kommen. Interne E-Mails von Coca-Cola, die im Jahr 2016 an die Öffentlichkeit gelangten, zeigen, dass der Konzern vor allem eine politische Maßnahme besonders fürchtet: Sonderabgaben oder -steuern auf zuckergesüßte Getränke.
Was die Politik tun kann
Foodwatch sieht laut Pressemeldung auch die Politik in der Verantwortung, den Konflikt mit Weltkonzernen wie Coca-Cola und der einflussreichen Lobby nicht länger zu scheuen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um der Epidemie ernährungsbedingter Krankheiten etwas entgegenzusetzen – wie die Weltgesundheitsorganisation oder die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), ein Bündnis medizinischer Fachgesellschaften, schon lange fordern. So müsse die Bundesregierung die Hersteller von stark überzuckerten Getränken verpflichten, eine Abgabe zu zahlen. Länder wie Großbritannien, Frankreich, Irland, Belgien oder Mexiko haben eine solche Sondersteuer oder -abgabe beschlossen. In Großbritannien führte dies dazu, dass führende Hersteller schon vor Inkrafttreten den Zuckergehalt ihrer Produkte senkten.