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Eßer: „Ziele können nur in einer Selbstverwaltung erreicht werden, die diesen Namen auch verdient“

Mitte November 2016 kommt zum Auftakt des politischen Teils des Deutschen Zahnärztetags in Berlin die Vertreterversammlung (VV) der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zusammen. Für den Vorstand der KZBV ebenso wie für die Delegierten wird es die letzte VV in der aktuellen Zusammensetzung sein. Anlass für Dr. Wolfgang Eßer, im folgenden Interview Bilanz zu ziehen.

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV

Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV: „Sollten diese Voraussetzungen durch das Gesetz beseitigt werden, werde ich für ein Amt in der KZBV nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Die Wahlen in den 17 Kassenzahnärztlichen Vereinigungen laufen beziehungsweise sind schon abgeschlossen. In einigen KZVen sind die Vorstände ab dem Jahr 2017 bereits gewählt. Der Vorsitzende des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer (62), gibt im Interview mit der DZW-Redaktion einen Ausblick auf aktuelle Themen der Herbst-VV am 16. und 17. November und die Perspektiven für den zahnärztlichen Berufsstand.

Herr Dr. Eßer, das sogenannte GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz stößt in allen Selbstverwaltungsgremien in der Gesetzlichen Krankenversicherung auf massive Kritik. Auch Sie haben dazu schon mehrfach deutliche Worte gefunden. Wie ist der aktuelle Stand, und welche Empfehlungen oder Anträge werden Sie den Delegierten dazu vorlegen?

Dr. Wolfgang Eßer: Der Referentenentwurf des GKV-SVSG liegt nun seit dem vergangenen Monat auf dem Tisch und ist für jedermann zugänglich. Sollte dieses Gesetz in der vorliegenden Fassung des Referentenentwurfs unverändert verabschiedet werden, bedeutet dies faktisch die Zerstörung der Selbstverwaltung und somit die Beseitigung einer der tragenden Säulen des Gesundheitssystems in Deutschland. Nicht nur die KZBV, sondern sämtliche betroffenen Körperschaften versuchen deshalb mit allen rechtsstaatlichen Mitteln die verantwortlichen Politiker von der Schädlichkeit dieses Vorhabens für unser Gesundheitswesen zu überzeugen und dementsprechende Änderungen zu erreichen.

Ende Oktober fand bereits eine Verbändeanhörung unter Leitung des BMG statt, bei der sich die KZBV, die KBV, der G-BA, der GKV-SV und der MDS sehr geschlossen und vehement gegen die Regierungspläne ausgesprochen haben. In den vielen Jahren meiner Vorstandstätigkeit habe ich eine derart geschlossene Ablehnungsfront gegen einen Gesetzentwurf noch nicht erlebt, aber das ist in dieser Situation auch absolut notwendig. Mit dem Gesetz würden die Selbstverwaltungskörperschaften unter die Fachaufsicht des BMG gestellt, das praktisch in alle Belange der betroffenen Organisationen und deren Mitglieder auch jenseits der Rechtsaufsicht eingreifen und hineinsteuern könnte. Die heutige Selbstverwaltung würde damit zu einer vom BMG gelenkten Zwangsverwaltung umfunktioniert und hätte nur noch die Funktion eines Feigenblattes in einem staatsnahen Gesundheitssystem.

Unmissverständlich und in aller Deutlichkeit gilt es daher, der Kollegenschaft klar zu machen, dass von diesem Gesetz gleichzeitig ein massiver Angriff auf die Freiberuflichkeit der Heilberufe erfolgt und insofern auch jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt unmittelbar betroffen sein wird. Ohne eine funktionierende Selbstverwaltung wird es keine freiberufliche Ausübung der Zahnheilkunde in Deutschland mehr geben!

Gibt es überhaupt noch Chancen, politisch hier etwas zu bewegen? Und wie steht es um die Einigkeit der Selbstverwaltungsgremien in der Ablehnung des Gesetzes?

Eßer: Die Ablehnungsfront ist – wie ich bereits ausgeführt habe – geschlossen. Wir werden auf der Vertreterversammlung der KZBV noch einmal unmissverständlich die Position der Vertragszahnärzteschaft deutlich machen und den Gesetzgeber zur Abkehr von diesem unseligen Vorhaben auffordern. Die Bundesregierung muss Farbe bekennen und sich erklären, wie unser Gesundheitssystems künftig ausgerichtet sein soll: als staatszentriertes System mit einer zum Feigenblatt umfunktionierten Selbstverwaltung unter Staatskuratel, oder als ein System, das weiterhin auf dem Subsidiaritätsprinzip basiert und auf einem von Vertrauen geprägten Miteinander von Staat und funktionierender Selbstverwaltung gründet, in dem einerseits die Kriterien einer maßvollen Rechtsaufsicht angewendet werden, andererseits den Körperschaften aber auch ein weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. Ich habe die Hoffnung noch nicht vollends aufgegeben, dass es in Deutschland nach wie vor ausreichend viele Gesundheitspolitiker gibt, die willens und in der Lage sind, unser Gesundheitssystem, das nicht umsonst eines der besten Versorgungssysteme der Welt ist, nicht zum Spielball fehlgeleiteter Machtpolitik werden zu lassen. Ich bin deshalb auch zuversichtlich, dass Minister Gröhe ein Machtwort sprechen und seine Mitarbeiter im BMG anweisen wird, zu einem angemessenen Umgang mit den Körperschaften zurückzukehren.

Mit welchen weiteren Themen werden sich die Delegierten auf Vorschlag des Vorstands befassen?

Eßer: Neben dem GKV-SVSG wird die Neuausrichtung der Parodontitis-Behandlung in der vertragszahnärztlichen Versorgung ein weiteres zentrales Thema sein. Der Leistungskatalog ist völlig veraltet und entspricht in vielen Bereichen nicht mehr den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Vor allen Dingen müssen endlich notwendige parodontitispräventive Maßnahmen im Bema abgebildet werden. Die sprechende Zahnheilkunde und eine strukturierte Nachsorge fehlen heute vollständig. Daneben müssen wirksame Aufklärungs- und Anreizprogramme für die Bevölkerung aufgesetzt werden, wenn man die Prävalenz der Parodontitis nachhaltig reduzieren will.

Nach wie vor wird die Erkrankung in der Bevölkerung bagatellisiert, und die Zusammenhänge mit schwerwiegenden Allgemeinerkrankungen wie Diabetes Typ II, koronaren Herzerkrankungen oder Atemwegserkrankungen sind bei den Patienten und Versicherten noch fast völlig unbekannt. Wir werden auf diesem Gebiet sehr viel stärker als bisher zu kooperativen Versorgungsmodellen mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Fachrichtungen finden müssen. Und da all dies nicht ohne zusätzliche finanzielle Mittel funktionieren wird, werden wir auch diese Forderung deutlich artikulieren.

Sie hatten im vergangenen Jahr angekündigt, alles zu versuchen, die Öffnung der Medizinischen Versorgungszentren auch für arztgleiche MVZ für die Zahnärzte rückgängig zu machen beziehungsweise die Zahl der angestellten Zahnärzte in solchen Z-MVZ zu beschränken. Wie stellt sich das nach einem Jahr dar und welche anderen Vorschläge gibt es, die angenommene nachteilige Wirkung von Z-MVZ auf die Einzelpraxis und kleinere Berufsausübungsgemeinschaften zu reduzieren?

Eßer: Die grundsätzliche Haltung der KZBV zu rein zahnärztlichen MVZ ist auch nach einem Jahr unverändert kritisch: Haben wir zu arztgruppenübergreifenden MVZ eine neutrale bis positive Position bezogen, weil wir uns durch diese Kooperationsformen eine Versorgungsverbesserung haben vorstellen können, sehen wir bei arztgruppengleichen MVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung hingegen keinerlei Vorteile. Ganz im Gegenteil: Solche MVZ gefährden langfristig die Sicherstellung einer flächendeckenden, wohnortnahen und qualitätsgesicherten Versorgung.

Sie siedeln sich erfahrungsgemäß in Ballungsgebieten mit einkommensstarker Klientel an und verstärken die dort schon bestehende Überversorgung im zahnärztlichen Bereich ohne einer Unterversorgung in ländlichen, strukturschwachen Gegenden entgegenzuwirken.

Durch die gesetzlich verfügte Ungleichbehandlung gegenüber den Einzel- und Mehrbehandlerpraxen – MVZ dürfen beliebig viele angestellte Zahnärzte beschäftigen, Einzel- und Mehrbehandlerpraxen pro niedergelassenem Zahnarzt nur jeweils zwei – haben diese MVZ einen Wettbewerbsvorteil. Auch hinsichtlich der Qualität der Leistungserbringung müssen Zweifel angemeldet werden, da die der Anstellungsbeschränkung in Einzel- und Mehrbehandlerpraxen zugrunde liegende Forderung einer Beaufsichtigung und Anleitung der angestellten Zahnärzte durch die niedergelassenen Zahnärzte in den MVZ vom Gesetzgeber nicht mehr gefordert wird. Außerdem wird durch diese Versorgungsformen dem unseligen Trend zur Vergewerblichung und Industrialisierung der Zahnheilkunde weiter Vorschub geleistet.

Die oftmals in dieser Diskussion ins Feld geführte Behauptung, solche MVZ würden das angestrebte Umfeld für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte darstellen, erscheint mir ebenfalls überaus fraglich. Eine aktuelle Umfrage des Instituts der deutschen Zahnärzte ergibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass junge Zahnärztinnen und Zahnärzte die Anstellung in diesen Großversorgungsstrukturen bevorzugen oder anstreben würden: Im Wintersemester 2015 gaben von 1.360 befragten Studierenden gerade einmal 2,4 Prozent an, sich dauerhaft eine Niederlassung in einem MVZ vorstellen zu können. Bei den im März 2015 befragten Assistenzzahnärzten und angestellten Zahnärzten lag der Wunsch, langfristig in einem MVZ tätig zu werden, mit jeweils 0,8 Prozent Zustimmung noch darunter.

Chart Entwicklung Versorgungszentren

Entwicklung der Zahl zahnärztlicher Medizinischer Versorgungszentren

Wie viele Z-MVZ gibt es aktuell überhaupt?

Eßer: Ende Dezember 2015 betrug die Zahl der zugelassenen medizinischen Versorgungszentren in Deutschland 87 und stieg bis Ende Juli 2016 auf 185 MVZ an, was einer Steigerung von rund 113 Prozent entspricht.

Der Großteil der MVZ mit 173 MVZ entfällt dabei auf das Gebiet der alten Bundesländer: Allein auf Bayern entfielen mit 48 MVZ Ende Juli 2016 rund ein Viertel aller MVZ, während die 12 MVZ in den ostdeutschen Ländern nur einen Anteil von rund 6,5 Prozent am Gesamtbestand ausmachten.

Zum 31. Juli 2016 wurden von den KZVs insgesamt 21 Anträge auf Genehmigung eines MVZ gemeldet, sodass bereits zum Ende des dritten Quartals 2016 mit rund 200 zugelassenen medizinischen Versorgungszentren in Deutschland zu rechnen ist. Allein schon diese Zahlen zeigen, dass die politisch gewollte Veränderung der bislang bewährten zahnärztlichen Versorgungsstruktur in Deutschland ganz offensichtlich bereits einer bedrohlichen Dynamik ausgesetzt ist.

Zahnärzte beschäftigen inzwischen laut KZBV-Jahrbuch eine zahnmedizinische Fachassistenz pro Praxis allein für den deutlich gestiegenen administrativen Aufwand – von Dokumentation und QM bis Hygiene und Abrechnung. Es wird daher immer wieder gefordert, diese gestiegenen Bürokratiekosten auch in den Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen zu berücksichtigen. Ist das überhaupt realistisch?

Eßer: Wir alle merken in unseren Praxen, wie sehr durch ständig wachsende Überwachungs-, Dokumentations- und Verwaltungspflichten bei den Themen Hygiene und Qualität die Bürokratielast in den Praxen Größenordnungen erreicht, bei der keinerlei Relation mehr zwischen Aufwand und Nutzen besteht. Hier ist ein System installiert worden, dessen eigentlicher Sinn, die Versorgung der Menschen zu verbessern, völlig aus dem Fokus geraten ist. Kostbare Behandlungszeit muss geopfert werden, hohe Kosten für Schulung, Qualifizierung und Weiterbildung des Praxispersonals müssen geschultert und zusätzliches Personal eingestellt werden, ohne dass hierfür ein angemessener finanzieller Ausgleich geleistet wird.

Die KZBV kämpft auf Bundesebene im G-BA und im IQTIG einen einsamen Kampf gegen die Bürokraten und steht auf einem nahezu verlorenen Posten. Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass dieser Bürokratiewahn gewollt ist. Horst Seehofer hat schon vor vielen Jahren „die kostensenkende Qualitätssteigerung“ propagiert.

Zwar werden die steigenden Bürokratiekosten zumindest in der vertragszahnärztlichen Versorgung über die jährlichen Punktwertsteigerungen in der Honorarfindung mitberücksichtigt, ein echter Ausgleich des Aufwands erfolgt aber tatsächlich nicht. Genau aus diesem Grund haben wir eine Arbeitsgruppe von Spezialisten der KZBV ins Leben gerufen, die die Kostentwicklung anhand belastbarer Daten belegen kann und so zu einer angemesseneren Vergütung finden soll. Dieses Vorhaben erweist sich jedoch als außerordentlich komplex, weil die daraus resultierenden zusätzlichen Leistungen in der täglichen Praxisroutine nicht ohne Weiteres herausgefiltert werden können, jedenfalls nicht ohne erheblichen Messaufwand, etwa in Form von Zeitmessstudien.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist dem Institut der Deutschen Zahnärzte die Durchführung einer dann auch regelmäßig anstehenden Hygienekostenstudie übertragen worden, um zumindest in diesem Bereich die Entwicklung der Kosten zeitnah erfassen, belegen und auf Basis wissenschaftlich gesicherter Erkenntnisse in den Honorarverhandlungen vertreten zu können. Die Umsetzung unserer berechtigten Forderungen nach entsprechend höheren Vergütungen ist also durchaus gut begründbar, verlangt aber in den Verhandlungen mit den Krankenkassen noch einen langen Atem.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen, wie außerordentlich wichtig es ist, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen an unseren Kostenstrukturerhebungen beteiligen und uns den Zugriff auf ihre anonymisierten Abrechnungsdaten über ihr PVS-System ermöglichen. Ohne diese Daten sind wir nämlich nicht in der Lage, die berechtigten Forderungen der Zahnärzteschaft in den Honorarverhandlungen zu belegen.

Wie ist der aktuelle Stand bei den beiden gesetzlich vorgesehenen neuen zahnärztlichen Leistungsbereichen, dem Paragrafen 22a SGB V zur Prävention bei Patienten mit Handicap und der zahnärztlichen Betreuung der Null- bis Dreijährigen? Wann können die Zahnärzte hier mit Leistungsbeschreibungen und Bewertungen rechnen?

Eßer: Die weitere Umsetzung der zusätzlichen Präventionsangebote für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen sowie die zusätzlichen Untersuchungen zur Vermeidung der frühkindlichen Karies sind besonders wichtige Wegmarken hin zu unserem Ziel, die Mundgesundheit aller Menschen in unserer Gesellschaft kontinuierlich zu verbessern. Nun ist es wichtig, die neuen Angebote möglichst rasch in die tägliche Arbeit der Behandler in den Praxen zu überführen und im Bema mit Leistungs- und Gebührenziffern zu hinterlegen, damit sie in der Versorgung ankommen.

Inzwischen hat das zuständige Gremium im G-BA seine Arbeit an der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags des Paragrafen 22a aufgenommen, um das Nähere über Art und Umfang der Leistungen zu bestimmen. Die KZBV hat sofort reagiert und einen mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften abgestimmten Regelungsvorschlag in den G-BA eingebracht. Unser Ziel ist, rasch eine Versorgungsverbesserung auf den Weg zu bringen. Um unnötige langwierige Verhandlungen zu vermeiden, konzentrieren wir uns deswegen im ersten Schritt auf die im Gesetz konkretisierten Leistungen und werden in einem zweiten Schritt weitere Leistungen aus unserem A-und-B-Konzept auf den Weg bringen. Der G-BA ist ja ausdrücklich durch das Gesetz legitimiert und beauftragt worden, auch weitere Leistungen als die im Gesetz konkret benannten in die Versorgung zu bringen.

Nach Abschluss des Beratungsverfahrens im G-BA müssen in einem weiteren Schritt die Verhandlungen im Bewertungsausschuss geführt werden. KZBV und GKV-Spitzenverband haben in diesem Gremium als Partner der Bundesmantelverträge die Aufgabe, die Inhalte der Richtlinie mit Leben zu füllen und in konkrete Bema-Positionen zu überführen sowie zu bewerten. Nach Abschluss dieses Verfahrens werden die Leistungen dann tatsächlich Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen im Versorgungsalltag zur Verfügung stehen.

Auch die Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung von Kleinkindern ist der KZBV ein besonderes Anliegen. Zum Komplex „Frühkindlicher Karies“ haben KZBV und BZÄK bekanntlich im Januar 2014 ein gemeinsames Konzept zur zahnmedizinischen Prävention bei Kleinkindern vorgelegt. Im Zuge der Umsetzung hat die KZBV bereits vor Inkrafttreten des Präventionsgesetzes im G-BA einen Antrag auf Bewertung der oralpräventiven Effekte zusätzlicher Früherkennungsuntersuchungen auf Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen vor dem 30. Lebensmonat und zur Bewertung zusätzlicher therapeutischer Maßnahmen zur Schmelzhärtung ab dem 12. Lebensmonat bei Vorliegen einer initialen Kariesläsion gestellt.

Seit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes im Juli 2015 ist der G-BA dazu gemäß Paragraf 26 Absatz 2 Satz 5 SGB V verpflichtet, „das Nähere zur Ausgestaltung der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen zur Vermeidung frühkindlicher Karies“ zu regeln.

Damit sollen ausweislich der Gesetzesbegründung über die bisherige Früherkennungsrichtlinie hinaus, die die erste zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung im dritten Lebensjahr vorsieht, schon früher im Kleinkindalter Untersuchungen eingeführt werden, die dazu beitragen, eine Reduktion frühkindlicher Karies zu erreichen. Es obliegt damit aktuell dem G-BA, auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse Art und Umfang der Leistungen sowie die Altersgrenzen und die Häufigkeit festzulegen. Derzeit berät der G-BA über die konkrete Ausgestaltung dieser zusätzlichen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen. Ein konkretes Datum, wann diese zusätzlichen Untersuchungen in die Versorgung überführt sind, steht bislang nicht fest. Aufgrund des eindeutigen gesetzlichen Auftrags zur Neuregelung setzt sich die KZBV aber im G-BA auch hier mit Nachdruck für eine zügige Beratung ein. Ich hoffe sehr, dass wir im nächsten Jahr die erfolgreiche Umsetzung verkünden können.

Das Antikorruptionsgesetz führt zu vielen Fragen in den Praxen, die KZBV hat gemeinsam mit der BZÄK dazu diverse Informationsbroschüren vorgelegt. Die KZBV hat auch eine Compliance-Leitlinie erarbeitet, die fortgeschrieben werden sollte. Wird das auch Thema in Berlin sein?

Eßer: Das sogenannte Antikorruptionsgesetz ist im vergangenen Juni in Kraft getreten. Die Position der Vertragszahnärzteschaft ist auch bei diesem Thema unverändert eindeutig: Wir bekennen uns unmissverständlich und konsequent zu einer Null-Toleranz-Politik in Sachen Bestechung und Bestechlichkeit. Die KZBV hat gemeinsam mit der BZÄK unlängst eine entsprechende Online-Broschüre veröffentlicht, die die wichtigsten juristische Aspekte dazu verständlich und anhand konkreter Beispiele erläutert. Die strikte Einhaltung rechtlicher Vorgaben ist erklärtes Ziel und Auftrag jedes einzelnen Zahnarztes sowie des zahnärztlichen Berufsstands insgesamt. Daher ist es wichtig, den Kolleginnen und Kollegen in den Praxen Hilfestellungen zur Erfüllung bestehender Verpflichtungen zu geben und Verunsicherung abzubauen. Durch die fortlaufende Erweiterung unserer Compliance-Leitlinie und die neue Broschüre schaffen wir an dieser Stelle die dafür nötige Transparenz.

Vonseiten des Arbeitgeberverbands der Zahntechniker ist jetzt mit einem Gutachten zweier Juristen erneut ein Angriff auf das zahnärztliche Praxislabor gestartet worden. Ist das Praxislabor noch ein Modell mit Zukunft?

Eßer: Vonseiten insbesondere der Zahntechnikerinnungen erfolgen ja in regelmäßigen Abständen Angriffe auf das Praxislabor aus vordergründigen Wettbewerbsinteressen, die dann auch medienwirksam in die öffentliche Diskussion getragen werden. Die immer gleichen Attacken, Spekulationen und unbelegten Behauptungen gefährden dabei in letzter Konsequenz die vertrauensvolle Zahnarzt-Zahntechniker-Beziehung und das nur, weil sich die Innungen unliebsamer Konkurrenz entledigen wollen. Die Erbringung zahntechnischer Leistungen ist aber nach wie vor integraler Bestandteil des zahnärztlichen Berufsbilds und der Behandlung in den Praxen. Vor allem vor dem Hintergrund einer vertrauensvollen Zahnarzt-Patienten-Beziehung entscheidet der Behandler allein schon aus Haftungsgründen, wer – angesichts des konkreten Falls und des möglichen Herstellungsaufwands – den Zahnersatz herstellt und wo dieser hergestellt wird: im eigenen Praxislabor, im gewerblichen Fremdlabor oder im In- oder Ausland.

Durch Zahnersatz, der in einem Eigenlabor hergestellt wird, profitieren vor allem die Patienten, denen eine unmittelbare Leistungserbringung in der Praxis ohne zusätzliche Transaktionszeiten und -aufwendungen zeitnah, qualitätsgesichert und durchaus auch kostengünstig ermöglicht wird. Der Zahnarzt erbringt dabei in seinem eigenen Labor zulässigerweise qualifiziert und selbstständig eigene zahntechnische Leistungen. Selbstverständlich ist er dabei dazu verpflichtet, geltende gesetzliche und insbesondere berufsrechtliche Regelungen vollumfänglich einzuhalten.

Ihre dritte Amtszeit als KZBV-Vorstandsmitglied geht jetzt zu Ende – seit November 2013 sind Sie Vorstandsvorsitzender. Welche Bilanz ziehen Sie mit Blick auf die vergangenen Jahre für die Arbeit der KZBV und für die Vertragszahnärzte?

Eßer: Wenn als maßgebliches Kriterium für die Beurteilung des Nutzens einer Selbstverwaltung im Gesundheitswesen der Versorgungsgrad, der Versorgungsumfang und die Versorgungsqualität herangezogen werden, dann ist das System aus KZVen und KZBV in Deutschland ein Musterbeispiel für eine bestens funktionierende Selbstverwaltung. Die Zahnärzteschaft hat in den vergangenen Jahren entscheidende Beiträge geleistet, um die Mundgesundheit der Bevölkerung weiter zu verbessern und eine wohnortnahe Versorgung flächendeckend und qualitätsgesichert sicherzustellen. Wir haben unsere Richtlinien präventionsorientiert gestaltet, den Bema neu strukturiert, gegen massive Widerstände das Festzuschusssystem beim Zahnersatz zum Erfolg geführt. Unser Versorgungskonzept zur Alters- und Behindertenzahnheilkunde ist erfolgreich in die Versorgung gebracht worden, und das ECC-Konzept zur Bekämpfung frühkindlicher Karies wird mit dem Präventionsgesetz die Zielgruppe der Bemühungen erreichen. Weiterhin exponieren sich Zahnärztinnen und Zahnärzte für einen gleichberechtigten und barrierearmen Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung für ausnahmslos alle Menschen in unserer Gesellschaft.

Die strikte grundlohnsummenorientierte Budgetierung konnte mit der Vergütungsreform beseitigt und die wirtschaftliche Basis der Zahnarztpraxen nachhaltig verbessert werden. Und erst im vergangenen Sommer haben die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie den Beleg erbracht, dass es um die Mundgesundheit in Deutschland so gut bestellt ist wie nie zu vor. Das ist zugleich unbestreitbar der Erfolg aller Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Praxen und ihrer täglichen Bemühungen um das Patientenwohl. Zugleich ist es aber auch ein Beweis für die erfolgreiche Arbeit der KZBV im Verbund mit den KZVen der Länder.

Ihre beiden Vorstandskollegen Dr. Jürgen Fedderwitz und Dr. Günther E. Buchholz haben bereits vor Längerem angekündigt, nicht noch einmal für den Vorstand kandidieren zu wollen. Sie hatten Ihre Bereitschaft signalisiert, erneut anzutreten. Auch unter einem GKV-SVSG in der vorliegenden Form noch? Wie würde sich so ein Gesetz auf die Arbeit der KZBV und der VV auswirken?

Eßer: Zunächst gilt an dieser Stelle mein ganz persönlicher Dank meinen beiden geschätzten Vorstandskollegen, Günther Buchholz und Jürgen Fedderwitz, die sich in hervorragender Weise für das Wohl der Zahnärzteschaft und der Versicherten über viele Jahre engagiert haben.

Wir waren uns vollkommen einig darin, der Vertreterversammlung der KZBV mit Abschluss dieser Legislaturperiode einen konstruktiven Vorschlag für die Weiterführung der KZBV machen zu können. Dazu gehören nicht nur inhaltliche, sondern naturgemäß auch personelle Vorschläge. Insofern haben Sie recht, wenn Sie hier auf meine grundsätzliche Bereitschaft abstellen, noch einmal für den Vorsitz im Vorstand der KZBV zu kandidieren. Dabei habe ich immer deutlich gemacht, dass es schon lange nicht mehr nur auf einen Vorsitzenden ankommt, sondern eine gleichberechtigte Vorstandsmannschaft an die Spitze dieser wichtigen Bundesorganisation gewählt werden sollte, die über große Erfahrung und ausgewiesene Qualifikation für diese ebenso verantwortungsvolle wie aufreibende Tätigkeit verfügt.

Zu den möglichen Auswirkungen des GKV-SVSG – würde es denn unverändert auf dem Stand des Referentenentwurfs realisiert werden – habe ich mich schon vielfach kritisch geäußert und muss dies an dieser Stelle nicht noch einmal detailliert wiederholen. Im Ergebnis würde es verantwortungsvolles Handeln in einer Selbstverwaltung unmöglich machen. In einem Klima von Misstrauen und Repression ohne Entscheidungsspielraum, ständig bedroht von persönlichen Haftungsrisiken und ohne belastbare Rechtsgrundlagen, stattdessen unter der Knute der Fachaufsicht des BMG kann man nicht mehr von einer echten Selbstverwaltung reden – sie wäre faktisch abgeschafft und bliebe nur noch pro forma als Feigenblatt einer staatlichen Gesundheitsaufsicht bestehen.

Ich schöpfe die Kraft für diese Aufgabe immer auch aus den Gestaltungsmöglichkeiten dieses Amtes. Einerseits die Versorgung und die Zahngesundheit der Menschen in diesem Land verbessern zu helfen, den Risikogruppen gleichberechtigten und barrierearmen Zugang zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu ermöglichen und andererseits mit dazu beizutragen, den zahnärztlichen Beruf in seiner Freiberuflichkeit und – eingebettet in seine Gemeinwohlverpflichtung – in seiner weisungsungebundenen Selbstständigkeit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit auch für die nachwachsende Generation zu erhalten, waren und sind mir Ansporn und Aufgabe.

Diese Ziele können aber nur im Rahmen einer Selbstverwaltung erreicht werden, die diesen Namen auch verdient. Sie benötigt bei aller pflichtgemäßen und verantwortungsvollen Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben einen weiten Handlungs- und Ermessensspielraum, wirksamen Rechtsschutz und ein von gegenseitigem Vertrauen und Respekt geprägtes Klima im Verhältnis zur Politik.

Sollten diese Voraussetzungen durch das Gesetz beseitigt werden, werde ich für ein Amt in der KZBV nicht mehr zur Verfügung stehen. Es wäre mit meinem Selbstverständnis von Verantwortung in einem auf dem Subsidiaritätsprinzip basierten Gesundheitswesen nicht vereinbar.