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Drei Bakteriengattungen zeigen Parodontitis-Risiko
Neues aus der oralmedinischen Forschung

„Dysbiose-Index“ zur Risikodiagnostik

Parodontale Diagnostik basiert bis heute auf klinischen Messwerten, zum Beispiel der Taschentiefen und Anzahl von Sondierungsblutungen. Damit ist aber keine Risikodiagnostik möglich, durch die ein Attachmentverlust primär vermeidbar wäre. Neue Forschungsergebnisse wecken Hoffnung, dass sich das in näherer Zukunft ändert: Ein „Dysbiose-Index“ sagt mit hoher Genauigkeit voraus, ob sich Taschen pathologisch verändern werden [1]. Zukünftige praxisbasierte Tests könnten sich demnach auf nur drei Bakterien-Gattungen konzentrieren.

Für ihren mikrobiologischen Index nutzten die Forscher der Universität Leeds (England) klinische Daten zu 49 Bakterienarten, die aus parodontalen Taschen isoliert wurden. Die Datensätze waren in methodisch optimal durchgeführten Studien mit 16S-Gensequenzierung erhoben worden. Das jeweils gefundene subgingivale Mikrobiom war in diesen Referenzstudien mit dem klinischen Status der Taschen – gesund oder pathologisch verändert – abgeglichen worden. In der hier besprochenen Untersuchung wurden diese Ergebnisse zusammengefasst und systematisch in Bezug auf ihre prognostische Aussagekraft untersucht.

Nitratreiche Ernährung beeinflusst das Mikrobiom positiv

Diese war mit bis zu 0.96 sehr hoch. Die am stärksten mit parodontaler Entzündung assoziierten Spezies waren demnach Treponema denticola, Mogibacterium timidum, Fretibacterium subspecies und Tannerella forsythia [1]. Der bisher als Leitkeim eingeschätzte Porphyromonas gingivalis rangierte nur auf Platz 21. Mit gesunden Verhältnissen waren vor allem die Bakterienarten Actinomyces naeslundii und Streptococcus sanguinis assoziert. Auf der Ebene der Bakteriengattungen erwiesen sich Treponema und Fretibacterium („dysbiotisch“) und Actinomyces („probiotisch“) als aussagekräftig für den klinischen Taschenstatus. Weiterhin stellte sich heraus, dass eine nitratreiche Ernährung das subgingivale Mikrobiom positiv beeinflusst (Studie der Universität Würzburg) [2].

Klinischer Status unbedeutend?

Heute verfügbare mikrobiologische Tests haben einen geringen prognostischen Wert und dienen im Wesentlichen dazu, bereits klinisch ermittelte Befunde zu untermauern [3, 4]. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen sich nach den Autoren möglicherweise dafür nutzen, neue und besser geeignete Tests zur Identifikation pathologisch besiedelter Taschen zu entwickeln. Daraus könnten sich bereits therapeutische Konsequenzen ableiten lassen, bevor eine Erkrankung oder weitere Gewebeverluste aufgetreten sind.

Allerdings können laut Studie auch Taschen mit geringem Dysbiose-Index pathologische Messwerte zeigen – oder Taschen mit starker Dysbiose klinisch (noch) unauffällig sein. Die Forscher vermuten wenig überraschend, dass diese Situationen durch den Immunstatus des Patienten bedingt sind. Insofern – und auch nach den Ergebnissen einer weiteren Studie mit zusätzlicher Messung von Entzündungsmarkern [5] – könnte sich für Verlaufsprognosen die Kombination molekularbiologischer mit klinischen Werten als besonders wertvoll erweisen.

Dr. Jan H. Koch

Hinweis: Beiträge in der Rubrik Oralmedizin kompakt können nicht die klinische Einschätzung des Lesers ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller Literatur und/oder von Experten-Empfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen.

 

Literatur

[1] Chen T, Marsh PD, Al-Hebshi NN. SMDI: An Index for Measuring Subgingival Microbial Dysbiosis. Journal of Dental Research;0:00220345211035775.
[2] Jockel-Schneider Y, Schlagenhauf U, Stolzel P, Gossner S, Carle R, Ehmke B, et al. Nitrate-rich diet alters the composition of the oral microbiota in periodontal recall patients. J Periodontol 2021. Online 2021/03/21
[3] DG Paro Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e. V., DGZMK Deutsche Gesellschaft für Zahn- M-uK. Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie S3-Leitlinie (Kurzversion). Stand: 12.11.2018 Gültig bis: 11.11.2023. AWMF-Registernummer: 083-029. guideline, 2018.
[4] Riep B, Edesi-Neuss L, Claessen F, Skarabis H, Ehmke B, Flemmig TF, et al. Are putative periodontal pathogens reliable diagnostic markers? J Clin Microbiol 2009;47:1705-1711.
[5] Liu Y, Duan D, Ma R, Ding Y, Xu Y, Zhou X, et al. The combined use of salivary biomarkers and clinical parameters to predict the outcome of scaling and root planing: A cohort study. Journal of clinical periodontology 2020;47:1379-1390. 

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