Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Vor genau einem Jahr drehte sich der Kommentar um das Manöver der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, die mit vorgezogenen Vorstandswahlen und der damit flugs vorgezogenen Bestätigung des amtierenden KZV-Vorstands noch schnell Tatsachen geschaffen hatte. Vollendete Tatsachen sozusagen, um noch vor Eintreten der befürchteten „Quote“ für weitere sechs Jahre einen rein männlichen Vorstand ins Amt zu heben beziehungsweise dort zu bestätigen.
Die Sorge vor der Quote
Die Frage lautete, was das für ein befremdliches Verständnis von Demokratie sein sollte, wenn aus Sorge vor einer möglicherweise politisch verordneten Quote (schon damals nicht mehr ganz neu und überhaupt ziemlich umstritten) der Wählerwille umgangen wird, um ein zweifellos erfolgreiches und damit bewährtes Vorstandsteam wie in Westfalen-Lippe an der Spitze zu halten, zumindest für die nächste sechsjährige Legislatur.
Schon 2022 wurde an dieser Stelle zu bedenken gegeben, dass dieser Schuss auch nach hinten losgehen könnte, weil das Vorgehen der KZV WL den perfekten Beleg dafür liefere, dass es ohne eine verordnete und verbindlich einzuhaltende Quote kaum dazu kommen würde, paritätische Verhältnisse in den Spitzen der zahnärztlichen Selbstverwaltung zu schaffen.
Frauen in den Vorständen
Ein Jahr später reibt man sich nun verwundert die Augen, dass zwar noch längst nicht alle, aber doch sehr viele Nachrichten die Wahlen zu den KZV-Vorständen betreffend neben männlichen auch weibliche Vorstandsmitglieder auflisten. Plötzlich sind Frauen in den Vorständen (fast) allgegenwärtig und eine (längst überfällige) Selbstverständlichkeit. Überfällig selbstverständlich deshalb, weil Frauen bereits 2021 den mit 56 Prozent größeren Anteil an zahnärztlichen Existenzgründungen stellten – und nicht nur dort. Zwar ist man in den Vorständen der KZVen von einem Frauenanteil von 56 Prozent noch weit entfernt, aber der Anteil ist immerhin von 6 auf rund 20 Prozent gewachsen – und das in kürzester Zeit.
Auch wenn die Quote bei vielen – auch bei vielen Frauen – auf Ablehnung stößt beziehungsweise gestoßen ist, scheint sie angesichts der jüngsten Entwicklung letztlich doch eine gewisse Berechtigung zu haben. Auch ohne Quote wären 20 Prozent Frauenanteil in den Vorständen irgendwann erreichbar gewesen, aber kaum in so kurzer Zeit. Die Quote mag also nicht notwendigerweise immer das richtige Mittel, aber manchmal doch notwendig sein.
Feminisierung der Zahnmedizin
Es wird spannend sein zu beobachten, inwieweit mehr Frauen in Vorstandspositionen eine stärkere Präsenz von Frauen an der Basis der Selbstverwaltungen beziehungsweise in deren nachgeordneten Gremien bedingen werden. Ebenso darf man gespannt sein, wer künftig an der Spitze der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung stehen wird, drei Männer werden es aller Voraussicht nach jedenfalls nicht sein. Die Bundeszahnärztekammer hat ja bereits vorgelegt und mit Dr. Romy Ermler eine Frau im Vorstand.
Im Grunde, und das sollte man auch nicht vergessen, geht es bei der ganzen Diskussion um die Feminisierung der Zahnmedizin ja „nur noch“ um die Spitzengremien der Standesvertretung. Die Basis selbst, die einzelne Praxis, ist ohnehin schon immer weiblich dominiert. Zwar gibt es auch männliche Vertreter unter den Fachangestellten, deren Anteil ist aber im Vergleich zum Anteil der Frauen in Praxisteams eher übersichtlich. So gesehen ist ein höherer Anteil von Frauen in den Spitzengremien eigentlich das Normalste auf der Welt, denn Praxisteams waren schon immer weiblich. Da in absehbarer Zeit auch Praxisinhaberinnen in der Mehrzahl sein werden, sind Frauen an der Spitze das Selbstverständlichste überhaupt.