Anzeige
Kleine Räume und künstliche Nägel
Die Umsetzung der bestehenden Hygienevorschriften ist nicht immer leicht.

Die Umsetzung der bestehenden Hygienevorschriften ist nicht immer leicht.

Was Zahnarztpraxen in puncto Hygiene falsch beziehungsweise unnötig machen und welche „Aha-Erlebnisse“ Praxisinhaber und ihre Teams in zertifizierten Hygiene-Fortbildungen erleben können, verrät Julia Reinke-Lange, fachliche Beraterin Hygiene bei der Hücker & Hücker GmbH im Interview mit der DZW. Die Kanzlei ist bundesweiter Expert-Partner des ladies dental talk.

Die Hygienevorschriften für Zahnarztpraxen sind umfangreich. Was sind typische Fehler?

Julia Reinke-Lange: Häufig sind die Aufbereitungsräume aufgrund ihrer Größe, Einteilung und Ausstattung für die Aufbereitung von Medizinprodukten ungeeignet. Die Wege von schmutzigen, sauberen und sterilisierten Instrumenten dürfen sich nämlich nicht kreuzen. Das lässt sich bisweilen durch organisatorische Maßnahmen kompensieren. Oft bemängelt wird darüber hinaus die Personalhygiene. Lackierte oder künstliche Fingernägel sowie Schmuck an Händen und Unterarmen sind ebenso ein Hygienerisiko wie nicht oft genug desinfizierte Hände der Mitarbeiter(innen). Auch werden Medizinprodukte oft nicht entsprechend der Vorgaben der KRINKO-BfArM-Empfehlung von Oktober 2012 aufbereitet. Diese ist auch für Zahnarztpraxen die einzig relevante Regelung. Die Freigabe von wiederaufbereiteten Medizinprodukten zur Wiederanwendung, die Verwendung von ungeeigneten maschinellen Aufbereitungsverfahren zur Reinigung von chirurgischen Übertragungsinstrumenten und das falsche Beladen von Reinigungs- und Desinfektionsgeräten sind nur einige Bespiele. Und Zahnarztpraxen verstoßen immer wieder gegen die Hygienevorschriften, wenn sie die vom Hersteller und/oder Validierer empfohlenen Routineprüfungen der Geräte nicht vornehmen. Dann werden Leistungsabweichungen von Aufbereitungsverfahren erst zu spät bemerkt.

Aus Sorge, den gesetzlichen Vorschriften nicht zu genügen, machen viele Zahnarztpraxen in puncto Hygiene oft mehr, als sie müssen. Was sind die häufigsten Hygienemaßnahmen, die Praxen anwenden, obwohl es kein Muss ist?

Reinke-Lange: Nach unseren Erfahrungen setzen Zahnarztpraxen den Schwerpunkt von hygienischen Maßnahmen teilweise falsch. Nicht notwendig sind laut Hygienevorschrift die patientenbezogene Dokumentation der Verwendung von wiederaufbereiteten Medizinprodukten, die häufig mit der Verwendung komplexer Softwaresysteme zur Lenkung der Medizinprodukteaufbereitung einhergeht, die Verwendung von Reinigungsindikatoren in jeder Charge des Reinigungs- und Desinfektionsgeräts sowie die halbjährliche Prüfung validierter Sterilisationsprozesse mit Sporenstreifen.

Sie bieten zertifizierte Fortbildungen mit dem Abschluss „Hygiene-/Sterilgutbeauftragte(r) in Arzt- und Zahnarztpraxen” an. Für wen sind die Kurse geeignet, und welche „Aha-Erlebnisse“ haben die Teilnehmer(innen)?

Reinke-Lange: Wir bieten einen speziellen Kursus für Zahnärztinnen und Zahnärzte an. Denn sie sind letztlich verantwortlich für alle hygienischen Maßnahmen in ihrer Praxis. Der Kursus vermittelt das notwendige Wissen, um die Aufbereitung der Medizinprodukte in der Praxis konkret festzulegen sowie Behörden und Lieferanten ein/e fachlich kompetente/r Ansprechpartner/in zu sein. Für den Kursus erhalten Zahnärztinnen und Zahnärzte 60 Fortbildungspunkte. Darüber hinaus bieten wir einen Kursus für Mitarbeiter(innen), die mit der Aufbereitung von Medizinprodukten betraut sind. Auch wenn die Aufbereitung von Medizinprodukten inzwischen Teil des Curriculums der Ausbildung zum/zur ZFA ist, beobachten wir hier häufig große Wissenslücken, welche den/die Praxisinhaber(in) teuer zu stehen kommen können. Wenn Zahnärztin beziehungsweise Zahnarzt und Team gleichermaßen qualifiziert sind, kann das Thema Hygiene sehr entspannt angegangen werden. Folgende „Aha-Erlebnisse” melden Kursteilnehmer(innen) vor allem zurück: [1] Sie sind überrascht, dass Instrumentenkunde auch einen nachhaltigen und wirtschaftlichen Aspekt hat. Werden Instrumente korrekt aufbereitet, „leben” sie länger und das spart Geld. [2] Wie unterschiedliche Aufbereitungsgeräte funktionieren und wo sie idealerweise innerhalb des Aufbereitungskreislaufs zu stehen haben, wissen viele Teilnehmer(innen) nicht. So wird ihnen deutlich, dass in der eigenen Praxis Aufbereitungsschritte oft unnötigerweise wiederholt werden. Und so wird aus einem Zeit- auch ein Kostenfaktor. [3] Die Bedeutung der und die regulatorischen Anforderungen an die Freigabe von aufbereiteten Medizinprodukten zur Wiederanwendung überrascht die meisten Teilnehmer. Dabei birgt gerade dieser Schritt das größte Haftungsrisiko für Mitarbeiter(innen) und Praxisinhaber(innen).