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Implantologie und Funktion – wenn möglich digital und keramisch

Beim Zahngipfel kommunizieren Zahnmediziner und Zahntechniker traditionell auf Augenhöhe. Im März war das auf der Zugspitze geplante Event aus bekannten Gründen ausgefallen, Ende Oktober musste auch der hybride Ersatztermin abgesagt und in eine Online-Veranstaltung umgewandelt werden. Auffällig war bei den am 20. und 21. November gebotenen Industrie-Workshops und Fachvorträgen die Orientierung in Richtung computergestützte Diagnostik, Chirurgie und Prothetik.

Patienten mit einer differenzierten Matrix einstufen und persönlichkeitsgerecht behandeln: Die Zahntechniker-Meisterin Franziska Schulze (Leutkirch) erhält von ihrem Kollegen Udo Kreibich den Gipfelstürmer-Pokal. 

Den Patienten zeigen, was sie bekommen werden

Erst seit einem Jahr arbeiten die Zahntechniker-Brüder Luc und Patrick Rutten konsequent mit digitalen Methoden. Anhand von gewohnt ästhetischen Beispielen demonstrierte Patrick Rutten aus dem gemeinsamen Labor in Tessenderlo (Belgien), wie sich Durchtrittsprofil und „Dentinkern“ der Zirkonoxid-Abutmentkronen anatomisch und physiologisch optimal gestalten lassen. Die zirkonverstärkte Lithium-Disilikat-Verblendung erfolgt mit fluoreszierenden Massen (Vita), bei der Schichtung sind für Rutten Helligkeit, Transluzenz und Opaleszenz entscheidende Faktoren. Der für die farbliche Akzentuierung folgende Glasurbrand im Bereich des Weichgewebsrandes erscheint aus Sicht des Autors fragwürdig, da die entstehende Oberfläche weniger biokompatibel sein könnte als vor der Bemalung.
Für Rutten sind Planung und Vorbereitung die entscheidenden Vorteile digitaler Methoden: „Je mehr, desto besser. Patienten sollten vorher sehen, was sie bekommen.“ Er arbeitet nach eigenen Angaben bereits zu 70 Prozent digital. Das an einem Patientenbeispiel gezeigte Wax-up erfolgte zwar auf einem gedruckten Modell, aber interessanterweise noch analog mit echtem Wachs.

 

Die anatomische Zuordnung des Oberkiefers zum Schädel mit dem PlaneSystem soll für naturnähere Funktion sorgen.

„Der Artikulator muss in das Gesicht“

Für CMD-Patienten arbeiten die Zahntechnikermeister Thomas Walther und Thomas Bogun (Bad Lauchstädt) mit einem integrierten Konzept. Das von Udo Plaster entwickelte PlaneSystem (Zirkonzahn) ermöglicht laut Bogun eine optimale Zuordnung der Kauebene zum Schädel und eine digitale funktionelle Bewegungssimulation in allen Freiheitsgraden („Der Artikulator muss in das Gesicht, nicht umgekehrt“). Die Kondylen würden mit entsprechender Okklusionsgestaltung effektiv geschützt. Walther betonte, dass eine Kondylenkompression absteigend zum Beckenfehlstand führen könne und dieser sich umgekehrt auf die Kondylen auswirke. Entsprechend wird die CMD-Behandlung erst nach physiotherapeutischer Diagnostik (mit Fußdruckplatte) und gegebenenfalls Vorbehandlung begonnen. Ziel sei eine „Wohlfühl-Stellung“ für den Patienten.

Sofort und in 3D

Dass Sofortprotokolle auch in der Front inzwischen zunehmend zur Routine werden, zeigte anhand von Literatur und eigenen Fällen Dr. Sigmar Schnutenhaus (Hilzingen). Der niedergelassene Privatdozent betonte, dass Sofortimplantate besser in natürlicher vertikaler Position eingebracht werden können und damit die Weichgewebs-Architektur von Beginn an besser unterstützen. Der Eingriff dauerte in einem Fallbeispiel mit dem Straumann System bei konsequent computergestützter Planung und Implantation nur 20 Minuten. Positionsabweichungen nach diesem 3D-Protokoll beruhen laut Schnutenhaus, der zum Thema intensiv geforscht hat, primär auf Verfahrensfehlern.
Nur für ausgewählte Fälle geeignet ist laut Dr. Burkhart Zuch, MSc. MSc., aus Hamburg ein System, bei dem ein dem extrahierten Zahn entsprechendes Implantat aus Zirkonoxidkeramik aufgrund einer DVT-Aufnahme sofort eingesetzt wird (Bionic Tooth, früher Natural Dental Implants). Beeindruckend war neben den gezeigten Patientenbeispielen die minimal invasive Extraktionstechnik mit einem italienischen System (Exomed).

Camlog 2.0?

Eigenschaften des zur IDS 2019 eingeführten Implantatsystems Logon präsentierten dessen Entwickler Dr. Axel Kirsch (Filderstadt) und in einem klinisch orientierten Vortrag Dr. Peter Randelzhofer (München). Kirsch hatte gemeinsam mit dem Zahntechnikermeister Gerhard Neuendorff und anderen auch das Camlog System begründet und über Jahre weiterentwickelt. Die Oberfläche der neuen Implantate ist laut Kirsch ultrahydrophil und nach präklinischen Studien in ihren osseointegrativen Eigenschaften mit SLActive von Straumann vergleichbar.
Randelzhofer präsentierte zunächst das von ihm bevorzugte Konzept der „glatten Rauigkeit“, bei dem die zur Gingiva orientierte Oberfläche von Zirkonoxid-Abutments mit einem Gummipolierer definierter Abrasivität bearbeitet wird (Happe et al., J Prosth Dent 2015; vgl. auch Anmerkung zu Rutten oben). Nach den bisherigen Erfahrungen des Prothetik-Spezialisten bietet das Logon System neben biomechanischen Vorteilen „sensationell effiziente Instrumente und Prothetikteile“.

Das Moderatoren-Team bei der Arbeit im Kemptener Studio: Zahntechnikermeister Udo Kreibich (Kempten) und Dr. Theodor Thiele, MSc. MSc., (Berlin)

Keramik-Implantate als Standard?

Langjährige Erfahrung mit Keramik-Implantaten hat Dr. Jochen Mellinghoff, MSc., aus Ulm. Als Optionen diskutierte er im Mund beschliffene einteilige und zweiteilige Implantate (Z-Systems) mit verschraubten oder verklebten Kronen. Je nach Situation wählt Mellinghoff verblockte oder unverblockte Lösungen, möglichst in Kombination mit digitaler Abformung. Um die Primärstabilität korrekt einschätzen und das Implantat bei hoher Knochendichte sicher einbringen zu können, sollte vor dem Eindrehen die Kortikalis geschwächt werden. Da das chirurgische Gefühl sich von Titan-Implantaten unterscheidet, empfiehlt Mellinghoff unerfahrenen Kollegen, zum Beispiel an den Positionen 36/46 oder 14/24 zu beginnen.
Vielversprechende klinische Daten zu Prognose und Knochenstabilität um Keramik-Implantate ergänzte Dr. Thomas Mehnert (Köln). Als prothetische Lösungen zeigte er verblockte Brücken aus monolithischem Lithium-Disilikat auf Zirkonoxid-Abutments im seitlichen Oberkiefer und Zirkonoxid-Verbindungselemente für herausnehmbaren Zahnersatz nach dem Locator-Prinzip (Zeramex). Wegen der auftretenden Zugbelastung seien dagegen Extensions- und Verbundbrücken und größere Spannweiten nicht indiziert. Mehnert empfiehlt Keramikimplantate unter anderem für Patienten mit parodontaler Vorbelastung und entzündlichen systemischen Erkrankungen.

Gipfelstürmer und Potenzial-Entwicklung

Abgerundet wurde der Online-Kongress durch zwei „Gipfelstürmer“-Impuls-Referate, sehr engagiert gehalten von der Zahntechniker-Meisterin Franziska Schulze (Leutkirch) und dem Zahntechniker und Motivations-Trainer Marco Jürgens (Gütersloh). Veranstalter Udo Kreibich, Zahntechnikermeister und Inhaber einer Beratungsagentur für persönliche und geschäftliche Potential-Entwicklung (Ceratissimo, Kempten), sprach abschließend zu den Themen Selbstwahrnehmung und „Change-Management“.

Udo Kreibich freut sich über zufriedene Teilnehmer, die in einem Online-Voting abstimmten.

Fazit
Mit einem technischen und kommunikativen Kraftakt gelang es Udo Kreibich, der Kongress-Agentur KAD und den beteiligten Industriepartnern, eine technisch überzeugende, quasi-hybride Veranstaltung zu organisieren. Ein Teil der Referenten sprach im Studio im Kemptener Kornhaus, die übrigen waren ebenso wie die Teilnehmer online zugeschaltet. Mit offiziell 680 Teilnehmern war der Event auch sehr erfolgreich. Dank sehr guter Vorträge, raffinierter Präsentation (mit dem Zugspitz-Panorama im Hintergrund) und engagierter Moderation sprang der Funke über und es entstand zumindest eine angedeutete „Gipfel-Atmosphäre“. Auf den nächsten, wahrscheinlich „real-hybriden“ Zahngipfel dürfen wir uns trotzdem freuen.

 

Dr. Jan H. Koch

dental-journalist.de