Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Licht und Schatten gehören untrennbar zusammen – wo kein Licht ist, gibt es auch keinen Schatten, und wo es Schatten gibt, muss auch irgendwo Licht vorhanden sein. Betrachten wir zuerst die positive, die lichte Seite. Das „Statistische Jahrbuch der Bundeszahnärztekammer 2021/2022“ weist eindeutig aus, dass die Deutschen im Vergleich zur Jahrtausendwende deutlich gesünder leben. So ist der Nichtraucheranteil gestiegen, der Konsum reinen Alkohols pro Kopf und Jahr zurückgegangen und der jährliche Zuckerkonsum gesunken.
Jeder dieser Faktoren hat positive Auswirkungen auf die Mundgesundheit. Auf der anderen Seite würden die Deutschen immer häufiger zu Zahnbürsten, Zahnpasta, Zahnseide und Interdentalbürsten greifen, um aktiv an ihrer Mundgesundheit zu arbeiten. Gute Nachrichten also für die Mundgesundheit und Beleg für den erfolgreichen und nachhaltigen Einsatz der Zahnärzteschaft in Sachen Aufklärung.
Politik würdigt Präventionsgedanken nicht
Der Präventionsgedanke in all seinen Facetten scheint allerdings von der Politik nicht nur nicht ausreichend gewürdigt zu werden, sondern ganz im Gegenteil in seiner Nachhaltigkeit überghaupt nicht gesehen zu werden. Nur so ist zu erklären, dass ausgerechnet eine zentrale und vorbildlich gestaltete präventionsorientierte Neuerung wie die 2021 eingeführte Parodontitis-Richtlinie schon wieder beschnitten werden soll, bevor sie in der nötigen Breite überhaupt greifen konnte – womit wir bei der ersten Schattenseite wären.
Denn dieser Schritt ist kaum nachvollziehbar, wie die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung in einer Presseinformation schreibt, weil den geplanten Kürzungen durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gar kein Druck des zahnärztlichen Versogungsbereichs auf die Ausgabenseite der Krankenkassen gegenübersteht. Vielmehr seien die Ausgaben der Krankenkassen für zahnärztliche Leistungen seit dem Jahr 2000 von knapp 9 auf fast 6 Prozent im Jahr 2021 gesenkt worden.
„Beitrag zum Sparen mehr als geleistet“
„Wir haben unseren Beitrag zum Sparen mehr als geleistet“, fasst es Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender der KZBV, in einem Kernsatz zusammen. Man habe außerdem nicht nur den Gestaltungsspielraum nach Abschaffung der Budgetierung 2012 adäquat genutzt, um einerseits der Morbiditätsentwicklung der Bevölkerung Rechnung zu tragen, sondern es andererseits auch geschafft, den zahnärztlichen Leistungskatalog einvernehmlich an den Stand der Wissenschaft anzupassen.
Also alles richtig gemacht, und doch wird der Rotstift völlig unangemessen ausgerechnet bei wichtigen Präventionsleistungen angesetzt. „Die strikte Budgetierung wird de facto zu Leistungskürzungen bei den Versicherten führen mit fatalen Folgen für die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung“, so das enttäuschte Fazit der KZBV.
Telematikinfrastruktur und Finanzierung
Noch mehr Schatten resultiert aus dem leidigen Thema Telematikinfrastruktur, nach vielfältigen technischen Problemen diesmal zum Stichwort Finanzierung. Die KZBV beklagt den Alleingang des Bundesgesundheitsministeriums in Sachen Finanzierung der TI-Komponenten.
Offenbar ist in Änderungsanträgen zum Krankenhauspflegeentlastungsgesetz vorgesehen, dass „Zahnarzt- und Arztpraxen künftig die kostenintensiven TI-Komponenten vorfinanzieren und damit den Krankenkassen praktisch eine gesetzlich verordnete Ratenzahlung gewähren“, wie Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender der KZBV, verlauten lässt. „Der Gesetzgeber erfüllt damit willfährig einen einseitigen Wunsch der Kassen zu Lasten von Zahnärztinnen und Zahnärzten“, kritisiert er. Hinzu komme, dass auch künftige Erstattungsanpassungen in BMG-Eigenregie vorgenommen werden sollen – ohne Beteiligung der KZBV.
Wo zeitgemäßes zahnärztliches Handeln auf partizipativer Entscheidungsfindung beruht, blenden die Entscheidungsträger im BMG dieses Prinzip offenbar völlig aus.