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Friede, Freude, Vertreterversammlung

Dr. Wolfgang Eßer hätte seine Legislatur als Vorstandsvorsitzender der KZBV sicher lieber mit rosigen Aussichten beendet, doch auf der 13. Vertreterversammlung am 23. Und 24. November in München hielten sich seine Zukunftsprognosen in dem Farbschema Grau, Dunkelgrau, Schwarz.

Positive Bilanz, pessimistischer Ausblick

Vom „gesundheitspolitischen Scherbenhaufen“ des neuen Gesundheitsministers Karl Lauterbach, vom „toxischer Politcocktail“ des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit seiner Begrenzung des Wachstums der Punktwerte, seiner Budgetierung der Gesamtvergütung und der damit verbundenen Deckelung bei der neuen Parodontitis-Therapie ist die Rede. Und lange redet Eßer da noch nicht. Das alles werde „die flächendeckende Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung in bestimmten Regionen in Frage stellen“.

„In über 30 Jahren, die ich standespolitisch aktiv bin, unter acht Ministern seit Herrn Seehofer, ist mir ein solch unkommunikativer, dialogarmer Politikstil, eine solche Geringschätzung gegenüber der zahnärztlichen Selbstverwaltung noch nicht untergekommen“, zieht Eßer Bilanz.

Politik auf ambulantem Auge blind

Das Lauterbach eher der stationären als der ambulanten Versorgung zugetan ist, betonte Eßer wiederholt. Auch stehe die Stärkung der Selbstverwaltung nicht auf seiner Agenda: „Fasst man alle Bausteine zusammen, die der ambulanten und hier der zahnärztlichen Selbstverwaltung und Versorgung an Kuckuckseiern von der Politik über die Jahre ins Nest gelegt worden sind, muss man zu der Überzeugung gelangen, dass hinter all dem nicht Zufall, Ahnungslosigkeit oder Unwissenheit steht, sondern ein ideologischer Masterplan, ein gedanklicher Ansatz, geprägt von tiefer Staatsgläubigkeit und deutscher Regelungswut.“

Ganz zum Schluss seiner Rede konnte sich Eßer zum Appell an die Geschlossenheit der Zahnärzteschaft gemeinsam mit der Wissenschaft durchringen.

Ein positiver Zukunftsentwurf sieht anders aus – aber das mag auch die Aufgabe des nachfolgenden Vorstands der KZBV sein.

Die Rollenverteilung des alten Vorstands der KZBV indes war gewohnt routiniert. Eßer packte das ganz große bundespolitische Besteck aus. Martin Hendges präsentierte mit einem Zahlenfeuerwerk die Erfolgsbilanz und Dr. Karl-Georg Pochhammer berichtete so sonor vor allem über die Irrungen und Wirrungen der TI, dass die Delegierten gar nicht wussten, wann sie lachen oder weinen sollen.

Ein Bild, das drei Männer in dunklen Anzügen, hellen Hemden und Krawatten auf einem Podium zeigt. Im Hintergrund sitzen weitere Frauen und ein Mann, der Hintergrund ist leuchtend blau

Bühne frei für den noch amtierenden Vorstand der KZBV (v. l.): Dr. Karl-Georg Pochhammer, Martin Hendges und Dr. Wolfgang Eßer

Blühende Landschaften

So ganz anders dann die Klangfarbe des stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands der KZBV, Martin Hendges. Das neue elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ) – ein voller Erfolg: „Bisher wurden bereits etwa 500.000 Anträge elektronisch versendet und von den Kassen beschieden. Dies belegt den erfolgreichen Start dieses zahnärztlichen Leuchtturmprojektes. Das EBZ ist damit das Zugpferd der digitalen Anwendungen und eine Blaupause für eine wirklich sinnstiftende Digitalisierung des Gesundheitswesens“, so Hendges, der sich wohl für die Nachfolge des ausscheidenden Eßers in Stellung bringt. Ohne Gematik scheint die Digitalisierung des Gesundheitswesens, reüssieren zu können. Ein Denkanstoß in Richtung Politik.

Auch sonst fiel seine Bilanz der nun auslaufenden sechsjährigen Vorstandsarbeit positiv aus – von der Aufsuchenden Betreuung über die neuen Präventionsleistungen bei Kleinkindern die Unterkieferprotrusionsschienen bis zur neuen PAR-Richtlinie – letzteres allerdings mit den kontraproduktiven Einschränkungen des GKV-FinStG.

„Verwalter des Horrors“

Pochhammer begann launig. Der für die TI zuständige Vorstand der KZBV betonte, dass die TI „das ist, was am schlechtesten läuft“, sie sei das „Horrorfach“ und er damit der „Verwalter des Horrors“. Wer mag ihm da nicht zustimmen. Zeigt die Politik doch wenig Interesse daran, die Beteiligten – oder besser die Betroffenen – in die Entwicklung einer Digitalstrategie einzubeziehen. Pochhammer machte aus seinem Frust keinen Hehl: „Die groß angekündigte Partizipation verkümmert zu einer konsiliarischen Umfrage und einer Online-Kommentierung – das kann es nicht sein.“ Die Zahnärzteschaft stehe der Digitalisierung im Grunde positiv gegenüber, aber ihre Gestaltungsansätze werden nicht umgesetzt. E-Rezept unbekannt und als Papiertiger dysfunktional. Die elektronischen Patientenakte in ihrer jetzigen Form „überzeugt die Versicherten nicht“, so Pochhammer. Auch hier besteht Handlungsbedarf. Die nun im Rahmen der Beratungen zum Krankhauspflegeentlastungsgesetz in Spiel gebrachte Neuregelung der TI-Pauschalen seine ebenso unausgegoren.

Die Digitalisierung müsse ein Gemeinschaftsprojekt werden: „In diesem Sinne ist es wichtig, dass die Politik ihren Worten Taten folgen lässt und uns endlich ins Boot holt. Nicht ins Beiboot, sondern mittenrein in den Prozess.“

Die große Einstimmigkeit

Die von der Vertreterversammlung verfasste Resolution und die gefassten Beschlüsse zum GKV-FinStG, zur TI, zur Vergewerblichung, zu den Energiekosten, Amalgam, zum Bürokratieabbau, zur EU-Medizinprodukteverordnung fielen insgesamt wenig überraschend aus und wurden größtenteils einstimmig angenommen. Auch zum Jahresabschlussbericht 2021, der eine Vermögensabnahme von 1,3 Millionen Euro auswies, gab es unter den Delegierten kaum Diskussionsbedarf. Entlastung des Vorstandes für das Jahr 2021 – einstimmig.

Nur als es dann um die „Reisekosten-, Sitzungsgeld- und Aufwandsentschädigungsordnung für KZBV-Organmitglieder“ ging, die das BMG als Aufsichtsbehörde so nicht weiter akzeptieren will, kam es zu einer nicht enden wollenden Diskussion. Einhellig wurde das als Eingriff in die Selbstverwaltung bewertet, da es sich ja nicht um eingesetzte Steuergelder, sondern um Mitgliederbeiträge handele. Letztendlich beugte sich die Vertreterversammlung – wenn auch unter Protest – dem politischen Druck, wohl wissend, dass es der Vertragszahnärzteschaft an der Basis kaum vermittelbar gewesen wäre, warum Hauptamtliche für Sitzungen während ihrer Arbeitszeit noch zusätzlich über Sitzungsgelder honoriert werden. Gegen Standespolitikverdrossenheit braucht es klare Signale.