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Fehlanzeige: Keine Frau im Vorstand

Wie die zahnärztliche Selbstverwaltung im Gesundheitswesen stetig versucht, sich selbst abzuschaffen, zeigt ein Blick nach Baden-Württemberg. Einst Heimat der Repräsentanz von Frauen in der Standespolitik, hat nun einen herben Rückschlag in die männliche Steinzeit erleben dürfen: Vorsitzender des Vorstandes der KZV BW wurde Dr. Torsten Tomppert, nun nebenberuflich amtierender Präsident der Landeszahnärztekammer BW, neu im Vorstand Dr. Peter Riedel und six more years für Ass. jur. Christian Finster. Drei Herren mit Schlips und Anzug – wie das früher halt so war.

Zwischenruf zur Standespolitik: Ein Plädoyer für eine Männerquote

In einem ersten Interview in den „zm“ (bit.ly/3EuKpn5) beantwortet Tomppert die Frauenfrage ausweichend: „Wie beurteilen Sie den Umstand, dass im neuen Vorstand keine Frau mehr vertreten ist? Gab es keine Kandidatinnen? Antwort Tomppert: Die Vertreterversammlung als Souverän hat sich für die drei neuen Vorstandsmitglieder entschieden.“ Staatstragend mindestens. Da fällt einem nicht viel mehr ein. Als ginge es um die Wahl des Ministerpräsidenten. Nein, darum geht es hier nicht. Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg – 19 Frauen und 31 Männer, gewählt von 2.903 der 8.103 stimmberechtigten Zahnärztinnen und Zahnärzte, bei 35,83 Prozent Wahlbeteiligung  – wählt den Vorstand. Kann man als „Souverän“ bezeichnen oder als gut überschaubare Menge, um im Hinterzimmerstil Mehrheiten zu organisieren. Seit Monaten pfeifen es die Spatzen von den standespolitischen Dächern, dass Baden-Württemberg das bayerische Modell bevorsteht. Wären die 8.103 Wahlberechtigten der Souverän, dann darf die Frage erlaubt sein, ob sie Tomppert gewählt hätten. So mehrt sich die Standespolitikverdrossenheit und auch der politische Unmut wird sich mehren, solange Männerseilschaften sich in ihrer Selbstherrlichkeit unsterblich wähnen.

Ein Bild, das drei Männer in dunklen Anzügen zeigt, die zufreiden lächeln.

Der neue Vorstand der KVV BW: Dr. Peter Riedel, Dr. Torsten Tomppert und Ass. jur. Christian Finster (von links)

Die „Spitzenfrauen Gesundheit“ wandten sich auch direkt per Twitter an den Vieltwitterer Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: „Neuer Vorstand Kassenzahnärztl. Vereinigung Baden-Württemberg ist komplett männlich, obwohl mehr als die Hälfte der Zahnärzt:innen Frauen sind. Bisher war KZV BW einzige mit Frau als Vorsitzender. Lerneffekt? #OhneQuotegehtesnicht @Karl_Lauterbach @GKV_SV

Lauterbach mag gerade andere Sorgen haben, aber das Thema „Frauenanteil in Führungspositionen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen“ schafft es immer wieder, in den Fokus des Bundestages und seines Gesundheitsausschusses zu rücken. Das bedeutet auch, wer es nicht schafft, sich zeitgemäß zu organisieren, der wird organisiert. Und zwar von der echten Politik mit ihren 60,4 Millionen Wahlberechtigten.

Der Vorzeigevorständin Dr. Ute Maier wird also noch die oder der eine mehr als eine Träne nachweinen. War sie doch der standespolitische Leuchtturm in Sachen Frauenförderung für die Gremien – zuletzt noch mit einem Moderationsworkshop für junge Zahnärztinnen. Noch im Sommer dieses Jahres hatte Maier im dzw-Interview geweissagt: „Insofern wird aus meiner heutigen Sicht ohne Quote nicht wirklich Bewegung in das Ganze kommen.“ Leider hat sie recht gehabt.

Und dass bei den bevorstehenden KZBV-Vorstandswahlen nun plötzlich eine Frau aus dem Hut gezaubert wird, hat jetzt auch die Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns.

Lukrative Vorstandsposten

Auch den Teil der Frage nach möglichen Kandidatinnen im Vorstandswahlrennen ließ Tomppert schmallippig unbeantwortet, stattdessen kündigt er in den „zm“ an: „Erfreulich ist, dass fortan sehr viele junge Kolleginnen und Kollegen in der Vertreterversammlung der KZV Baden-Württemberg sind, die wir gerne in die Gremienarbeit einbinden werden.“ Bei so viel Großmut werden jungen Kolleginnen und Kollegen sicherlich Schlange stehen, um sich dem Herrentrio anzudienen. Und jüngere Frauen werden sich in ihren Belangen kaum von älteren Herren vertreten fühlen.

Wie lautet also der Plan des neuen Vorstands? Alles wie gehabt. Die Jungen sollen sich dann ehrenamtlich in den Gremien engagieren dürfen und die Erfahrenen bekleiden die hauptamtlichen Vorstandsposten, deren Vergütung sich deutlich vom Ehrenamt unterscheidet. Verdient doch der Vorstandsvorsitzende der KZV BW mehr als der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann – „Landesvater“ von gut 11 Millionen Menschen. Vielleicht fragen sich die 5.200 kassenzahnärztlichen Nichtwähler, warum das so ist?

Vielleicht gibt es ja auch einen systemischen Zusammenhang von Frauenanteil in den Vorständen der KZVen und dem zu erwartenden Einkommen? Wäre der Männerellbogeneinsatz noch so attraktiv, wäre er finanziell weniger lukrativ?

Andererseits bleiben in anderen Bereichen der Selbstverwaltung Frauen lukrative Führungspositionen nicht verwehrt. Ein Blick in die Führungsetagen von GKV-Spitzenverband und vdek lohnt sich. Hier liegt das Vergütungsniveau geringfügig niedriger, dafür ist der Verantwortungsbereich und zu verantwortende Finanzvolumen ungleich größer als die eines regionalen KZV-Vorstands. Frauen führen und übernehmen Verantwortung. Warum geht das angeblich nicht im kassenzahnärztlichen Bereich?

Viele Frauen lehnen eine Frauenquote ab – aus guten Gründen. Drehen wir den Spieß doch einfach herum und führen eine Männerquote in den Führungspositionen im Gesundheitswesen ein. Ein Quotenmann pro Frau.