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Interview: Dr. Ute Maier

Ende des Jahres stehen die Wahlen zu den Vertreterversammlungen der KZVen an und damit auch in den meisten KZVen die Neuwahlen der Vorstände. Aus diesem Anlass haben wir ein Interview mit Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV Baden-Württemberg über die auslaufende Legislatur geführt.

„Wir haben erst dann Gleichberechtigung und Gleichstellung, wenn genauso viele Frauen schlechte Standespolitik machen dürfen wie Männer.“

Die Legislatur läuft jetzt aus. Wollen Sie einmal Bilanz ziehen? Erst einmal mit dem, was gut geklappt hat.

Dr. Ute Maier: Womit ich sehr zufrieden bin, ist, dass wir die KZV Baden-Württemberg weiterhin zu einem Dienstleistungsunternehmen ausgebaut haben und versucht haben, uns an vielen Stellen organisatorisch zu optimieren. Natürlich gibt es für den Außenstehenden immer noch Verbesserungsbedarf. Für uns intern auch. Es ist ja ein stetiger Weg, und ich denke, dass wir in den letzten fünfeinhalb Jahren einiges geschafft haben.

In Baden-Württemberg war uns die Aufrechterhaltung unserer vier Standorte in den einzelnen Bezirksdirektionen sehr wichtig. Hier haben wir Kompetenzzentren geschaffen, das heißt, eine Bezirksdirektion übernimmt bestimmte Aufgaben federführend. Dadurch haben wir den Spagat geschafft, einerseits unter betriebswirtschaftlichen Aspekten Verbesserungen einzuführen und gleichzeitig auch diese Regionalität zu bewahren. Durch unsere Denkwerkstätten konnten wir das Ehrenamt stärker einbeziehen und bestimmte Themen vorbereiten und andere überhaupt erst einmal anstoßen.

Wo sind noch Baustellen offen?

Maier: Eine Dauerbaustelle für mich ist die Integration von Frauen in die berufsständischen Gremien. Ich bin immer noch die einzige Frau an der Spitze einer KZV bundesweit.

Ich habe hier in Baden-Württemberg sehr viel versucht und bin mit verschiedenen Aktionen oder Aktivitäten manchmal einfach gegen eine Mauer gelaufen. Es gab etwa Überlegungen, wie wir junge Kolleginnen und Kollegen in die Vertreterversammlung holen. Die Idee war, sie einfach mal einzuladen, damit sie sich das angucken, ein Gespür dafür bekommen und bestenfalls Lust, sich dort selbst zu engagieren. Das war dann vom Ehrenamt teilweise nicht gewünscht – insbesondere jetzt im Wahljahr.

Bei den Ausschüssen, die durch den Vorstand zu besetzen waren, klappte es mit dem Frauenanteil ganz gut. Bei Ausschüssen, die regional zu besetzen sind, gab es an verschiedenen Stellen gute Ansätze. Aber man hat dann auch gemerkt, dass so manches Mal die Etablierten ungern weichen wollen und die Fachlichkeit gar nicht immer die entscheidende Rolle spielt, sondern wer in das vor Ort gewünschte politische Gefüge passt.

Das bleibt ein ganz schwieriges Aufgabenfeld, bei dem ich nach drei Jahren Diskussionen über die Beteiligung von Frauen lange nicht mehr so positiv bin wie am Anfang. Wenn man sieht, dass wir auf KZBV-Ebene Arbeitspapiere erstellt haben, die ich auch in Vertreterversammlungen vorstellen durfte, dann ist das Ergebnis nicht zufriedenstellend. Es gibt zwar KZVen, die gewisse Dinge davon umsetzen, aber immer nur das Niedrigschwellige.

Insofern wird aus meiner heutigen Sicht ohne Quote nicht wirklich Bewegung in das Ganze kommen.

Am Schluss habe ich irgendwann bei bestimmten Themen die Flügel gestreckt. Ich hatte ein hohes Ziel, wurde aber immer wieder ausgebremst.

Auch die Diskussion, es gäbe keine qualifizierten Frauen, kommt immer wieder auf. Diese Qualifikationsdiskussion ärgert mich richtig. Ich sehe so viele Männer, die sich für höhere Ämter in der Standespolitik berufen fühlen, bei denen ich mich frage, woher nimmt der Junge das Selbstbewusstsein, dass er meint, er sei qualifiziert? Darüber diskutiert niemand und bei Frauen ist es immer das erste. Wir haben erst dann Gleichberechtigung und Gleichstellung, wenn genauso viele Frauen schlechte Standespolitik machen dürfen wie Männer.

Ein grafisches Bild, das einen Mann im Anzug zeigt der von einer großen Hand einen weißen Weg mit einer Farbrolle vorgezeichnet bekommt und eine Frau im Business-Kostüm, die ihren Weg mit einer Farbrolle selbst aufmalen muss

Alle sind gleichberechtigt? Dr. Ute Maier hat da in der Standespolitik so ihre Erfahrungen gesammelt.

Was ist sonst nicht gut gelaufen?

Maier: Ich wäre gern weiter in unseren Überlegungen betreffend Paragraf 105 SGB V, in dem es um die Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung geht. Es gibt bundesweit Versorgungsengpässe im ländlichen Bereich und auch in Baden-Württemberg gelingt es nicht immer, Nachfolgerinnen und Nachfolger für altershalb abzugebende Praxen zu finden. Umso wichtiger wäre es sich darüber Gedanken zu machen, welche Maßnahmen sich vor Ort entwickeln lassen, um etwa die Niederlassung zu fördern. Und da hätte ich die Krankenkassen entsprechend Paragraf 105 gerne mit im Boot. Aber dafür sehe ich bei uns in der Vertreterversammlung derzeit keine Offenheit, weil es bei uns in Baden-Württemberg noch ganz gut läuft. Es wäre aber schon jetzt wichtig, sich durch perspektivische Szenarien durchzudenken und diese durchzudeklinieren. Es reicht nicht, immer zu sagen, wir wollen eigentlich gerne das System von vor 20 Jahren zurück. Da ging es uns doch ganz gut.

Praktisch visionär nach vorne zu schauen und visionär Gesundheitsversorgung mitzugestalten, da habe ich mein persönliches Ziel nicht erreicht. Das hing aber nicht unbedingt an meinen Fähigkeiten oder meinem Willen.

Lassen Sie uns über das Thema Niederlassung und Existenzgründung sprechen. Was haben Sie da im Baden-Württemberg bewegt?

Maier: Wir haben es durch eine intensive Niederlassungsberatung und verschiedenen Beratungsangeboten speziell von Seiten der KZV geschafft, dass wir doch immer noch auf eine steigende Zahl von Neugründungen oder von Niederlassungen insgesamt kommen. Das finde ich schon beachtlich. 2021 gab es bei uns 43 Neugründungen und 93 Übernahmen. Der Trend, sich später niederzulassen, ist allerdings auch bei uns zu beobachten. Die Niederlassung ist aber kein Auslaufmodell. Zusammen mit der LZK BW führen wir zudem einen Existenzgründungs-Workshop durch.

Vor allem müssen und werden wir jedoch unbedingt weiter daran arbeiten und der Politik immer wieder ins Stammbuch schreiben, dass diese ständig zunehmenden Bürokratielasten und staatlichen Auflagen einfach mal ein Ende haben müssen.

Das Thema Fachkräftemangel ist auch ganz akut. Welche konkreten Schritte hat die KZV Baden-Württemberg eingeleitet, um diesem entgegenzuwirken?

Maier: Man sieht, dass die ganzen Bestrebungen vonseiten der Kammern nicht so erfolgreich waren bzw. sind wie erhofft. Aber ich glaube, das kann man jetzt nicht alleine den Kammern anlasten, sondern das ist insgesamt ein Problem. Wir haben dazu eine Umfrage in den Praxen durchgeführt. Ein Drittel der Zahnarztpraxen bewertet die derzeitige Personalsituation als schlecht.

Ein weiteres Ergebnis war, dass sich viele das Outsourcen von Aufgaben der Praxisverwaltung vorstellen könnten. Wir sind jetzt gerade zusammen mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) dabei, uns Gedanken zu machen, wie man über ein duales Studium Teile der Praxisverwaltung von den Praxen eher fernhalten kann. In den Studiengang BWL-Gesundheitsmanagement sollen spezifisch für die Praxen relevante Inhalte integriert werden. Wir würden als KZV BW unsere Expertise in den Studiengang einbringen – auch durch entsprechende Lehrende. Das hätte sicherlich einen Benefit für die Praxen und würde dazu beitragen, dass sich die Mitarbeitenden vor Ort weniger der Praxisverwaltung und wieder mehr den Patienten widmen können.

Seit Juli 2021 gilt die neue PAR-Richtlinie. Wie wurde sie denn in Baden-Württemberg angenommen?

Maier: Im Vorfeld gab es einige, die die neue Richtlinie heftig in Frage gestellt haben. Aber jetzt überwiegt die positive Resonanz der Kollegen und Kolleginnen. Die Umsetzung zeigt, dass wir da ein zusätzliches Instrument bekommen haben, das die Praxen einfach weiterbringt. Wir können jetzt unseren Patienten eine PAR-Behandlungsstrecke auf dem Stand der Wissenschaft anbieten, ohne über Selbstzahler-Leistungen reden zu müssen. Das allein ist ein Quantensprung in der Versorgung.

Natürlich ergeben sich bei der Einführung neuer Leistungen immer wieder Fragen oder Probleme, auf die wir aber bis jetzt immer die passenden Antworten gefunden haben oder zusammen mit den Krankenkassen in zeitnaher Klärung sind. Wenn wir uns die Zahlen in Baden-Württemberg anschauen, liegen wir bei den Neuplanungen über 20 Prozent höher als im Vergleich zum Vorjahr Und das Abrechnungsvolumen hat insgesamt deutlich zugenommen.

Wie wird die Telematikinfrastruktur von der Zahnärzteschaft in BW angenommen?

Maier: Die Telematikinfrastruktur ist weiterhin eine offene Baustelle. Vieles ist von Seiten der gematik nicht gut gelöst, nicht gut genug durchdacht, nicht genügend ausprobiert.

Der digitale Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Viele Praxen hätten sich sicherlich auch ohne Druck durch den Gesetzgeber weiter digitalisiert. Nun gibt es in der Kollegenschaft viel Frust und eine gewisse Müdigkeit, weil vieles bei der TI nicht von Anfang an reibungslos funktioniert hat und auch heute noch nicht funktioniert. Die TI wird eher als Belastung wahrgenommen, die Geld und Zeit kostet, und noch keinen Mehrwert für die Praxen hat. Das führt verständlicherweise zu Unmut.

Bald kommt ja der elektronische Heil- und Kostenplan. Könnte der für die Zahnarztpraxen einen echten Fortschritt bedeuten?

Maier: So werden wir es auch in unserem Rundschreiben anpreisen. Ich denke und hoffe, dass das Verfahren der Genehmigung durch die Krankenkassen dadurch deutlich beschleunigt wird. Das System wird dann auf Automatismen zurückgreifen und Standards – wie etwa eine Einzelkrone – erkennen und innerhalb kürzester Zeit genehmigen.

Was noch besser werden muss, ist die digitale Kohärenz. Wir reden von einer digitalen Welt und müssen anschließend dem Patienten einen Ausdruck auf Papier mit seinem HKP in die Hand drücken. Solche Medienbrüche fördern die Begeisterung auch nicht gerade.

Wie sehen Sie den pauschalen Konnektortausch bei den Geräten, bei denen das Sicherheitszertifikat abgelaufen ist?

Maier: Ich habe die  ganzen Verlautbarungen in diesem Zusammenhang natürlich auch zur Kenntnis genommen. Aber da muss ich ganz ehrlich sagen, das BMG wollte unbedingt 51 Prozent der gematik übernehmen, und nun ist es eben auch in der Hauptverantwortung. Ich würde mir eine weitsichtigere Planung wünschen.

Und was bringt der digitale Fortschritt, wenn er mit solcher Hardware daherkommt? Jedes Haushaltsgerät, das so funktionieren würde, hätten wir sicher längst im Müll entsorgt.

Kommen wir zur anstehenden Wahl nach Baden-Württemberg. Mit der konstituierenden Sitzung der Vertreterversammlung im Oktober steht auch die Wahl des Vorstands der KZV Baden-Württemberg bevor. Treten Sie und Ihr Vorstand wieder an?

Maier: Ich will diese Frage hier nicht beantworten (lacht) . Es ist bei uns klar, dass Herr Besters nicht mehr antritt. Und ich kann nicht einerseits immer über die alten Männer, die ihre Plätze nicht räumen, schimpfen, und gleichzeitig als Frau dasselbe in Anspruch nehmen.

Diplomatisch gesagt: warten wir doch erst einmal die Wahl zur Vertreterversammlung ab. Und dann sieht man weiter. Ich habe in Baden-Württemberg immer gesagt, dass ich ein Angebots-Modell bin. Ich bin kein Muss-Modell. Ich bin an keiner Stelle abhängig von meinem Job. Das war mir immer ganz wichtig. Das hat mir an vielen Stellen die Freiheit gegeben, reden zu können, wie mir der Schnabel gewachsen ist, ohne dass ich aus taktischen Gründen den Mund halten musste. Nach dem Motto: Ich darf dieses oder jenes nicht sagen, ich muss das oder jenes machen, weil ich ja wiedergewählt werden will.

Nächstes Jahr wird der neue KZBV-Vorstand gewählt. Herr Doktor Eßer wird nach eigener Aussage wohl nicht wieder antreten. Sehen Sie eine Frau am Horizont, die zur Wahl für den KZBV-Vorstand antritt?

Maier: Es ist in diesem Bereich schon schwierig, eine Prognose zu wagen, wenn sie insgesamt bisher bloß drei oder vier Frauen in den KZV-Vorständen haben. Ich könnte mir jedoch schon die eine oder andere vorstellen.

Auf jeden Fall fände ich es schön, wenn sich eine Frau für den KZBV-Vorstand finden würde.

Stünden Sie für eine Kandidatur bereit?

Maier: Schau‘n wir mal.