Worauf sollte politisches Handeln basieren? Der Laie würde jetzt an Fakten denken. Indes sieht die politische Realität oft anders aus. Wir nennen dieses demokratische Phänomen Lobbyismus. Früher vertraten ihn meist Männer in teuren, gedeckten Anzügen. Heute ist die Welt schriller, und die Mitspieler sind vielfältiger. Wer geschickt in die sozialen Netzwerke hustet, kann heute eine Welle erzeugen, die tsunamie-artig alle Fakten wegschwemmt. Aber das funktioniert auch nach wie vor in den klassischen Medien. Zwei beliebte Methoden sind „Seeding“ und „Framing“.
Gehen wir einer ersten Spur nach: Hier wurde ein Begriff geschickt in die Z-MVZ-Debatte eingeführt. Er erscheint in der Darstellung des Einstiegs von Investoren in den Z-MVZ-Markt. In der gemeinsamen Stellungnahme von KZBV und BZÄK zum Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) taucht auf vier Seiten zu den Medizinischen Versorgungszentren dreimal das Wort „marode“ auf: „Kauf maroder Krankenhäuser“, „Erwerb von (häufig maroden) Krankenhäusern“ und „Querfinanzierung maroder Krankenhausstrukturen“.
Dass diese Wortwahl Spuren hinterlassen hat, zeigt unsere Nachfrage bei Gesundheitspolitikern aller sechs Bundestagsfraktionen zu ihrer Haltungen gegenüber der Z-MVZ-Thematik. So unterschiedlich die Aussagen auch ausfielen, allein in zweien davon kam die Formulierung „Kauf maroder Kliniken“ vor (DZW 39 bis 41/2018). An keiner Stelle findet sich ein Beleg zum genannten Vorgehen über „marode“ Kliniken. Unternehmerisch sinnvoll wäre ein solcher Einstieg jedenfalls nicht. Will ein Investor über ein eigenes Krankenhaus zu den Z-MVZ-Gründungsberechtigten gehören, braucht er diese Klinik, solange er die Z-MVZ betreiben will. Kein Krankenhaus, kein Z-MVZ, kein Bestandsschutz. Auch der Anwurf „Querfinanzierung maroder Krankenhausstrukturen“ sticht nicht wirklich. Querfinanzierung bedeutet nicht Gewinn. Kein Gewinn, keine Rendite. Auf der psychologischen Ebene ist der Begriff „marode“ wiederum wirksam gewählt. Der Duden deutet „marode“ als „heruntergekommen, abgewirtschaftet“. Das klingt irgendwie windig, nach klinischer Versorgung unter mangelnder Hygiene. In jedem Fall: unseriös.
Der zweite PR-Clou ist das Framing. Auch hier ein Beispiel: In einer Pressemitteilung der KZBV wird dem Vorsitzenden des Vorstands der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer, folgende Wortwahl über Investoren im Bereich Z-MVZ in den Mund gelegt, sie seien „renditeorientierte Finanzjongleure und Spekulanten“. Framing bedeutet hier, dass das Thema Investor und Z-MVZ in ein Deutungsraster eingebettet wird. Gibt man den Begriff „Finanzjongleur“ einmal in die Google-Bildersuche ein, überrascht das Ergebnis wenig. Da werden Anzugträger von Polizisten abgeführt und Menschen genannt, die juristisch belangt werden. Das ist insgesamt wenig schmeichelhaft, funktioniert aber: In unserer kleinen Gesundheitspolitikerumfrage fiel selbstredend die Formulierung, Zahnarztpraxen dürften nicht zum „Spielball von Investoreninteressen“ werden. Der Finanzjongleur mit seinen Spielbällen. Dieses negative Framing wird heuer gern angewendet, wenn komplexe Sachverhalte auf simple Lösungen heruntergebrochen werden. Der Untergang des Abendlandes eben.
Die Politik zeigt sich jedenfalls bereits in Teilen mürbe. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats ist von der zahnärztlichen Lobbyarbeit beeindruckt und rät bei dem im Bundesrat nicht zustimmungspflichtigen TSVG, einen räumlichen und fachlichen Bezug des Krankenhauses zu seinen MVZ festzuschreiben.
Die Fraktion DIE LINKE hat im Bundestag eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung eingebracht: „Kapitalinteressen bei der Übernahme von Medizinischen Versorgungszentren“. Aus der Antwort der Bundesregierung wird klar, die Faktenlage ist derzeit wirklich schwierig. Immerhin die KZBV kann mit Informationen dienen. In der Antwort der Bundesregierung heißt es: „Nach Mitteilung der KZBV sind zum Stand 30. Juni 2018 deutschlandweit 60 MVZ bekannt, die Finanzinvestoren mittelbar oder unmittelbar zuzurechnen sind.“ Bei 51.058 niedergelassenen Ärzten – aktuelle Zahl der BZÄK – bedeuten diese 60 Standorte in Relation 0,12 Prozent. Der ehemalige KBV-Vorstand Dr. Michael Späth rät gegenüber dem „Ärztenachrichtendienst“ den Zahnärzten: „Die Zahnärzte sollten ihre Probleme zunächst auf nicht gesetzlicher Ebene im eigenen System angehen, bevor man gleich nach allgemeinen gesetzlichen Regelungen ruft, die einschneidende Auswirkungen für die gesamte ambulante Versorgung hätten.“ Am Ende des Artikels nehmen wir den werten Leser noch mit auf eine Zeitreise. Vor 25 Jahren kippte der Bundesgerichtshof das GmbH-Verbot im ärztlichen Standesrecht. Auch damals hieß es: „Die freiberufliche Ausübung der ärztlichen Heilkunde wäre dann kommerziellen Interessen unterworfen und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in Gefahr. Ärzte, die als Geschäftsführer arbeiteten, hätten sogar zusätzlich finanzielle Vorteile und könnten Steuern wegbügeln“ (DZW 48/1993). Der Untergang des Abendlandes – nur in light.
Disclaimer: Wir haben keine Anzeigenkunden im Bereich Z-MVZ, von denen wir uns distanzieren könnten.