Wie viel Bewegung gönnst du dir und deinem Team? Sicher kennen einige bereits die verschiedenen Phasen, die ein Team in seinem Bestehen durchläuft. Ein Kreislauf, der bei jeder Veränderung wieder in Schwung kommt.
In einem Team ist ständig Bewegung, z.B. durch neue Kolleginnen und Kollegen, durch geänderte Anforderungen an den Praxisalltag, durch neue Patienten... Damit kommen immer wieder neue Impulse ins Team, was auch bedeutet, sich auf den Weg zu machen.
Wer ist denn hier eigentlich das Team?
Betrachte ich ein Team, sehe ich zunächst jeden Einzelnen. Jeder, der für sich und mit sich im Reinen ist, ist auch in der Lage, sich in das Team optimal einzubringen. Jeder Einzelne ist dabei zunächst auch gleich wichtig und möchte ganzheitlich betrachtet werden, doch wer bildet eigentlich ein Team? Sind nicht Arzt, Prophylaxefachkraft und Patient auch ein Team? Auch hier funktioniert es nur, wenn alle miteinander in dieselbe Richtung wollen. Es gibt viele verschiedene Teams in jeder Praxis. Nicht alle sind auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Die Prophylaxefachkraft möchte etwas beim Patienten verändern, ihn also auf den Weg bringen.
Auf den Weg in ein neues Team
Ich beginne, der Einfachheit halber, mit dem Weg bei mir selbst und stelle fest, dass ich selbst auch mein eigenes Team mit auf den Weg nehme. Schulz von Thun nennt es das innere Team, das wir alle in uns haben. Ich mache mich also gar nicht allein auf den Weg. Mit diesem Team muss ich mich zunächst abstimmen. Wo wollen wir hin? Für wen machen wir das? Laufen wir vor etwas weg? Wir merken bereits hier, wie wichtig es ist, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Setze ich mein inneres Team mit dem Körper gleich, so drängt sich mir der Satz auf „Beschäftige dich mit deinem Körper, bevor er dich beschäftigt“. Aufs Team bezogen:
„Beschäftige dich mit deinem Team, bevor es dich beschäftigt.“
Sich mit dem eigenen Körper zu beschäftigen bedeutet, sich selbst wahrzunehmen. Mit mir in Kontakt zu kommen und damit zufrieden zu sein, was mir da so geboten wird. Wie in einem Team. Auch dort gibt es Teammitglieder, die ich mir unter Umständen nicht aussuchen kann. Ich muss sie nehmen, wie sie sind. Das gilt auch für mein inneres Team. Körper und Team auf einer ganzheitlichen Ebene zu betrachten bedeutet für mich, die Ebenen Wahrnehmung, innere Haltung, Sprache und Gesundheit als Kreislauf zu sehen. Was ich wahrnehme, beeinflusst meine innere Haltung. Diese drückt sich in Sprache aus. Alles gemeinsam hat Einfluss auf meine Gesundheit und andersherum.
Wahrnehmung innerhalb der Bewegung
Als Lauftherapeut mache ich immer wieder die Erfahrung, wie überrascht viele Teilnehmer über die Reaktionen des eigenen Körpers sind, wenn sie sich laufend auf den Weg machen. Sie erleben sich in dieser Situation oft völlig anders, als erwartet. Erst wenn die Teilnehmer sich selbst gefunden haben, kommen sie in Kontakt mit den weiteren Mitläufern des Kurses. Sie entdecken ihre Unterschiedlichkeit und finden Gemeinsamkeiten. Über das Kennenlernen hinaus entsteht eine kleine Gemeinschaft, die es letztlich schafft, ein zuvor oft unvorstellbares Ziel zu erreichen, bis sich alle dann wieder trennen. So wie es auch die Phasen eines Teamkreislaufes beschreiben. Aber hier geht es deutlich darüber hinaus. Die Teilnehmer begegnen sich intensiver. Ich beschreibe es als ganzheitliche Wahrnehmung. Zur Bewegung gehört immer auch die Wahrnehmung. Auch dieser Prozess beginnt bei mir selbst. Ich muss mir zunächst über meine eigene Wahrnehmung klar sein. Erst dann kann ich meine Eindrücke sortieren. Ein sehr wichtiger Punkt aus dem Bereich der Resilienz, der Fähigkeit mit Stress umzugehen. Nicht was der andere sagt oder tut, macht mir Stress, sondern was ich daraus mache. Beim Laufen dürfen Gedanken kommen und auch wieder gehen. Der Läufer – Flow. Das ist aktive Stressbearbeitung.
Den Weg und die gemeinsame Sprache finden
Ein Team in Bewegung zu bringen, ist in meiner Welt der wichtigste Ansatzpunkt zur Vorbeugung von Konflikten. Prophylaxe fürs Team bedeutet, den gemeinsamen Weg zu gestalten, bevor ich mich auf ihm auf den Weg mache. Die Herausforderung in der Praxis liegt in der Erkenntnis, dass jeder den Weg auf seine individuelle Weise wahrnimmt. Und da Wahrnehmung etwas mit Wahrheit zu tun hat, gibt es für den gemeinsamen Weg auch kein richtig oder falsch. In meiner Welt ist es von grundlegender Bedeutung, zunächst herauszuarbeiten, auf welcher Wahrnehmungsebene die einzelnen Teammitglieder unterwegs sind. Das erklärt oft das eine oder andere Verhalten. Vor allem aber weckt das Wissen darüber das Verständnis füreinander. Mit diesem Verständnis hören wir anders zu und entdecken die unterschiedlichen Vokabeln der Kollegen. Während der eine das Haar in der Suppe sucht, sieht der andere drüber weg, und ein Dritter hat ein komisches Bauchgefühl. Möglicherweise meinen alle das Gleiche. Sie finden aber durch die unterschiedlichen Vokabeln nicht zueinander. Mach dir die Mühe, und höre genau hin. Das bietet die Chance, den Kollegen eine Übersetzungshilfe zu sein. Ein weiterer Zugang zu Verständnis (= Verstehen).
Ein bekanntes Beispiel: Der eine Kollege ist super ordentlich, alles muss an seinem Platz sein, womöglich farblich zueinander passend. Die andere Kollegin fühlt sich in manchen Räumen nicht wohl, und der Chef vermisst an einigen Stellen Struktur. Drei Wahrnehmungstypen, wie wir sie häufig finden. Vielleicht ärgert mich die „übertriebene Ordnung“ oder wir streiten uns über Dinge, die der andere doch auch gesehen haben muss. Zu jeder Wahrnehmung gehören eben auch blinde Flecken. Den Becher lässt die Kollegin eben nicht aus Faulheit stehen, sondern weil es in ihrer Wahrnehmung nicht wichtig ist, wo er steht. Auch hier macht es Sinn, sich damit zu beschäftigen. Erste Hilfe: Neugier. Frage nach, warum der andere etwas macht oder eben nicht macht. Wenn er dann aber nicht weiß, wovon du redest, ist Übersetzung gefragt. Erkläre die Welt: „Mir ist es wichtig, dass … Und dir?“
Teamentwicklung ist ein ruhiger, langer Lauf. Kein Sprint.
Sich gemeinsam auf den Weg zu machen, seine eigenen Wahrnehmungskanäle zu erfahren und die der Kollegen sortieren zu können, ist ein enormer Gewinn für jedes Team. In Verbindung mit Bewegung werden Teamprozesse erlebbar, und das ist viel wertvoller, als drüber zu reden. Wusstest du, dass ein moderates Ausdauertraining ähnliche Effekte im Körper auslösen kann wie die Einnahme starker Antidepressiva? Was für neue Perspektiven ergeben sich da erst für gesunde Menschen in einem gesunden Team? Bewegung ist eine Form, sich und seine Umwelt ganzheitlich wahrzunehmen. Sich und das Drumherum beim Laufen zu sehen, zu schmecken, zu riechen und so weiter. Gibt es eine intensivere Art, mit sich selbst in Kontakt zu kommen, als bei einer professionell begleiteten Ausdauerleistung?
Also: Keep on running, dann läuft’s auch in eurer Praxis!