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11. Dental-Gipfel: Strategien gegen den Personalmangel

Beim 11. Dental-Gipfel vom 6. bis 8. Januar kamen rund 400 Zahnärzte, Zahntechniker und Industrieaussteller zur Jahresauftaktveranstaltung in Rostock Hohe Düne zusammen. „Fachlich auf der Höhe der Zeit: Vorsprung durch interdisziplinäres Wissen“ war das Motto, zu dem Helge Vollbrecht und sein Team von Dental Balance wieder ein abwechslungsreiches Programm zusammengetragen hatten. 

Insbesondere die Themen „Digitaler Workflow“ und die „Personalgewinnung und -bindung“ waren Schwerpunkte, die auch in Workshops vertieft wurden. „Durch Corona ist noch deutlicher geworden, wie wichtig und wie schwierig es ist, Personal zu finden und langfristig an die Praxis oder das Labor binden zu können“, erklärte Veranstalter Helge Vollbrecht. Die Referenten – vom Rechtsanwalt und Steuerberater bis hin zum Coach – gaben den Zuhörern Hinweise, wie dies gelingen kann.

Auditorium im Konferenzcentrum der Yachthafenresidenz Hohe Düne

Ein interessantes und abwechslungsreiches Programm, das von Dr. Konrad Weßlau und Carsten Müller moderiert wurde, sorgte für ein volles Plenum zum Jahresauftakt in der Yachthafenresidenz Rostock Hohe Düne.

Zufriedene Arbeitnehmer dank guter Führung

Dr. Ralf Großbölting, Fachanwalt für Medizinrecht in der Kanzlei KWM Law aus Berlin zeigte auf, wie man beim anstehenden Generationswechsel aus der Not eine Tugend machen und Personal einbinden und begeistern kann. Dabei riet er dazu, sich in die Arbeiternehmerperspektive hineinzuversetzen, die laut einer Untersuchung statt der Höhe des Gehalts die Sinnhaftigkeit der Aufgaben als wichtigstes Kriterium für die Attraktivität eines Arbeitsplatzes sieht.

Führung und insbesondere die menschenorientierte Führung seien äußerst wichtig, damit der Arbeitnehmer zufrieden mit der Arbeitssituation ist. Bei Mitarbeitergesprächen könne man die Stimmung erfassen, Ziele festlegen und deren Erfüllung dann auch mit Prämien verknüpfen. Weiterhin zeigte er auf, wie man Karriereleitern, ein Prämienprogramm sowie Beteiligungen und Erfolgsprämien in Arbeitsverträgen rechtssicher gestalten sollte.

Dr. Anke Handrock, ausgebildete Zahnärztin und seit 30 Jahren als Coach tätig, zeigte die Unternehmenskultur als wichtigsten Faktor für den Erfolg auf. Kultur beruhe auf einem Mechanismus der Zugehörigkeit und Abgrenzung, wovon aber nur etwa ein Siebtel als Verhalten sichtbar sei. Der allergrößte Teil der Kultur sei als Mindset – wie bei einem Eisberg – nicht sichtbar. Daher sei das Onboarding bei neuen Arbeitnehmern und damit die Einführung in die Kultur so wichtig.

„Denn wenn die Leute nicht richtig eingebunden sind, gehen sie eher. 20 bis 30 Prozent der Neuen kündigen in den ersten zwei Jahren und 46 Prozent von ihnen gehen wegen der Unternehmenskultur. Und  nochmals ebenso viele gehen, weil der Job nicht ihren Erwartungen oder der Ausschreibung entspricht. Als Vorgesetzter ist man Treiber der Unternehmenskultur“, redete die Referentin den Zuhörern ins Gewissen. Immerhin kosten die Gewinnung und Qualifikation eines neuen Arbeitnehmers je nach Qualifikation zwischen einem halben bis hin zu zwei Jahresgehältern.   

Dr. Anke Handrock beim Vortrag

Dr. Anke Handrock, ausgebildete Zahnärztin und Coach, erklärte, warum die Unternehmenskultur wesentlichen Anteil am Erfolg einer Praxis und eines Labors hat. 

Neue Wege gehen

Die neueste Scantechnologie für Prothetik, Diagnostik und Patientenkommunikation stellte Jan Kurtz-Hoffmann aus Leipzig vor. Die neue Technologie könne bei insgesamt hohen Erwartungen ein vorhersagbares Ergebnis bei transparenten Kosten liefern. Das Behandlungskonzept von Kurtz-Hoffmann sieht bei Neupatienten eine 45-minütige Anamnese mit 3-D-Scan vor. Der Scanner sei dabei aber nicht eine reine Abdruckmaschine, sondern diene ebenso für die Kariesdetektion, die Kommunikation mit dem Patienten und dem Techniker, dem Monitoring (jeder Patient würde einmal pro Jahr nachgescannt, sodass Behandlungsverläufe dokumentiert werden können) und der Forensik. 

Mithilfe der Smile Cloud, einer KI-basierten App, könnten verschiedene Designs entwickelt und mit den Patienten abgesprochen werden. Dabei hänge die digitale Abformung der analogen nicht mehr viel hinterher. Statt der 30 bis 80 Mikrometer, die Ender, Zimmermann und Mehl 2019 in ihrer Studie dokumentiert hatten [1], betrage die Abweichung bei digitalen Abformungen heute noch 30 bis 40 Mikrometer. „Im Vergleich zu 16 bis 20 Mikrometern bei der analogen Abformung ist das ein akzeptables Ergebnis“, so Kurtz-Hoffmann.

Seit 2019 ist es für Zahntechnikermeister möglich, an der Goethe-Universität in Frankfurt a. M. den Master of Science in Dental Technology (MDT) zu erwerben. Studiengangleiter PD Dr. Paul Weigl und ZTM Holger Nickel als Teilnehmer stellten das dreijährige berufsbegleitende Studium vor und erklärten, warum sich die Investition lohne. Die Inhalte und ihre Vermittlung seien sehr gut, unter anderem erfolge die Kommunikation auf Augenhöhe, ein Highlight sei das Training nicht-invasiver Patientenbehandlungsschritte am Phantomkopf. Insgesamt sei viermal eine mehrtägige Präsenz in Frankfurt erforderlich. Zulassungsvoraussetzung für Zahntechnikermeister sind vier Jahre Berufserfahrung, auch eine Promotion ist möglich.

PD Dr. Paul Weigl

PD Dr. Paul Weigl stellte den ersten Masterstudiengang für Zahntechniker in Deutschland an der Goethe-Universität Frankfurt a. M. vor. Innerhalb von drei Jahren kann der akademische Grad erworben werden, auch eine Promotion ist möglich.

Möhren schälen im Dunkeln ist passé"

Prof. Dr. Georg Gaßmann von der Hochschule Rhein-Erft schilderte die positiven Effekte der neue PAR-Richtlinie vom 1. Juni 2021 (mehr PAR-Behandlungen; Compliance-Abbruch sank von 50 auf 20 Prozent) ebenso wie die Herausforderungen für die Parodontitistherapie durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (Finanzierungslücke von 100 Millionen in 2023). Bei der konservativen Parodontitistherapie zeigt eine Studie, die im Januar 2022 veröffentlicht wurde [2],  aus dem vergangenen Jahr, dass die Applikation von thermosensitivem Hyaluronsäure-Gel mit 0,625 Prozent Octenidinhydrochlorid-Beimengung nach drei und sechs Monaten deutliche Gewinne bringt, nämlich eine Pocket-Probing-Depth-Reduktion von 1,98 mm nach drei und von 2,79 mm nach sechs Monaten.

Eine Multicenter-Studie, an der auch Gaßmann beteiligt ist, kann diese Tendenz vorläufig bestätigen. Die Hyaluronsäure werde direkt in die gereinigte Tasche eingebracht und unterstütze somit das minimal-invasive gingivale Debridement, womit die Reduzierung des Biofilms im Mittelpunkt steht und nicht das Glätten der Wurzeloberfläche (Root Planing). Hyaluron zeige wundheilungsfördernde und entzündungshemmende Effekte und sei zudem antiödematös.

Prof. Gaßmann  und Carsten Müller auf dem Podium

Moderator Carsten Müller (rechts) bedankt sich bei Prof. Dr. Georg Gaßmann (links) für seinen Vortrag über einen neuen Behandlungsansatz in der nichtchirurgischen Parodontaltherapie.

Der Haken bei der Inflationsprämie

Am 2. Kongresstag griff Frank Pfeilsticker das Thema Personalgewinnung besonders durch attraktive Personalvergütung wieder auf. Der Steuerberater aus Potsdam präsentierte spannende Zahlen. Anhand von Datev-Daten zeigte er die durchschnitte Renditeentwicklung einer Einzelpraxis ohne Labor in Norddeutschland auf. Demnach steigt diese seit 2010 kontinuierlich. Lag die Rendite 2010 bei 136.000 Euro (32,5 Prozent vom Gesamtumsatz), so waren es zehn Jahre später 193.607 Euro, was weiterhin einem Gewinn von etwa einem Drittel entspricht.

Trotz der Corona-Pandemie zeigten sich auch im Jahr 2020 keine Einbrüche, wobei sich im Nachfolgejahr sogar ein Nachholeffekt bemerkbar machte. Bis zur aktuellen Inflation stieg der durchschnittliche Gewinn einer Praxis also um 4,1 Prozent jährlich. Frank Pfeilsticker riet zu Gelassenheit und zeigte sich auch im Hinblick auf die Inflation optimistisch. Bei der Auszahlung der steuerfreien Inflationsprämie riet der Steuerberater dazu, den vollen Betrag von 3.000 Euro nicht auf einmal auszuzahlen, sondern als monatliche Abschläge bis zum Dezember 2024. Aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes empfiehlt er, diese Prämie allen Arbeitnehmern zu gewähren, eine Differenzierung in der Höhe müsste gut begründbar sein.

Eine Lücke im Gesetz sieht Pfeilsticker darin, dass ein neuer Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Inflationsprämie bis Ende des kommenden Jahres nochmals in voller Höhe auszahlen könne und dies auch bei parallelen Arbeitsverhältnissen möglich sei. Somit befürchtet er, dass die Inflationsprämie im kommenden Jahr unter Umständen als Abwerbungsprämie missbraucht werden könnte. Weitere finanzielle Anreize für die Arbeitnehmer bestünden zum Beispiel in der Auszahlung oder der Umwandlung von Sachbezügen, die sich derzeit auf 50 Euro monatlich belaufen.

Losgelöst von diesen fiskalischen Bürden präsentierte Dr. Nina van Sprundel, die eine Boutique-Praxis in Zug (Schweiz) betreibt, ihr Praxismarketing, das auf eine exklusive und internationale Kundschaft zugeschnitten ist. „Be different“, empfahl sie den Zuhörern, es sei wichtig, eine Vision für die eigene Praxis zu entwickeln und diese auch zu leben: Für ihr eigenes Marketing steht sie jeden Morgen sehr zeitig auf und bedient Social Media („LinkedIn und Instagram sind essenziell“) und ihre eigene DentalTV-App („Netflix für Zahnärzte").

Viele Kunden gewinnt sie über exklusive Corporate Partnerships (Privat Jet Aviation, exklusive Auto- und Schmuckhersteller) und die Mitgliedschaft in exklusiven Clubs. Zur Markenbildung gehöre auch das Branding von Flaschen und Bechern, die in der Praxis zum Einsatz kommen, mit dem eigenen Logo. Diese hochpotente und exklusive Kundschaft habe aber auch einen Haken: Weicht das ästhetische Ergebnis von der Wunschvorstellung des Patienten ab, seien Anwälte sehr schnell zur Stelle.

Dr. Nina van Sprundel

Dr. Nina van Sprundel stellte das Marketingkonzept ihrer Praxis für ästhetische Zahnmedizin in Zug (Schweiz) vor, das ein exklusives und internationales Publikum anspricht.

Mehr zum 11. Dentalgipfel lesen Sie in der dzw orale implantologie Edition 5, die am 22. März erscheint.

Brigitte Dinkloh

[1] Ender A, Zimmermann M, Mehl A. Genauigkeit von Gesamt- und Teilkieferabformungen aktueller intraoraler Scansysteme in vitro. International journal of computerized dentistry 2019(2);22:11-19.

[2] Hirsch A et al. A thermosensitive gel with an active hyaluronic acid ingredient that contains an octenidine preservation system as an adjunct to scaling and root planning: a randomized prospective clinical study, Clinical Oral Investigations 2022;26:3721–3733

Titelbild: Julian Dinkloh