Die Internationale Dental-Schau feiert vom 14. bis zum 18. März 2023 in Köln ein ganzes Jahrhundert IDS. Seit mehr als einem halben Jahrhundert verbindet sich damit auch die Erfolgsgeschichte der Implantologie – nicht zuletzt in den Messehallen, wie Mark Stephen Pace, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Deutschen Dental-Industrie, im Interview mit Dr. Christian Ehrensberger betont.
Herr Pace, wie sehen Sie das Verhältnis von IDS und dentaler Implantologie?
Mark Stephen Pace: Es handelt sich hier um zwei Erfolgsgeschichten, die sich nur zusammen denken lassen. Denn von den entscheidenden Innovationen in der Implantologie erfahren die zahnärztlichen und zahntechnischen Teams auf der IDS alles aus erster Hand. Das lässt sich nicht zuletzt an der langjährigen Präsenz der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in den Kölner Messehallen ablesen. Ich freue mich, sie auch diesmal wieder begrüßen zu dürfen.
Welche implantologischen Themen stehen für Sie bei der 40. IDS 2023 im Vordergrund?
Pace: Ich habe mir schon vor Jahren sagen lassen, dass die digitale Abformung für die zahnärztliche Implantologie mit am besten geeignet sei, und tatsächlich wird sie auf diesem Gebiet immer interessanter. Das liegt nicht zuletzt an einer Art Lückenschluss innerhalb der digitalen Prozesskette. Sie wird Schritt für Schritt mit neuen Schnittstellen komplettiert, sodass sich im Prinzip von der Abformung bis zur Restauration digital vorgehen lässt. Doch auch für die Grenzen zwischen Implantatoberfläche und Knochen oder für die Verbindung zwischen Implantat und prothetischer Restauration, die Schnittstellen eigener Art darstellen, sehen wir jetzt neue Antworten.
Warum beweisen Intraoralscanner gerade in der Implantologie Gamechanger-Qualitäten?
Pace: In der Implantologie kommt es neben der Genauigkeit im Bereich der Präparationsgrenze besonders auf die möglichst fehlerfreie dreidimensionale Reproduktion der Implantatpositionen im Mund des Patienten auf einem zahntechnischen Modell an.
Ein intraoraler Scan eignet sich zuallererst zur Wiedergabe einzelner oder mehrerer Implantate im selben Quadranten. Eine besonders große Unterstützung gewährt er dem Behandler bei der intraoperativen Abformung mit sterilen Scanbodies oder der vollständigen Darstellungen des Emergenzprofils.
Warum dann überhaupt noch Elastomerabformungen?
Pace: In weiten Teilen der Totalprothetik gilt sie nach wie vor als unverzichtbar, auch in bestimmten Bereichen der Implantologie, so etwa bei komplexen Geometrien wie Unterschnitten. Es kann aber durchaus sein, dass sich bereits auf der IDS 2023 die Indikation für die digitale Abformung nochmals erweitert. Damit rücken auch generell Plattformen für den Datenaustausch zwischen Praxis, Labor und Industrie stärker in den Fokus.
Eine weitere Disziplin, die eng mit digitalen Datenströmen zusammenhängt, stellt die künstliche Intelligenz dar. Was dürfen wir uns von ihr für die Implantologie erwarten?
Pace: Die künstliche Intelligenz ist überall dort stark, wo es um die Auswertung von Bilddaten geht. Dies betrifft zum Beispiel Röntgenaufnahmen. Da sie gerade in der Implantologie eine unverzichtbare Grundlage für die Therapieplanung und die fortlaufende Erfolgskontrolle darstellen, dürfte diese Fachdisziplin besonders von Fortschritten der künstlichen Intelligenz profitieren.
Was könnte das im konkreten Patientenfall heißen?
Pace: Auf der Basis einer automatisierten Auswertung von Röntgenaufnahmen ließe sich ein weitgehend automatisiertes Backward Planning aufsetzen und – konsequent weitergedacht – sogar eine robotergestützte OP anschließen. Diese theoretische Möglichkeit erscheint allerdings für die Implantologie auf dem Stand der Technik noch nicht sinnvoll. Denn der Aufwand wäre immens, der daraus resultierende Preis horrend. Darum wird es auf absehbare Zeit bei der implantologischen Behandlung durch den humanen Zahnarzt bleiben.
Welche implantologischen Highlights sehen Sie darüber hinaus auf der IDS?
Pace: Ich erwarte mir eine Klärung, welche Arten von Oberflächenmodifikationen sich bei Implantaten wirklich lohnen. Sind es bioaktive Beschichtungen zur Förderung der Adhäsion und der Ansiedlung von Zellen und Proteinen, antibakterielle Implantatoberflächen oder mikro- und nanostrukturelle Modifikationen zur Verbesserung der Hydrophilie und der Anlagerung des Knochens? Oder ein Mix von allem? Auf der IDS 2023 verschafft sich der Implantologe auch darüber einen umfassenden Überblick.
Wie sieht es mit der Implantatnachsorge aus? Pace: Das halte ich für ein wichtiges Thema, weil praktisch jedes zahnärztliche Team damit zu tun hat, ob in der betreffenden Praxis nun implantiert wird oder nicht. Dem Prophylaxeteam stehen dabei alle Mittel zur Verfügung, die von der Parodontitisprophylaxe und Therapie bekannt sind. Dazu lohnt auf der IDS ein Blick auf spezielle Instrumente – zum Beispiel aus „weicheren“ Kunststoffen – zur Schonung der empfindlichen Titanimplantat-Oberflächen.
Die Grundvoraussetzungen für einen weitgehenden periimplantären Knochen- und Weichgewebserhalt und damit für geringe Taschentiefen werden bereits wesentlich beim Implantieren selbst und bei der Wahl der Anschlussgeometrien geschaffen. So kann sich ein Platform Switching als sinnvoll erweisen, insbesondere wenn es mit einem Mikrogewinde im Schulterbereich realisiert und die Schulter mit einer speziellen Titanoberfläche bedeckt ist. Der ästhetische Langzeiterfolg kann auf diese Weise verbessert werden, und die Notwendigkeit von Folgeeingriffen vermindert sich.
Wann setzt sich nach Ihrer Einschätzung welche Innovation durch?
Pace: Indikationserweiterungen für die digitale Abformung im Bereich der Implantologie werden wir schon auf der 40. IDS 2023 sehen, auch mehr durchgängig digitale Workflows. Intelligente Lösungen für Anschlussgeometrien und Implantatprothetik – zum Beispiel im Zusammenhang mit Platform Switching – dürften wir ebenfalls schon in den nächsten Tagen erleben.
Etwas anders sieht es bei innovativen biologischen Konzepten aus, so etwa bei neuen Knochenersatzmaterialien oder bei der Verbesserung der Wundheilung unter Einsatz von Platelet Rich Fibrin. Doch auch hier werden wir bereits ein Gespür für die Innovationen der nächsten zehn Jahre bekommen. Darum heißt unser Motto diesmal: „100 Jahre IDS – shaping the dental future“.