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Bleiben wir besser beim Dreieck

Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick

Eigentlich ist sie ja längst überfällig, seit Jahren, wenn nicht gar bereits seit einem Jahrzehnt: die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Es spricht vieles dafür, die Möglichkeiten einer immer schneller ­werdenden Datenverarbeitung künftig zu nutzen, um – in gewissen Grenzen – valide Vorhersagemodelle zu generieren, die für eine bessere Planbarkeit im Dreieck Patienten, Ärzte und Kassen sorgen oder um zum Beispiel mehr Sicherheit in der Arzneimitteltherapie zu schaffen – in einer schnell alternden Bevölkerung hilfreich und nützlich. Auch der Nutzen der Möglichkeit, Patienten zum passenden Zeitpunkt an empfohlene Früherkennungsuntersuchungen zu erinnern oder zu anstehenden Auffrischungsimpfungen einzuladen, sind nicht von der Hand zu weisen.

Der Werkzeugkasten, der für die Digitalisierung heute zur Verfügung steht, enthält zwar bereits einige Basiswerkzeuge, aber nicht alle tun momentan störungsfrei das, wozu sie gedacht waren, und nicht alle, die damit umgehen sollen, werden an seiner Gestaltung beteiligt. Daran kann und muss man weiter arbeiten und intensiver als bislang auf die Zukunftssicherheit der verwendeten Technik und damit noch mehr Nachhaltigkeit achten.

Viel Zündstoff bei der Datennutzung

Entscheidender als die Technik und die Herausforderung, diese offen für den zu erwartenden technischen Fortschritt zu halten, ist aber noch ein weiteres Element im digitalen Gesamtkonzept. Neben ­berechtigten Fragen der Finanzierung sind es die Regelwerke, die festlegen, wie mit dem technisch Möglichen umgegangen wird, vor allem mit dem Produkt, das die „Leistungserbringer“ mit all den digitalen Werkzeugen zur Verfügung stellen: den Daten. Beispiele für solche Regelwerke sind die jüngsten Entwürfe zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und zum Digitalgesetz (DigiG).
Der Bedarf an Daten in einem zunehmend teurer werdenden Gesundheitssystem ist gewaltig. Die Vorstellung, durch ­eine präzisere Steuerung kosteneffizienter agieren zu können und vor allem schneller auf sich verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können, ist nachvollziehbar. Aber gerade in diesem Aspekt steckt der meiste Zündstoff. Es ist leicht vorstellbar, wie groß die Versuchung etwa bei Versicherern sein könnte, auf Basis der Daten Riskoprofile jedes einzelnen Versicherten zu erstellen, die in einer Risikoselektion münden könnten.

Ein anderes Beispiel sind die realistisch zu erwartende Validität von Risikobeurteilungen und die daraus abzuleitenden Empfehlungen der Krankenversicherer in Richtung Patient, eine ­bestimmte Behandlung oder Medikation in Anspruch zu nehmen. Abgesehen von der Frage, wie treffsicher der dahinter stehende Algorithmus (oder die KI) ist und wie groß die Gefahr einer Verunsicherung des Betroffenen sein könnte: Bei zurzeit knapp 74 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland dürften eine Menge Empfehlungen, im günstigsten Fall per ePA, zusammenkommen, wenn dieses Prozedere umgesetzt würde.

Arzt-Patienten-Verhältnis darf nicht beeinträchtigt werden

So sinnvoll Instrumente wie das ­Gesundheitsdatennutzungsgesetz oder das ebenfalls diskutierte Digitalgesetz sind, um Potenzial, Nutzen und Grenzen der Datenverwendung zu beschreiben, es müssen auch mögliche Beeinträchtigungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses berücksichtigt werden. Es steht zwar außer Frage, dass Gesundheitsdaten helfen können, die Effizienz zu steigern und Kosten zu reduzieren. Die zentrale Frage muss aber sein, wer künftig Absender von ­Empfehlungen ist und wer Empfänger.

Das etablierte und bewährte Dreieck des Zusammenspiels zwischen (Zahn-)Ärzten, Patienten und Versicherern auf eine Linie zu reduzieren, auf der die Versicherer zwischen (Zahn-)Arzt am einen und der Patient am anderen Ende platziert sind, darf nicht das Ziel sein. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient muss ein direktes bleiben, jede Form der Einmischung wäre kontraproduktiv. Bleiben wir also besser beim Dreieck.