Oralmedizin kompakt — Update: Lupenbrillen und Mikroskope sind gut für Körperhaltung und Augen
Die Qualität von Präparationen beeinflusst die Passgenauigkeit und den Randschluss festsitzender prothetischer Versorgungen. Besonders hohe Anforderungen gelten für mit CAD/CAM-Systemen hergestellte Kronen und Brücken [1].
Kurz und klar
- Vergrößernde Sehhilfen können über verbesserte Arbeitshaltung und Augenschonung körperliche Langzeitschäden reduzieren.
- Die Qualität von Präparationsergebnissen ist mit Sehhilfen nach einer Literaturübersicht in vitro höher, aber nicht signifikant.
- Die Ergebnisqualität wurde überwiegend bei unerfahrenen Anwendern (Studenten) untersucht und könnte mit mehr Erfahrung weiter steigen.
- Störfaktoren bei der Behandlung stellen die Übertragbarkeit auf klinische Situationen in Frage (Forschungsbedarf!).
- Eine stärkere Vergrößerung scheint nicht mit besseren Präparationsergebnissen verbunden zu sein.
- Die zunehmende Verwendung intraoraler Scanner könnte den Stellenwert von Vergrößerungshilfen verändern.
- Möglicherweise lassen sich auch neu verfügbare Miniaturkameras für Lupenbrillen nutzen, die für die Patientenaufklärung vorgesehen sind.
Mehr Präzision, weniger Belastung für die Augen
Eine nicht-systematische Übersichtsarbeit aus Brasilien kommt zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass vergrößernde Sehhilfen die Präparationsqualität verbessern, wahrscheinlich durch größere Präzision, günstigere Arbeitshaltung und geringere Belastung der Augen [2].
Die ergonomischen Vorteile sind laut Review-Artikel gut dokumentiert, insbesondere die Entlastung des Visus. Die reduzierte Fokussierung wirkt sich günstig auf die Entwicklung von Altersweitsichtigkeit aus, also auf die reduzierte Sehfähigkeit im Nahbereich. In Bezug auf die Arbeitshaltung werden vor allem Lupenbrillen nach Kepler-Bauart und Mikroskope gut bewertet, weniger Lupenbrillen nach Galilei mit geringerer Vergrößerungsleistung und ohne optimiertem Arbeitsabstand [3]. Wichtig ist weiterhin eine gute Beleuchtung, wobei bei LED-Licht spezielle Filter für Blau-Ausgleich verwendet werden sollten [3].
Präparationsqualität mit Fragen
Die Qualität von Präparationen lässt sich dagegen laut vorliegender Studiendaten mit vergrößernden Sehhilfen statistisch nicht signifikant steigern [2]. Da sie aber auch nicht beeinträchtigt wird, könnte angesichts der großen Anzahl von Präparationen im Arbeitsleben dennoch ein wichtiger positiver Effekt eintreten. Hinzu kommt die oben erwähnte bessere Ergonomie, die über erhöhte Leistungsfähigkeit der Behandelnden langfristig ebenfalls die Qualität der Arbeitsergebnisse fördern dürfte.
Ein weiterer Faktor ist laut Literatur der motorische Trainingseffekt, der durch das Arbeiten mit Vergrößerung erreicht werden kann [2]. Stärkere Vergrößerung, zum Beispiel mit Mikroskopen im Vergleich zu Lupenbrillen, hat dagegen keinen zusätzlichen Effekt.
Überwiegend Studenten: relativierende Effekte
Die Tatsache, dass die Probanden in den ausgewerteten Studien überwiegend Studenten waren, sehen die Autoren nur bedingt als verzerrenden Faktor [2]. So könne einerseits angenommen werden, dass unerfahrene Zahnärzte (Oralmediziner) am Patienten zum Beispiel mit plötzlichen Patientenbewegungen, eingeschränkter Sicht durch Zunge und Wangen oder Speichel zurechtkommen müssen und damit der positive Effekt vergrößernder Sehhilfen reduziert wird.
Andererseits könnten Anwender durch langfristiges Training bessere Ergebnisse erzielen als Berufsanfänger, so dass die Daten mit erfahrenen Probanden besser ausfallen könnten. Um diese Annahmen zu prüfen, sei aber weitere Forschung notwendig.
Intraoralscanner und Minikameras
Die Qualität von Präparationsergebnissen lässt sich auch durch die vergrößerte Darstellung digitaler intraoraler Scans am Bildschirm prüfen. Mit Augmented-Reality-Brillen lässt sich dies auch während der Präparation und ohne den Blick auf einen Monitor erreichen [4].
Eine Alternative könnten hier auch Lupenbrillen mit aufgesetzten Minikameras sein, die über Fußpedalsteuerung Fotos für die Patientenkommunikation aufnehmen. Diese ließen sich grundsätzlich auch für die Kontrolle der eigenen Arbeitsergebnisse einsetzen. Studien, die diese neueren Technologien mit der Verwendung konventioneller Lupenbrillen vergleichen, fehlen im Review-Artikel [2].
Reale Verbesserung erwartbar
Fazit: Die methodische Qualität der für das Review ausgewerteten Studien bewerten die Autoren als „mäßig“ [2]. Bei allen Schlussfolgerungen sei zu bedenken, dass die Ergebnisse nur in vitro und überwiegend von Studenten ermittelt wurden.
Sie lassen sich damit nur im Analogschluss auf die klinische Situation übertragen und genügen damit keinen höheren wissenschaftlichen Ansprüchen. Der zunehmende Einsatz insbesondere von Lupenbrillen in der Praxis spricht aber dafür, dass diese die tägliche Arbeit – und wahrscheinlich auch die Ergebnisqualität – in unterschiedlichen Anwendungsbereichen im klinischen Alltag ganz real verbessern.
Dr. Jan H. Koch, Freising
Der Autor erklärt, dass er in Verbindung mit diesem Beitrag keine Interessenkonflikte hat.
Hinweis: Beiträge in der Rubrik Oralmedizin kompakt können nicht die klinische Einschätzung der Leser ersetzen. Sie sollen lediglich – auf der Basis aktueller Literatur und/oder von Experten-Empfehlungen – die eigenverantwortliche Entscheidungsfindung unterstützen
Literatur
[1] Renne W, McGill ST, Forshee KV, et al. Predicting marginal fit of CAD/CAM crowns based on the presence or absence of common preparation errors. J Prosthet Dent. 2012;108(5):310-5.
[2] de Oliveira FAS, Moraschini V, de Almeida DCF, et al. Effects of magnification on restorative dental preparation performance: a scoping review and level of evidence mapping. Clinical Oral Investigations. 2024;28(8):447.
[3] Arnold M. Integration von Lupenbrillen und Dentalmikroskopen in die Praxis. zahnärztliche mitteilungen. 2020;110(17):64-73.
[4] Koch JH. Neuigkeiten auf der IDS 2019. Praxisrelevantes entdecken im digitalen Rauschen zahnärztliche mitteilungen. 2019;109(5):80-5.
Dr. Jan H. Koch
Dr. med. dent. Jan H. Koch ist approbierter Zahnarzt mit mehreren Jahren Berufserfahrung in Praxis und Hochschule. Seit dem Jahr 2000 ist er als freier Fachjournalist und Berater tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Falldarstellungen, Veranstaltungsberichte und Pressetexte, für Dentalindustrie, Medien und Verbände. Seit 2013 schreibt Dr. Koch als fester freier Mitarbeiter für die dzw und ihre Fachmagazine, unter anderem die Kolumne Oralmedizin kompakt.