„Richtige Prävention und gutes Personal sind die Schlüsselelemente einer erfolgreichen Nachsorge“, so Dr. Ernst Vöpel, Botschafter für Implantatgesundheit, im Interview.
Seit rund 25 Jahren implantiert Dr. Ernst Vöpel und setzt in seiner Remscheider Praxis etwa 200 Implantate pro Jahr. 2017 wurde er für sein Engagement auf dem Gebiet der Implantatprophylaxe zum Botschafter für Implantatgesundheit ausgezeichnet. Die meisten der ca. 1.000 Implantatpatienten, die regelmäßig zum Recall in seine Praxis kommen, bleiben von periimplantären Entzündungen verschont: Den Grund hierfür sieht Vöpel in dem engmaschigen Prophylaxekonzept seiner Praxis, über das er im nachstehenden Interview spricht.
Welchen Stellenwert haben für Sie Periimplantitis und Mukositis? Sind es Phänomene, die diskutiert werden müssen, oder stellen diese Krankheiten in Ihrer Praxis eher kein größeres Problem dar?
Dr. Ernst Vöpel: Alle Praxen, die Implantatpatienten behandeln, sehen sich mit der Problematik einer Entzündung um Implantate konfrontiert, ebenso wie wir alle auch der Parodontitis häufig begegnen. Diese allerdings steht viel mehr im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Patienten als das Thema der Periimplantits. Viele Patienten denken, ein einmal gesetztes Implantat hält ein Leben lang, doch ganz so ist es natürlich nicht.
Leider ist die Datenlage im Bereich periimplantärer Erkrankungen noch nicht eindeutig. Dies vor allem deshalb, weil Diagnostik und Terminologie häufig auseinandergehen. Die Wissenschaft hat sich noch nicht auf einen einheitlichen Standard geeinigt, und so sprechen manche Zahnmediziner bereits von einer Parodontitis oder Periimplantitis, während andere noch eine oberflächliche Mukositis diagnostizieren. Als Folge dieser Uneinigkeit in der Wissenschaft kann das Thema nicht in dem Maße in die Bevölkerung getragen werden und sich dort verankern, wie es nötig wäre. Dort herrscht leider immer noch weitgehende Unkenntnis um die Krankheit und ihre Risiken.
Wie begegnen Sie diesem Problem in Ihrer Praxis?
Vöpel: Wir klären unsere Patienten im Vorfeld einer Implantation vorschriftsmäßig über mögliche Misserfolgsrisiken auf und unterscheiden dabei zwischen Früh- und Spätmisserfolgen, zu denen auch die periimplantäre Entzündung gehört. Im Zuge dieser Aufklärung zeigen wir den Patienten Strategien auf, mittels derer wir dieses Risiko minimieren können.
Wo sehen Sie auf Basis Ihrer praktischen Erfahrung mögliche Korrelationen oder Ursachen für eine periimplantäre Entzündung?
Vöpel: Ein begünstigender Faktor für eine periimplantäre Infektion wäre beispielsweise eine bestehende Entzündung im Mundraum, die sich auf die Implantate ausdehnen kann. Die Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Implantation ist ein entzündungsfreies Gewebe um die vorhandenen Zähne des Patienten. Aus diesem Grund implantieren wir nicht, wenn eine Parodontitis vorhanden ist, sondern führen eine geeignete Vorbehandlung durch.
Wie bewerten Sie die oft als begünstigend genannten Faktoren wie genetische Anlagen oder die individuelle Mundhygiene des Patienten?
Vöpel: Manches, wie zum Beispiel die prägenetische Disposition jedes Einzelnen, lässt sich nicht beeinflussen. Auf andere Faktoren, und dazu gehört auch eine nicht ausreichende Mundhygiene oder generell ein mangelndes Problemverständnis des Patienten und eine daraus resultierende fehlende Compliance, können wir durch verstärkte Motivation und Instruktion häufig positiv einwirken. Daneben kann auch das chirurgische Vorgehen entscheidend für den langfristigen Erfolg oder Misserfolg einer Implantatversorgung sein. Werden bereits bei der Implantation Fehler gemacht, so lassen sich diese später nur sehr schwer korrigieren und können ebenfalls ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen. Auch Zahnersatz, der nicht hygienefähig ist, begünstigt eine Infektion, wenn dieser weder vom Patienten selbst und nicht einmal durch das Praxispersonal ausreichend gereinigt werden kann.
Was wäre beispielsweise ein solcher Fehler, der bei der Implantation begangen werden könnte und den langfristigen Erfolg einer Implantatversorgung gefährden würde?
Vöpel: Hier wäre zum einen die Position der Implantate zu nennen. Eine entscheidende Rolle spielt aber auch das Weichgewebe. Ein ausreichendes Maß an befestigtem Zahnfleisch um die Implantate herum ist notwendig. Wurden hier bei der Implantation Fehler begangen, sodass das Implantat in der Mukosa steht anstatt im befestigten Zahnfleisch, begünstigt dies ebenfalls die Entstehung einer Infektion.
Kein Fehler, aber ebenfalls häufig entscheidend ist die Wahl des Implantatdesigns. Bis vor einigen Jahren waren die klassischen Titanimplantate vorherrschend, die sich durch glatte, maschinierte Oberflächen auszeichnen, und damit einhergehend gab es weniger Periimplantitis. Mit der Erkenntnis, dass raue Implantatoberflächen die Chancen einer reibungslosen Ossointegration erhöhen, und mit der verstärkten Produktion solcher Implantate stieg die Zahl der Periimplantitisfälle. Denn nicht nur den Osteoblasten, sondern auch den Bakterien bieten große und raue Oberflächen bessere Haft- und Wachstumsbedingungen.
Mittlerweile gibt es Implantatsysteme, die nur oben einen halben bis einen Millimeter hochpoliert sind, also die Vorzüge beider Konstruktionsweisen vereinen. Ohne weiter ins Detail zu gehen, verweise ich hier auf eine umfangreiche schwedische Studie, die untersucht hat, welche Oberflächen besser funktionieren und welche weniger gut.
Welchen Stellenwert nimmt die häusliche Mundpflege ein?
Vöpel: Wir können professionell so gut reinigen, wie es uns möglich ist – wenn der Patient nicht motiviert und instruiert ist, sind die Erfolgsaussichten gering. Nur gemeinsam mit dem Patienten können wir das Ziel der langfristigen Stabilität erreichen. Natürlich sehen wir auch Patienten mit einer unterdurchschnittlichen Mundhygiene, die frei von Infektionen sind; und es gibt die anderen, die eine gewissenhafte Mundhygiene betreiben und trotzdem erkranken. Dies ist vornehmlich, wie schon oben angesprochen, in der Genetik begründet. Mit dem Durchschnittspatienten jedoch können wir nur gemeinsam das Ziel erreichen. Deswegen werden unsere Patienten immer wieder mit geeigneten Mitteln remotiviert und instruiert. Durch das Anfärben der Zähne etwa können sie mit dem Spiegel in der Hand ihre Beläge und Entzündungen erkennen – so nehmen wir sie mit in der Therapie, was sehr wichtig ist.
Geben Sie Ihren Patienten spezielle Techniken oder Materialien für die häusliche Mundpflege oder handhaben Sie diese Mittel individuell?
Vöpel: Das ist individuell von Patient zu Patient verschieden. Natürlich kommt der Zahnzwischenraumhygiene eine besondere Bedeutung zu und in Abhängigkeit der Art der Zwischenräume werden die Interdentalraumbürstchen oder Superfloss in der entsprechenden Größe oder Stärke ausgesucht. Genauso unterschiedlich ist das Intervall, in dem die Patienten kommen. Abhängig von der Erkrankung und vom Mundhygienestatus haben wir Patienten, die wir alle drei Monate sehen, andere nur alle vier oder sechs Monate. Der Abstand zum nächsten Termin wird nach jeder Behandlung gemeinsam mit dem Patienten besprochen, der die Praxis dann auch direkt mit einem neuen Termin verlässt.
Angenommen, in Ihrer Praxis stellt sich ein neuer Patient mit einer fortgeschrittenen Periimplantitis vor. Wie gehen Sie dann vor? Ist der Prozess reversibel? Oder falls nicht, was würde als schlimmste Folge drohen?
Vöpel: Die schwerste Konsequenz einer fortgeschrittenen Periimplantitis wäre sicherlich die Explantation. Das wäre allerdings die Ultima Ratio, nachdem kein geeignetes chirurgisches Verfahren zur Beseitigung der Entzündung gefunden werden konnte. Dies ist unter Umständen möglich durch eine besondere Art der Implantatreinigung, gegebenenfalls auch über eine Korrektur der Weichgewebsverhältnisse.
Es gibt demnach an vielen Stellen die Möglichkeit, frühzeitig Einfluss zu nehmen auf die Implantatgesundheit. Unter der Voraussetzung, dass Chirurgie und Zahntechnik im Vorfeld optimale Bedingungen geschafft haben, wie sieht in Ihren Augen ein geeignetes Nachsorgekonzept aus?
Vöpel: Ganz entscheidend ist eine gute Betreuung der Implantatpatienten von Anfang an. Wie erwähnt, setzen wir in unserer Praxis ein Implantat nur, wenn der Mundraum des Patienten infektionsfrei ist und keine Parodontitis vorliegt. Darüber hinaus kommen unsere Patienten in regelmäßigen, ganz individuell festgelegten Abständen zu unseren Dentalhygienikerinnen. Diese motivieren und instruieren die Patienten oder, falls nötig, remotivieren und reinstruieren sie zur adäquaten Mundhygiene. Daneben führen wir regelmäßige Statusuntersuchungen durch, um eine mögliche Infektion festzustellen. Hierbei sondieren wir die Implantate und stellen durch eine eventuelle Erhöhung der Sondierungstiefen oder durch Entzündungsanzeichen wie Blutungen oder Exsudat fest, ob eine Entzündung vorliegt. So können wir rechtzeitig eingreifen, falls es doch zu einer Entzündung gekommen ist.
Eine Periimplantitis mit Implantatverlust kommt in unserer Praxis sehr selten vor. Dazu sei erwähnt, dass wir eher selten für Überweiser arbeiten und daher alle Patienten im Recall haben. Unseren Statistiken zufolge liegt das Risiko, dass ein Implantat bei der Einheilung verlorengeht, in unserer Praxis deutlich unter 0,5 Prozent. Meiner Erfahrung nach kann das Risiko eines Frühmisserfolges bei der entsprechenden Patientenselektion — und hier meine ich nicht den Ausschluss von Patienten, sondern die richtige Vorbehandlung und das richtige chirurgische Vorgehen — sehr gering gehalten werden. Viele Risiken lassen sich vermeiden, wenn man die bestehende Situation genau betrachtet, die richtigen Schlüsse daraus zieht und eine entsprechende Planung macht. Der vor einigen Jahren auf Kongressen häufig dramatisch angedrohte „Tsunami“ von periimplantären Entzündungen ist in unserer Praxis nicht eingetreten und auch in keiner anderen Praxis, die ich kenne und die ein gutes Mundhygienekonzept hat.
Grundsätzlich gilt: Vorbeugen ist besser als heilen. Es ist immer leichter, eine Periimplantitis zu verhindern, als sie zu behandeln.
Wodurch können sich Praxismitarbeiter die nötigen fachlichen Kompetenzen aneignen, um eine professionelle Nachsorge und Implantatpflege zu gewährleisten?
Vöpel: Zum einen gibt es die Zusatzqualifikation zur Zahnmedizinischen Prophylaxeassistentin, die bereits einen Teil des nötigen Wissens vermittelt. Die höchste Stufe der Qualifikation sowohl in Deutschlandals auch international ist die Ausbildung zur Dentalhygienikerin. Diese umfasst das besondere Wissen zum einen in der Früherkennung von sowohl parodontalen als auch implantären Infektionen, zum anderen in den Therapieansätzen. Beispielsweise dürfen sie eine Parodontitistherapie bis zu einer gewissen Scalingtiefe ausführen, was eine ZFA ohne Zusatzqualifikation nicht darf.
Als ich mich 1992 niedergelassen habe, mussten wir Dentalhygienikerinnen, teils mit erheblichem Aufwand, aus dem Ausland zu uns nach Remscheid holen. Neben Skandinavien und der Schweiz waren die USA Pioniere in diesem Bereich. Über den Dental Hygienist Placement Service kamen junge DH aus Amerika, die sich in der Praxis an vier Tagen pro Woche die Mittel verdienten, um ihren Trip durch Europa zu finanzieren. Im Vergleich zu diesen Ländern, die seit fast 100 Jahren auf dem Sektor der Prophylaxe aus- und fortbilden, ist Deutschland auch heute noch Entwicklungsland.
Die meisten Praxen haben vor noch nicht allzu langer Zeit begonnen, Prophylaxe zu etablieren. In unserer Praxis spielt Prophylaxe seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. Ich beschäftige mittlerweile zwei Dentalhygienikerinnen, eine nach Stuttgarter Modell ausgebildet, die andere in Berlin, sowie eine Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin. In unseren zwei Behandlungszimmern finden von morgens bis abends Betreuung, Prophylaxe und unterstützende Parodontaltherapie statt. Richtige Prävention mit gut ausgebildetem Personal ist das Schlüsselelement für eine erfolgreiche Nachsorge.
Aktionsbündnis gesundes Implantat