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"WK-Behandlung nach Möglichkeit vermeiden"

Münchner Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ)

Die Vorträge waren durchweg gut besucht. Das Bild zeigt nicht den gesamten Saal und wurde kurz vor Ende der Tagung aufgenommen.

„Do more to prevent endodontic therapy“. Laut Prof. Luc van der Sluis (Universität Nijmegen, Niederlande) betrifft eine irreversible Pulpitis häufig nur die Kronenpulpa. Solange der Biofilm das Wurzelkanalsystem nicht erreicht hat, sollte daher eine partielle Pulpotomie durchgeführt werden. In vielen Fällen sei zudem eine Pulpitis reversibel, so dass vollständig auf eine invasive endodontische Behandlung verzichtet werden könne.

Basis für die Empfehlung ist ein erweitertes Biofilm-Verständnis. Endodontische und endo-parodontale Gesundheit basieren laut Prof. Christine M. Sedgley (Universität Portland, USA) auf einem Gleichgewicht zwischen bakteriellem Angriff und Wirtsantwort, einschließlich lokaler am Knochenstoffwechsel beteiligter und systemischer Faktoren. Die Hochschullehrerin präsentierte in München die mehrjährige Krankengeschichte eines Patienten. Trotz adäquater orthograder und später retrograder Wurzelkanalbehandlung (bei externen Allgemeinzahnärzten und Spezialisten) trat eine Exazerbation mit extraoraler Fistelung auf. Erst eine weitere Revision durch Sedgley, mit Erneuerung der vorhandenen Teilkrone, sehr sorgfältiger Spülung mit NaOCl, EDTA und anschließender Einlage mit Ca(OH)2, war schließlich erfolgreich.

Abbau von Wurzeldentin

Gegenläufige Prozesse bei extern bedingten Resorptionen: Abbau von Wurzeldentin von der Innenseite, bei gleichzeitiger Anlagerung von Osteodentin (korallenartige Struktur). Das Ergebnis ist im Einzelfall offen, Zahnverluste sind häufig.

Hintergrund ist laut Sedgley, dass Bakterien wie Enterococcus faecalis auch unter vollständig anaeroben Bedingungen in endodontischen Isthmen, Seitenkanälen, Dentinkanälchen und möglicherweise sogar im periapikalen Gewebe überleben können. Letzteres sei aber noch nicht bewiesen. Die intensive Kommunikation unter Bakterien – auch unterschiedlicher Spezies – führe zum Beispiel dazu, dass im Wurzelkanal Antibiotikaresistenzen weitergegeben werden, bisher vor allem gegen Tetrazyklin. Ledermix sei deshalb nur aufgrund des enthaltenen Glukokortikoids wirksam ("I love it"), in den USA aber wegen möglicher Nebenwirkungen verboten.

Schmelz-Zementgrenze

Die Histologie zeigt den Infektionsort an der Schmelz-Zementgrenze (rechts oben), mit benachbartem heterogenem Osteodentin (links). Weiter apikal ist Dentinabbau zu erkennen, rechts unten Alveolarknochen.

Als Ursachen für extern bedingte Wurzelresorptionen nannte Prof. Paul Lambrechts (Universität Leuven, Belgien) unter anderem orthodontische Zahnbewegungen, parodontologische Bearbeitung der Wurzeloberflächen, traumatische Extraktionen und repetitives Pressen vor allem bei Musikern. Gemeinsam ist diesen Faktoren, dass durch sie Mikrorisse im Wurzelzement oder zervikalen Dentin an der Schmelz-Zement-Grenze entstehen können. In der Folge dringen Mikroorganismen in das Endodont und bilden dort virulente Biofilme. Odontoklasten im pulpalen Gewebe antworten mit Resorptionen an inneren, aber auch äußeren Oberflächen, sogar an Schmelz.

Lambrechts empfiehlt, das Endodont nach Möglichkeit von innen zu obturieren (zum Beispiel mit MTA), den Zahn von außen zu präparieren, mit NaOCl zu reinigen und mit Komposit aufzubauen. Weiterhin warnte er in München davor, bei Extraktionen Hebel so einzusetzen, dass sie Nachbarzähne schädigen und so Resorptionen auslösen können. Zahlen zur Häufigkeit extern bedingter Resorptionen nannte er nicht, Übersichtsarbeiten gibt es bei PubMed unter Orthodontie.

Behandlungsgerät

Die Industrie hatte viel Raum. Neben dem traditionellen Walkhoff-Preis der DGZ wurden in München eine ganze Reihe weiterer Preise verliehen (Wrigley Prophylaxe Preis, DGR2Z-Preise, GC und Heraeus Kulzer). Die Preisvolumina waren großzügig, ein Spiegel des erheblichen Industrie-Einflusses im Forschungsbereich. Ein neues Format ist die Freiburger Stiftungsprofessur für Kariesforschung (Colgate Palmolive Gaba), die Nadine Schlüter, bisher Gießen, im März 2015 angetreten hat.

Nach Auskunft des Zahnerhalters Prof. Gabriel Krastl, Nachfolger von Prof. Klaiber an der Uni Würzburg, führen unfallbedingte Traumata, vor allem Intrusionen, häufig zu kritischen externen Wurzelresorptionen. Diese würden häufig zu spät erkannt. Daher empfiehlt Krastl, der zuerst in Basel und seit 2014 in Würzburg ein interdisziplinäres Zahnunfallzentrum aufgebaut hat, bei hohem Resorptionsrisiko am Unfalltag oder am nächsten Tag zu trepanieren und zunächst eine kortikoidhaltige Paste einzubringen. Kalziumhydroxid-Einlagen könnten den Zahn verspröden und zu Frakturen führen, so dass sie maximal vier Wochen in situ bleiben sollten. Eine großartige, englischsprachige Informationsquelle zum Thema ist die Seite www.dentaltraumaguide.org/ (Prof. Jens Andreasen et al., Universität Kopenhagen).

Präventive Bemühungen beim Kleinkind haben wenig mit Wurzelfüllungen zu tun – anders bei der DGZ mit ihren Teilgesellschaften. Das ganze Spektrum auf einem Kongress zu bedienen, ist jedoch organisatorisch nicht möglich. So kam die Füllungstherapie einschließlich postendodontischer Restauration diesmal nur am Rande vor. Vielleicht ist das ein Zeichen, dass Zahnmedizin in Zukunft weniger restaurativ ausgerichtet sein wird.

Passend dazu war der Biofilm die große thematische Klammer. In Bezug auf Therapie-Entscheidungen scheint es dabei von hoher Relevanz, welche lokale und systemische Wirtsantwort zu erwarten ist. Bei der notwendigen klinischen und mikrobiologischen Diagnostik besteht sicher noch viel Entwicklungspotenzial – in allen Teildisziplinen der DGZ.