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Kinderbehandlung - der Einstieg ist entscheidend

„Das größte Problem bei der Kinderbehandlung ist die psychische Belastung der Kinder“, so Dr. med. Gisela Zehner, Fachzahnärztin für Kinderstomatologie, beim Kursus „Methoden für eine entspannte Kinderzahnbehandlung“, der Ende Januar 2022 in der Haranni Academie für Heilberufe GmbH in Herne stattfand. Daher sei der Aufbau eines empathischen Vertrauensverhältnisses (Rapport) mit kindgerechter Kommunikation und Verhaltensführung der Schlüssel zum Erfolg. Der Kursus beinhaltete den Rapportaufbau, die kindergerechte Kommunikation, Verhaltensführung, Akupressur und Kinderhypnose.

Zehner erklärte den Teilnehmern, wie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Sie vermittelte dabei nicht nur theoretisches Wissen, sondern zeigte anhand von Videos die Vorgehensweise und Erfolge von „Traumreisen“, Akupressur und Klopftechniken auf, die zum Teil auch in praktischen Übungen trainiert wurden, um das Gelernte direkt in der Praxis umsetzen zu können. Nachstehend ein kleiner Auszug ihrer Praxistipps zur Vertrauensbildung.

Kindgerechte Praxiseinrichtung

„Der erste Kontakt des Kindes mit der Zahnarztpraxis ist entscheidend“, so Zehner. Hierfür empfahl sie zunächst eine kindergerechte Praxiseinrichtung: „Gehen sie mit den Augen eines 4- bis 5-Jährigen durch die Praxis“, riet sie den Teilnehmern. Bei ihr steht beispielsweise für die kleinen Patienten statt des üblichen Behandlungsstuhls ein Kosmetikstuhl bereit, bei denen sich die „Gerätschaften“ hinter den Liegen in einem Schrank befinden und so vom Patienten nicht sofort zu sehen sind. Bei normalen Behandlungsstühlen empfiehlt sie, den Schwebetisch mit einem Tuch abzudecken und die Ansätze der Turbine etc. mit Fingerpüppchen zu kaschieren.

Handpuppe zur Begrüßung

Eine entspannte Praxisatmosphäre schafft Zehner schon zu Beginn der Behandlung, indem eine Handpuppe (bei ihr der Affe „Bimbo“) das Kind begrüßt und dann in ein Rollenspiel integriert wird: Das Kind übernimmt zunächst die Rolle des Zahnarztes und schaut mit dem Spiegel nach, ob die Handpuppe ihre Zähne gut geputzt hat. Bimbo kann noch sehr müde sein oder Angst haben und den Mund zunächst nicht aufmachen.

Wenn das Kind dann mit der „Kontrolle“ fertig ist, darf die Handpuppe nachschauen, ob das Kind gut geputzt hat. Hat sich der kleine Patient an diese Vorgehensweise gewöhnt, fordert er dieses Begrüßungsritual eventuell bei jeder Kontrolle ein. Dieses Vorgehen, das zunächst zeitaufwendig erscheint, sorgt laut Zehner dafür, dass das Kind bei allen weiteren Terminen bereitwillig eine Untersuchung zulässt. „Behandlungsrituale vermitteln den Kinder Konstanz und Sicherheit, so entsteht eine vertraute Atmosphäre“, betont sie.

Authentisch bleiben

„Im Umgang mit Kindern ist Authentizität enorm wichtig“, so die Referentin und riet, immer ehrlich und authentisch zu sein, auch wenn dies bedeutet, die Behandlung nicht vollständig durchführen zu können. Wenn sich ein Kind verweigert, könnte man ihm beispielsweise sagen: „Ich glaube, du hast heute keinen guten Tag. Wir machen heute nur die Fluoridbehandlung. Den Rest machen wir bei einem neuen Termin.“ So fühlt sich das Kind gesehen und respektiert.

Auch müssen laut Zehner Worte, Sprachmelodie, Mimik und Körpersprache die gleiche Botschaft vermitteln. Denn was wir denken, drückt sich in unserer Körpersprache und Stimmlage aus – und negatives Denken überträgt sich auf das Kind: „Kinder können Gedanken lesen!“ Inkongruenz werde von Kindern besonders schnell bemerkt und als Unstimmigkeit bis hin zur Verlogenheit erlebt. Dies wiederum empfinden sie als Gefahr und entwickeln Angst.

Unbelastet in die Behandlung

Nach einer schwierigen Behandlung eines Kindes kann es passieren, dass die assistierende Mitarbeiterin beim nächsten Termin wieder zur Assistenz eingeteilt wird und bemerkt, dass sie noch eine Abneigung gegen das Kind hat. In diesem Fall sollte sie eine „unbelastete“ Mitarbeiterin bitten, die Assistenz zu übernehmen, und dem Kind somit eine neue Chance geben. „Die Situation der schwierigen Behandlung kann die betroffene Mitarbeiterin nicht einfach vergessen“, erklärte Zehner, „aber sie soll auch nicht im gesamten Team zum Gesprächsthema werden, wenn das Kind zum nächsten Termin einbestellt ist.“

Wichtig: die W-Fragen

Die Referentin gab weitere Tipps zur Kommunikation: Während der Behandlung sollte nur mit dem Kind gesprochen werden, die Eltern/Begleitpersonen sollen nur zuhören. Wichtig sind dabei die W-Fragen: Was machst du? Wie machst du das? Wann hast du …? Welche …? Auf diese Fragen antworten Kindern mit ganzen Sätzen statt nur mit einem Ja oder Nein.

Bei Kindern vor dem 4. bis 5. Lebensjahr sind Zeitbegriffe wie „früher“, „später“ oder „nachher“ zu vermeiden; sie werden von dem Kind noch nicht sinngemäß verstanden. So kann beispielsweise der Satz „Du kannst nachher weiterspielen“ einen Trotzanfall auslösen, denn hier kommt wahrscheinlich nur die Nachricht an, dass nicht weitergespielt werden darf.

Positive Assoziationen

Sie empfahl auch, Worte mit positiven Assoziationen zu verwenden: Aus dem Behandlungsstuhl wird beispielsweise ein Königsthron oder ein gemütlicher Liegestuhl, und die Lampe leuchtet wie die Sonne im Urlaub. Verneinungen und Negativsätze sollten vermieden werden. Bei Sätzen wie „Du brauchst keine Angst zu haben“ oder „Es ist nicht so schlimm“ – fokussiere sich das Kind auf das Negative.

„Unser Gehirn speichert in Bildern. Werden falsche Bilder aktiviert, entstehen Assoziationen, die das Gegenteil von dem bewirken, was durch die Negation bezweckt wurde“, erklärt Zehner. Stattdessen sollten positive Formulierungen eingeübt werden wie „Lass alles ganz locker und entspannt“ oder „Atme tief ein und aus, dann spürst du nur ein Kitzeln“.

Kinder in die Behandlung einbeziehen

Der Rapport wird auch gefördert, wenn der kleine Patient in die Behandlung einbezogen wird und mitentscheiden darf, so Zehner. So bewirkt schon die Frage „Was stört dich denn?“, dass das Kind registriert: Der Behandler merkt, dass es mir nicht gut geht, und meine Stimmungslage wird berücksichtigt. Das gibt dem Kind das Gefühl, die Behandlung selbst mitbeeinflussen zu können, und stärkt sein Selbstwertgefühl. Dazu gehören auch Fragen, die ein Ziel vorgeben: „Soll Mama dich auf den Schoß nehmen oder möchtest du auf den Behandlungsstuhl?“ Vorgegeben ist damit, dass das Kind sich auf jeden Fall für die Behandlung hinsetzt.

Im Vordergrund steht die nonverbale Kommunikation

Allerdings steht bei der Kinderbehandlung die nonverbale Kommunikation im Vordergrund, betonte die Referentin. Würden die Kinder von ihren Eltern an Bauch, Brust oder Kopf berührt und gehalten, gibt ihnen dies das Gefühl von Schutz und Sicherheit. Dieser Körperkontakt ist während der gesamten Kinderzahnbehandlung aufrecht zu halten – was auch durch den Behandler und/oder die ZFA erfolgen kann.

„Die Eltern werden in der Regel aktiv zur Akupressur mit herangezogen, indem sie die Akupunkturpunkte am Handgelenk zur Beruhigung und gegen Schmerzen akupressieren - das kommt dem Bedürfnis des Kindes entgegen, während der Behandlung Händchen zu halten“, erläuterte Zehner. In besonders schwierigen Fällen, zum Beispiel wenn die Eltern selbst Angstpatienten sind und sich bei zu großer Nähe ihre Angst auf das Kind übertragen könnte, sollten sie am Fußende Platz nehmen, dem Kind die Füße massieren und dabei die relevanten Akupunkturpunkte am Fuß akupressieren. Bei extremen Eltern-Kind-Beziehungen, die den Behandlungsverlauf beeinträchtigen, kann auch eine andere Begleitperson (Oma, Opa, Tante etc.) sinnvoll sein.

Akkupressur beruhigt

Akupressur am Kopf und am Handgelenk unterstützt die nonverbale Kommunikation. Vom Behandlungsteam soll dabei beruhigend mit den kleinen Patienten gesprochen werden – ganz langsam und mit ruhiger und tieferer Stimme (Trancestimme).

Zehner war froh, dass unter den Teilnehmern auch Mitglieder des Praxisteams waren: „Wenn das Seminar vom gesamten Praxisteam besucht wird, gelingt es schnell und leicht, die Inhalte später auch in der Praxis umzusetzen.“

Titelfoto: hedgehog94 - stock.adobe.com