Patienten haben 30 Prozent weniger schwere Nebenwirkungen, wenn die Medikamentendosis auf ihre DNA abgestimmt ist. Das hat ein internationales Konsortium unter der Leitung des Leiden University Medical Center (LUMC) herausgefunden. Von deutscher Seite war auch das Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie (IKP) am Bosch Health Campus in Stuttgart beteiligt. Die in der Zeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Studie ist die erste, die den klinischen Nutzen von genetischen Informationen zur Vermeidung von Arzneimittelnebenwirkungen belegt.
Um diese zu ermöglichen, haben die Forscher einen „DNA-Medikamentenpass“ entwickelt, der die genetische Ausstattung von Patienten mit Medikamenten verknüpft. Die „Lancet“-Studie ergab, dass Patienten, die den Medikamentenpass aktiv nutzen und deren Dosis entsprechend ihrer DNA angepasst war, 30 Prozent weniger schwerwiegende Nebenwirkungen hatten als solche, denen eine Standarddosis verschrieben worden war.
Patienten nehmen DNA-Medikamentenpass gut an
Rund 7.000 Patienten aus sieben europäischen Ländern haben an der Studie teilgenommen, die verschiedene medizinische Bereiche berücksichtigte, wie die Onkologie, Kardiologie, Psychiatrie und Allgemeinmedizin. Die Forschenden untersuchten zwölf ausgewählte Gene, für die bereits ein Zusammenhang mit Medikamenten bekannt war. Es zeigte sich, dass 50 Arten von Genvarianten die Wirkung von 39 ausgewählten Medikamenten beeinflussen.
Nach der Verschreibung der Medikamente wurden die Patienten weiter begleitet, um eventuelle Nebenwirkungen wie Muskelschmerzen, Blutbildveränderungen, Durchfall oder Infektionen zu erfassen. Diejenigen, die eine an ihre spezifischen Erbinformationen angepasste Dosierung erhielten, zeigten weniger Nebenwirkungen. Die Verwendung eines DNA-Medikamentenpasses wurde von den Patienten zudem positiv aufgenommen, weil sie das Gefühl hatten, aktiv an ihrer Behandlung beteiligt zu sein.
DNA-Medikamentenpass als neuer Standard?
„Zum ersten Mal haben wir gezeigt, dass eine ‚maßgeschneiderte‘ Strategie in großem Maßstab in der klinischen Praxis funktioniert. Wir haben nun genügend Belege, um mit der Umsetzung zu beginnen“, sagt Henk-Jan Guchelaar vom LUMC. Matthias Schwab, Leiter des IKP am Bosch Health Campus ergänzt: „Die Studie belegt, dass eine genetische Testung zur Vermeidung von Nebenwirkungen von Ärzten, der beteiligten Apotheker und vor allem von Patienten sehr gut angenommen wird.“
Mit dem Pass können Ärzte ihre Patienten künftig individualisiert behandeln, das heißt eine auf sie zugeschnittene Dosierung der Medikamente auswählen. Die Forschenden gehen davon aus, dass eine Übernahme der Kosten für personalisierte Arzneimitteltherapien durch die Krankenkassen aufgrund der Studienergebnisse erleichtert wird. „Auf diese Weise können wir die Behandlung für jeden Einzelnen wirksamer und sicherer machen“, so Guchelaar.
Die Studie wurde durch einen Zuschuss des Programms Horizont 2020 der Europäischen Kommission finanziert (Nr. 668353). Originalpublikation
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