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Die erstaunliche Anti-Karies-Wirkung von Hydroxyapatit

Eine Werbekampagne trug wesentlich dazu bei, dass sich tägliches Zähneputzen kulturell etabliert hat.


 

In jedem Fachgebiet der Wissenschaft gibt es einen kleinen Pool an Veröffentlichungen, auf die bis heute in aktuellen Publikationen immer wieder rekurriert wird. Aristoteles in der Philosophie, Darwin in der Evolutionsbiologie, Einstein in der Physik – und das setzt sich vom Stamm der großen Wissenschaft bis in die feinsten anwendungsorientierten Verästelungen fort.

So zählt die Veröffentlichung aus den 1980er Jahren von Kani et al.zum Pool der einflussreichsten Publikationen im kleinen Bereich der Hydroxyapatit-Zahncremes. In dem gleichen Zeitraum wurde eine ähnliche Studie von Shimura et al. durchgeführt, diese ist jedoch zurzeit nur auf Japanisch verfügbar.

Doch was heißt hier „klein“? Wer eine wirkungsvolle Unterstützung der Mundhygiene zur Vermeidung von Karies zur Verfügung stellt, leistet immerhin einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen eine der am weitesten verbreiteten Volkskrankheiten! Was also haben Kani et al. (und Shimura et al.) herausgefunden?

Grundlegende Studien mit ­bleibender Bedeutung

Es handelt sich bei beiden Studien um In-vivo-Feldforschungen. Sie wurde bereits in den 1980er Jahren mit japanischen Schulkindern durchgeführt, und zwar mit dem Ziel, die Entwicklung von Karies bei täglicher Anwendung einer Zahnpasta mit einem speziellen Hydroxyapatit (, Sangi Co., Ltd., Tokyo) zu untersuchen.

Die dreijährige Kani-Studie wurde mit 181 Kindern als Probanden von der Asahi University School of Dentistry (ehemals Gifu University) durchgeführt, die einjährige Shimura-Studie mit 510 Kindern von der Tokyo Medical and Dental University.

Bis zu 56 Prozent weniger Neukaries

Zur Gesamtbewertung der beiden Studien gehört, ohne an dieser Stelle bis ins kleinste Detail gehen zu wollen, auch die Anmerkung: Das Studien-Design würde heute, nach dreißig Jahren wissenschaftlichem Fortschritt und dreißig Jahre längerer Erfahrung mit Hydroxyapatit-Zahncremes, womöglich anders aussehen.

Was aber bleibt, sind die im 1- bis 3-jährigen Zeitraum gewonnenen klaren Ergebnisse: zwischen 17 und 56 Prozent weniger Neukaries bei Anwendern der Hydroxyapatit-Zahncreme im Vergleich zur Kontrollgruppe. Diese klinischen Resultate und weitere Testergebnisse aus zehnjährigen Laboruntersuchungen führten schließlich 1993 in Japan zur offiziellen Zulassung von als Anti-Karies-­Wirkstoff.

Inspizieren und dokumentieren

Inspizieren und dokumentieren sind das A und O: Momentaufnahme während einer der seit den 1980er Jahren und bis heute vielzitierten Grundlagenstudien zur Anti-Karies-Wirkung von Hydroxyapatit.

Weitere wissenschaftliche ­Erkenntnisse zu Hydroxyapatit

In weiteren Studien (1, 2) mit speziellen Formulierungen stellte sich heraus: Zusätzlich zu den geglätteten Zahnoberflächen, die es Plaque erschweren sich anzulagern, heften sich die eingesetzten Hydroxyapatit-Partikel sowohl an Bakterien als auch an Plaque. Damit wird deren Adhäsion an den Zahnoberflächen verhindert, und der Patient hat es leichter, den Belag inklusive Mikroorganismen einfach herauszuspülen.

Interessant: Hydroxyapatit scheint die einzige Kalziumphosphatverbindung zu sein, die diesen Effekt aufweist, und das oben erwähnte zeigte eine bessere Wirkung als andere Formen von Hydroxyapatit.

Noch interessanter ist die Frage, ob und wie sich kariöse Initialläsionen womöglich durch Remineralisierung rückgängig machen lassen. Dazu gibt es neben einer Reihe von In-vitro-Untersuchungen auch eine In-situ-Studie unter Verwendung von . Demnach konnte dieses Hydroxyapatit demineralisierte Zahnschmelzflächen unterhalb der Oberfläche remineralisieren. Ebenso konnte sowohl bei „White-Spot“-Läsionen als auch bei Karies im Anfangsstadium eine wirksame Bekämpfung erzielt und der Zahnschmelz nahezu vollständig wieder in den Ausgangsstatus zurückversetzt werden.

Nicht abrasiv – aber natürlich ­aufhellend

Überrascht haben dürfte so manchen, dass auch zahnaufhellend wirkt. Denn dabei denkt man automatisch an sogenannte Whitening-Zahncremes mit einer hohen Abrasivität oder zugesetzten Bleichmitteln.

Dem aufhellenden Effekt von liegt aber ein anderer Mechanismus zugrunde: seine zahnschmelzremineralisierende Wirkung. Sie gibt dem Schmelz seine ursprüngliche Transparenz zurück. So tritt die Färbung des darunterliegenden Dentins wieder deutlicher zutage, und der betreffende Zahn kann seine ästhetische Wirkung aus der Tiefe heraus entfalten.

Zunehmende Verbreitung außerhalb Japans

Angesichts der vielen durch Studien belegten Vorteile mag man sich wundern, warum -Zahnpasten nicht schon viel früher auch in Europa breit verfügbar waren (Die ersten Hydroxyapatit-Zahnpasten sind in Europa erst um etwa 2005 erschienen.) Es war schlichtweg so, dass diese revolutionäre Zahnpasta in Japan so erfolgreich war, dass sich Sangi zunächst nur auf das Inlandsgeschäft konzentriert hat. Und da die originale Literatur anfangs fast nur auf Japanisch veröffentlich wurden, hat es mehr als 20 Jahre gedauert, bis sich das Konzept von Hydroxyapatit-Zahnpasta weltweit verbreitet hat.

Nun aber haben die entsprechenden Produktlinien (Apagard, Apadent, Sangi) auch den großen Schritt in den Rest der Welt getan. Die wissenschaftliche Evidenz und die zunehmende Anzahl englisch- und auch deutschsprachiger Studien spricht dafür, dass sie dort künftig eine deutlich größere Rolle spielen könnten.

Dr. Christian Ehrensberger, Frankfurt am Main