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Ist Karies im Milchgebiss noch ein Thema?

Abb. 4: Schwere Form der Frühkindlichen Karies (ECC) mit zahlreichen tief zerstörten Zähnen, die wie hier nicht nur an den Oberkieferfrontzähnen, sondern auch an den Milchmolaren auftrifft. Zum Teil sind wie an den Zähnen 65 und 51 bereits Abszedierungen zu befunden. Der Gebisszustand kann abhängig von der Kooperation des Kindes eine Zahnbehandlung in Narkose indizieren.

Abb. 4: Schwere Form der Frühkindlichen Karies (ECC) mit zahlreichen tief zerstörten Zähnen, die wie hier nicht nur an den Oberkieferfrontzähnen, sondern auch an den Milchmolaren auftrifft. Zum Teil sind wie an den Zähnen 65 und 51 bereits Abszedierungen zu befunden. Der Gebisszustand kann abhängig von der Kooperation des Kindes eine Zahnbehandlung in Narkose indizieren.

Die Kariesrückgänge in der bleibenden Dentition bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen sind in den letzten Jahrzehnten in Deutschland laut aktuellen Studien (etwa Deutsche Mundgesundheitsstudie, DAJ-Studie, Study of Health in Pomerania) zur Kariesprävalenz und -erfahrung enorm. Diese Verbesserungen der Mundgesundheit zeigen, dass die Kariesprävention in der permanenten Dentition bei Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen eine Erfolgsgeschichte darstellt. Doch wie sieht dies fürs Milchgebiss aus?

Hierzu gibt die aktuelle, im Auftrag der DAJ (Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege) durchgeführte Studie mit dem Schwerpunkt Milchgebiss Auskunft.

Kariesepidemiologie – Ergebnisse der aktuellen DAJ-Studie

Bereits seit 1994 werden in regelmäßigen Abständen in den Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe (DAJ-Studie) die Kariesprävalenz und Karieserfahrung (dmft/DMFT)* von Kindern in Deutschland in den verschiedenen Bundesländern erfasst. Für den Untersuchungszeitraum 2015/16 wurden dazu bundesweit unter anderem die 6- bis 7-Jährigen in der 1. Klasse untersucht. Fakultativ konnten zudem erstmalig in mehr als der Hälfte der Bundesländer die 3-Jährigen in Kindertagesstätten erfasst werden. Bundesweit wurden im Schuljahr 2015/16 für diese Studie außerordentlich viele Kinder untersucht.

DAJ-Studie 2016: untersuchte Kinder pro Altersstufe

3-Jährige                        

95.127

6 bis 7-Jährige,
1. Klasse                         

151.555

Tabelle 1: Anzahl der bundesweit in den Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe (DAJ-Studie) für das Milchgebiss relevante untersuchte Altersgruppen: 3-Jährige und 6- bis 7-Jährige

* = Der mittlere dmft-Wert gibt die durchschnittliche Zahl kariöser, fehlender und gefüllter Zähne pro Kind in einer untersuchten Gruppe an. Für das Milchgebiss wird die Schreibweise „dmft“ verwendet, für die bleibende Dentition „DMFT”. Mit Hilfe dieses Index wird somit die Karieserfahrung angegeben. Der mittlere dmft oder DMFT zeigt also den Grad der Zahngesundheit einer Gruppe an.

Abb. 1: Prävalenz von Karies im Milchgebiss (dmft > 0) und eines hohen Schweregrades von Milchgebisskaries (dmft ≥ 4) bei 3-Jährigen

Abb. 1: Prävalenz von Karies im Milchgebiss (dmft > 0) und eines hohen Schweregrades von Milchgebisskaries (dmft ≥ 4) bei 3-Jährigen

3-Jährige in Kindertagesstätten

Die 3-Jährigen in Kindertagesstätten wiesen eine mittlere Karieserfahrung von 0,5 dmft auf, wobei 86 Prozent der Kinder auf Defektniveau kariesfrei (dmft = 0) waren. So betrug die mittlere Karieserfahrung der Kinder mit Karieserfahrung (Kinder mit dmft > 0) bereits 3,6 dmft. Zudem waren etwa drei Viertel der kariösen Milchzähne bei den 3-Jährigen offene kariöse Defekte, also nicht sanierte Kavitäten (Team DAJ 2017).

mittlere Karieserfahrung in Deutschland

0,5 dmft

mittlere Karieserfahrung abhängig vom Bundesland

0,4-0,6 dmft

Anteil der Kinder mit Karieserfahrung auf Defektniveau (dmft>0)

14%

Anteil der Kinder mit hoher Karieserfahrung auf Defektniveau (dmft≥4)

5%

Anteil unsanierter kariöser Milchzahndefekte

74%

mittlere Karieserfahrung der Kinder mit Karieserfahrung (Kinder mit dmft>0)

3,6 dmft

Tabelle 2: Hauptergebnisse der Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016 bei 3-Jährigen in Kitas (Datenquelle: Team DAJ 2017)

Abb. 2: Milchgebisskaries bei 6- bis 7-Jährigen der 1. Klasse in Deutschland

Abb. 2: Milchgebisskaries bei 6- bis 7-Jährigen der 1. Klasse in Deutschland

6- bis 7-Jährige in der 1. Klasse

Die 6- bis 7-Jährigen in der ersten Klasse wiesen eine mittlere Karieserfahrung von 1,7 dmft auf, wobei etwa 56 Prozent der Kinder auf Defektniveau kariesfrei (dmft = 0) waren (Abb. 2). Jedoch betrug die mittlere Karieserfahrung des Drittels der Kinder mit der höchsten Karieserfahrung (SiCdmft) sogar 4,8 dmft. Zudem waren etwa 43 Prozent der kariösen Milchzähne bei den 6- bis 7-Jährigen nicht saniert (Team DAJ 2017).

mittlere Karieserfahrung in Deutschland

1,7 dmft

Wertebereich der mittleren Karieserfahrung auf Bundeslandebene

1,4-2,3 dmft

Kinder mit Karieserfahrung im Milchgebiss auf Defektniveau (dmft>0)

44%

Anteil der nicht sanierten kariösen Milchzahndefekte

43%

SiCdmft (mittlere Karieserfahrung des Drittels der Kinder mit höchster Karieserfahrung)

4,8 dmft

Tabelle 3: Hauptergebnisse der Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016 bei 6- bis 7-Jährigen in 1. Klassen (Datenquelle: Team DAJ 2017)

Abb. 3: Frühkindliche Karies (ECC) an den Oberkieferfrontzähnen

Abb. 3: Frühkindliche Karies (ECC) an den Oberkieferfrontzähnen

Was bedeuten diese Werte?

Im Milchgebiss sind in den letzten Jahren eher stagnierende Karieswerte auf zu hohem Niveau zu verzeichnen. Bereits 3-Jährige weisen aktuell durchschnittlich einen halben kariösen Zahn auf, was einen hohen mittleren dmft für diese Kleinkinder bedeutet. Klinisch tritt dies meist als Frühkindliche Karies (ECC) in Erscheinung und betrifft zunächst die Oberkieferfrontzähne (Abb. 3).

Bei bestehender unzureichender Mundhygiene und bei weiterer hochfrequenter Zuckeraufnahme etwa über eine Nuckelflasche kann dies zu schweren Formen der ECC fortschreiten (Abb. 4), die oftmals nur in Narkose behandelt werden können. Auch die Karieswerte der 6- bis 7-Jährigen liegen im internationalen Vergleich beispielsweise höher als in Dänemark, England oder Frankreich. Zudem ist der Sanierungsgrad mit nur knapp der Hälfte der betroffenen Milchzähne insgesamt unbefriedigend niedrig und betrifft nicht selten die schwieriger zu versorgenden Approximalflächen der Milchmolaren (Abb. 5).

Abb. 4: Schwere Form der Frühkindlichen Karies (ECC) mit zahlreichen tief zerstörten Zähnen, die wie hier nicht nur an den Oberkieferfrontzähnen, sondern auch an den Milchmolaren auftrifft. Zum Teil sind wie an den Zähnen 65 und 51 bereits Abszedierungen zu befunden. Der Gebisszustand kann abhängig von der Kooperation des Kindes eine Zahnbehandlung in Narkose indizieren.

Abb. 4: Schwere Form der Frühkindlichen Karies (ECC) mit zahlreichen tief zerstörten Zähnen, die wie hier nicht nur an den Oberkieferfrontzähnen, sondern auch an den Milchmolaren auftrifft. Zum Teil sind wie an den Zähnen 65 und 51 bereits Abszedierungen zu befunden. Der Gebisszustand kann abhängig von der Kooperation des Kindes eine Zahnbehandlung in Narkose indizieren.

Es besteht Verbesserungsbedarf

Mit einer Prävalenz von Milchzahnkaries bei etwa jedem siebtem 3-Jährigen und etwa jedem zweiten Erstklässler bei zugleich sehr niedrigem Sanierungsgrad besteht aktuell in Deutschland ein deutlicher Verbesserungsbedarf in der Prävention und der Behandlung von Karies im Milchgebiss.

Abb. 5: Zahlreiche, klinisch deutlich sichtbare, nicht sanierte approximale kariöse Läsionen an den Milchmolaren bei einem 6-jährigen Kind sind aktuell in Deutschland keine Seltenheit.

Abb. 5: Zahlreiche, klinisch deutlich sichtbare, nicht sanierte approximale kariöse Läsionen an den Milchmolaren bei einem 6-jährigen Kind sind aktuell in Deutschland keine Seltenheit.

DAJ-Studie

Das Gutachten „Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016“ wurde im Auftrag der DAJ (Bonn) erstellt und vom Team DAJ in Greifswald (ZA Roger Basner, OÄ Dr. Ruth M. Santamaría, Dr. Julian Schmoeckel, Dr. Elisabeth Schüler und Prof. Dr. Christian H. Splieth), unter Mitarbeit von Bettina Berg, DAJ Bonn, und PD Dr. Siegfried Gabler, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (Mannheim), und den 17 Landesarbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege durchgeführt. Das Team DAJ der Universität Greifswald übernahm erstmalig für 2015/2016 im Auftrag der DAJ die wissenschaftliche Leitung der Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe.        

Das gesamte Gutachten zu den „Epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016“ ist online abrufbar.