Slow-down in Deutschland. Viele Geschäfte geschlossen. Schulen zu. Homeoffice als Arbeitsplatz. Offen sind weiterhin die Zahnarztpraxen. Praxen von Ärzten, die also genau da arbeiten, wo sich das Virus ausbreitet. Praxen, die kaum über geeignete Schutzausstattung verfügen. Praxen, die vermutlich trotz der Bemühungen der Standespolitik, hier beim BMG für Nachschub zu sorgen, weiter warten werden.
Ein namentlich nicht genannter Zahnarzt klagt in der „FAZ“: „Die Ärzte, die die Rachenabstriche bei Verdachtsfällen nehmen, sind in voller Schutzmontur. Wir Zahnärzte haben täglich Kontakt mit diesem empfindlichen Bereich. Der dünne Papiermundschutz schützt nachweislich nicht gegen das Virus. Wir brauchen eine klare Ansage seitens der Politik. Es kann nicht sein, dass wir normal weiterbehandeln.“ Damit steht der anonyme Zahnarzt nicht alleine. Binnen weniger Tage haben mehr als 60.000 Personen die Petition „Bundesweite Schließung von Zahnarztpraxen zur Eindämmung des Coronavirus!“ unterzeichnet (Stand: 24. März 2020).
Die meisten Zahnarztpraxen arbeiten mit GKV-Zulassungen, das bedeutet in normalen Zeiten, dass sie einen Versorgungsauftrag für die GKV-Patienten haben, dem sie nachkommen müssen. Aber was ist in diesen Tagen schon normal?
Viele Länder haben die zahnärztliche Versorgung bereits auf Notfallbehandlung zurückgefahren, etwa Frankreich, Dänemark und die Schweiz. Die amerikanische Dental Association gibt ebenfalls diese Empfehlung ab. Die in Deutschland tätigen Unternehmen DentaDox, European Dental Group und KonfiDents halten zwar ihre Praxen offen, behandeln aber nur noch nach ihren Notfallplänen.
Die Standesvertretungen – Zahnärztekammern, BZÄK, KZVen, KZBV – sind hier in der Zwickmühle. Schließungen können sie nicht veranlassen. Entschädigungspflichtige Schließungen können nur von den Gesundheitsbehörden veranlasst werden. Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV: „Wir werden unsere Aufgabe als Heilberuf auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten verantwortlich wahrnehmen und alles Erdenkliche tun, um die zahnärztliche Versorgung trotz der fortschreitenden Ausbreitung von SARS-CoV-2/COVID-19 sicherzustellen. Das Wohl und die Zahngesundheit unserer Patientinnen und Patienten stehen dabei im Fokus aller Anstrengungen. Gleichzeitig müssen wir für unsere Gesundheit und die unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung tragen, um die Versorgung aufrecht erhalten zu können.“ KZBV und BZÄK haben dazu umfassende „Maßnahmen der Zahnärzteschaft für die Aufrechterhaltung der Versorgung“ publiziert.
ZK BW und KZV BW mahnen in einem Brief an alle Zahnärzte im Bundesland: „Besonders ernüchternd ist die Erkenntnis, dass die Rolle der Zahnmedizin für die Bevölkerung und unsere spezielle Bedrohungslage durch Aerosole völlig unterschätzt wurde.“ Trotzdem sehen sie die Zahnärzte weiterhin in der Versorgungspflicht.
Ganz anders sieht das Prof. Dr. Julia Gokel, Fachanwältin für Medizinrecht und Professorin an der SRH Hochschule in Heidelberg: „Die Zahnärzte werden in dieser schweren Krise sich selbst überlassen. Die Zahnärzte und deren Angestellte sind weiterhin einem extrem hohen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt und können zudem zur Weiterverbreitung des Virus beitragen. Mit dem Argument, als Leistungserbringer im Gesundheitswesen unterlägen die Zahnärztinnen und Zahnärzte dem sozialversicherungsrechtlichen ‚Sicherstellungsauftrag‘ lässt sich dieser schwerwiegende Eingriff in die Grundrechte der Behandler aus Artikel 2 II GG (Leben und körperliche Unversehrtheit) nicht mehr rechtfertigen. Die ärztliche Behandlungspflicht wird hier in verfassungswidriger Weise überspannt.“