Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen ergeht mit Blick auf die täglich neuen Meldungen, Richtigstellungen, Spekulationen und den immer häufiger – von unterschiedlichsten Seiten – vorgebrachten Verschwörungstheorien, was denn nun in Corona-Zeiten das Beste für uns alle ist. Gerade führt das Bundesland Thüringen den aktuellen Diskussionsreigen mit einer mehr oder weniger kompletten Lockerung an …
In jeder Krise gibt es selbstverständlich einen Punkt, an dem man über einen Exit nachdenken muss. Bezogen auf die Zahnärzteschaft beziehungsweise die zahnärztliche Selbstverwaltung findet gerade ein mehr als deutliches Umdenken statt, was Art und Umfang gestatteter, ja sogar wünschenswerter zahnärztlicher Behandlungen angeht.
Die Kerntugenden zahnärztlichen Handelns
Zwar sind kritische Begleitumstände wie Aerosole, ihr Verbleiben in der Luft und die damit potenziell verbundene Infektionsgefahr noch nicht abschließend geklärt, dafür aber besinnt man sich auch auf offizieller Seite endlich der Kerntugenden zahnärztlichen Handelns, etwa der Einhaltung sehr hoher, wenn nicht (verglichen mit vielen anderen medizinischen Disziplinen) maximaler Hygienestandards. Handschuhe und Mundschutz sind mit dem Bild des Zahnarztes fest verknüpft und stehen stellvertretend für eine hohe Versiertheit im Umgang mit Maßnahmen der Hygiene – zum Schutz von Behandler, zahnärztlichem Team und Patienten.
In der ambulanten Versorgung kann dies wohl kaum eine andere medizinische Fachrichtung in dieser Professionalität vorweisen. Aber auch eine andere Kerntugend zahnärztlichen Handelns, der die Anerkennung als systemrelevant durch das kurzsichtige, wenn nicht blinde Berliner Auge zwar bisher versagt wurde, wird in ihrer Bedeutung endlich (wieder)erkannt: Zahnärztliche Prävention und im Ergebnis orale Fitness schützt den Gesamtorganismus – und macht ihn damit widerstandsfähiger gegen Infektionen.
Langsames Herantasten und bittere Rückschläge
Diese beiden Punkte sind an sich Selbstverständlichkeiten, die aber scheinbar gerade deshalb irgendwann nicht mehr bemerkt, geschweige denn in politischen Diskussionen argumentiert werden. Anders als die zahnmedizinisch und medizinisch längst durch zig Studien hinlänglich erwiesenen Vorteile zahnmedizinischer Prävention musste die Standes-, vor allem aber die Gesundheitspolitik, quasi Neuland betreten. Derartige Erfahrungen konnten bisher – zum Glück – ganz einfach nicht gemacht werden.
Deshalb mutet es manchmal an wie ein langsames Herantasten an unterschiedliche Optionen, um beispielsweise die größten finanziellen Einbußen durch die Corona-Krise wenigstens abzudämpfen. Geprägt sind diese Versuche bisher von einigen (bitteren) Rückschlägen, an erster Stelle sicher der zusammengeklappte Rettungsschirm für die Zahnärzteschaft.
Kein Grund, Zahnarztbesuch aufzuschieben
Aber auch Erfolge lassen sich präsentieren. Etwa bei der Beseitigung der Unsicherheiten und Missverständnisse in Bezug auf den Anspruch auf Kurzarbeitergeld, oder – ganz aktuell – in der Absage an die Krankenkassen, die den 90-prozentigen Abschlag auf Basis der Vergütungen 2019 gerne als automatischen Budgetdeckel interpretiert hätten. Hier hat sich das Bundesgesundheitsministerium glücklicherweise und völlig zurecht der Deutung durch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung angeschlossen und den Kassentraum einer Budgetdeckelung vorzeitig beendet.
Es wird sicher nicht das letzte Scharmützel gewesen sein, dass uns dieses Jahr noch bringen wird. Denn alles deutet bislang darauf hin, dass uns die Corona-Pandemie noch länger begleiten wird. Angesichts einer noch nicht kalkulierbaren Krisendauer kommt es jetzt darauf an, den Patienten zu signalisieren, wie wichtig vorbeugender Gesundheitsschutz gerade in Pandemie-Zeiten ist – und ihnen vor allem klarzumachen, dass es keinen wissenschaftlich belegten Grund gibt, den nächsten Zahnarztbesuch aufzuschieben.