Oralmedizin kompakt: Frisches Wissen für Ihre Praxis
Für Ihre Patienten wollen Sie auf dem Laufenden bleiben. Welche Methoden funktionieren – und sind möglichst mit Studien abgesichert? Welche medizinischen Hintergründe sollten Sie kennen? Die Kolumne Oralmedizin kompakt liefert Antworten. Fachjournalist Dr. med. dent. Jan H. Koch sichtet für Sie laufend wissenschaftliche und praxisorientierte Publikationen oder berichtet von Veranstaltungen. Die Beiträge finden Sie online auf unserer Landingpage. Gehen Sie auf Entdeckungsreise!
Vitamin-D-Supplementierung therapeutisch begrenzt sinnvoll
D-Vitamine sind maßgeblich an Kalziumstoffwechsel und Immunantwort beteiligt. Eine Supplementierung scheint aber meist nur eine begrenzte Wirkung zu haben. Das gilt auch in Bezug auf orale Erkrankungen.
D-Vitamine sind eigentlich Hormone, die vom Körper unter Sonnenexposition der Haut gebildet werden.
Unabhängig davon ist eine Zufuhr über bestimmte Nahrungsmittel möglich, zum Beispiel fette Fischprodukte und Pilze, die Sonnenlicht ausgesetzt waren. Vor allem die Vitamine D2 und D3 haben wichtige immunologische Funktionen, einschließlich bei der Abwehr von Krebserkrankungen [1]. In einem aktuellen, frei zugänglichen Übersichtsartikel wird die Rolle von D-Vitaminen auf orale Entwicklung und Erkrankungen diskutiert [2].
Demnach ist bei Vitamin-D-Mangel über den Kalziumstoffwechsel die Bildung von Zahnsubstanzen gestört [3] und ein Defizit wirkt sich möglicherweise bereits pränatal auf die Kariesrate aus [4]. Andererseits reduzierte eine hochdosierte Supplementierung bei Schwangeren im Milchgebiss ihrer Kinder in einer randomisiert-kontrollierten Studie über 8 Jahre nur das Risiko von Schmelzbildungsstörungen, nicht von Karies [5].
Patienten mit Parodontitis oder koronarer Herzkrankheit zeigten in einer Querschnittsstudie niedrigere Vitamin-D-Spiegel als gesunde, was die bekannte entzündungsbezogene Wirkung unterstreicht [6]. Aber auch hier verbesserte eine Supplementierung die therapeutische Erfolgsrate nur moderat [7]. Vitamin-D-Mangel ist ätiologisch an vielen nicht-oralen Erkrankungen beteiligt. Andersherum ist jedoch die Datenlage für den therapeutischen Einsatz für viele Erkrankungen unklar [8, 9].
Aus präventiven Gründen sollte unabhängig davon auf eine ausreichende Sonnenexposition und Vitamin-D-Verfügbarkeit über die Nahrung geachtet werden. Zumindest in den dunklen Monaten des Jahres kann auch bei Gesunden eine Supplementierung über Saft oder Tabletten sinnvoll sein und möglicherweise gesundheitliche Risiken reduzieren [10, 11].
Dr. Jan H. Koch
Literatur
1. Jeon, S. M., et al.; Exp Mol Med 2018. 50 (4): 20.
2. Botelho, J., et al.; Nutrients 2020. 12 (5): 1471.
3. Schroth, R. J., et al.; BMC Pediatrics 2013. 13 (1): 174.
4. Singleton, R., et al.; Journal of Dental Research 2019. 98 (5): 549-555.
5. Nørrisgaard, P. E., et al.; JAMA Pediatrics 2019. 173 (10): 924-930.
6. Isola, G., et al.; J Periodontal Res 2020. 55 (5): 602-612.
7. Bashutski, J. D., et al.; Journal of Dental Research 2011. 90 (8): 1007-1012.
8. Wikipedia: Vitamin D
9. Bolland, M. J., et al.; The Lancet Diabetes & Endocrinology 2014. 2 (4): 307-320.
10. Holick, M. F., et al.; The American Journal of Clinical Nutrition 2008. 87 (4): 1080S-1086S.
11. Bjelakovic, G., et al.; Cochrane Database of Systematic Reviews 2014 (issue 1).
Vitamin D und Verschörungstheorien
Von der Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim gibt es auf dem Youtube-Kanal maiLab einen sehenswerten Anti-Verschwörungs-Vitamin-D-Beitrag unter dem Motto "Vitamin D wissenschaftlich geprüft":
An Vitamin D scheiden sich die Geister: Für die einen herrscht ein weit verbreiteter Vitamin-D-Mangel in der Bevölkerung, für die anderen ist das alles nur ein Mythos, der betrieben wird, um den Leuten Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen. Doch die Wirklichkeit liegt irgendwo dazwischen, sagt die Wissenschaft.