Nun ist es beschlossene Sache. Mit dem neuen Gesetzesrundumschlag aus dem Hause Jens Spahn „Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) werden auch die in der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung (COVID-19-VSt-SchutzV) zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Zahnärztinnen und Zahnärzte verordneten Regelungen nun gesetzlich geregelt und in das Sozialgesetzbuch V übertragen. Das hat nun der Bundestag beschlossen und das GPVG verabschiedet.
Liquiditätshilfe bleibt
Zwei kleinere, aber bedeutsame Änderungen sind für die Zahnärzte erfolgt. Im Gesetzestext heißt es: „Um die finanziellen Auswirkungen zu überbrücken, die sich aus der infolge der COVID-19-Pandemie verminderten Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ergeben, wird die Gesamtvergütung vertragszahnärztlicher Leistungen ...für das Jahr 2020 und das Jahr 2021 jeweils auf 90 Prozent der gezahlten Gesamtvergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen des Jahres 2019 als Abschlagszahlung festgesetzt.“
Die „Liquiditätshilfen an Zahnärzte während der COVID-19-Pandemie“ werden demnach auch 2021 auf 90 Prozent des vor-pandemischen Niveaus gehalten. Die Leistungseinbrüchen von 2020 schlagen danach nicht durch. Der Darlehenscharakter der Liquiditätshilfe bleibt aber vollständig erhalten: „Übersteigt die von den Krankenkassen an eine Kassenzahnärztliche Vereinigung im Jahr 2021 gezahlte Gesamtvergütung nach Absatz 1 die im Jahr 2021 erbrachten vertragszahnärztlichen Leistungen, so hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung die dadurch entstandene Überzahlung gegenüber den Krankenkassen in den Jahren 2022 und 2023 vollständig auszugleichen.“ Überraschend kommt diese Neuregelung für 2021 auch wieder nicht. Aufgrund der bis in das Jahr 2021 zu erwartenden anhaltenden COVID-19-Pandemie soll die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zahnarztpraxen und die Aufrechterhaltung der Versorgungsstruktur auch im Jahr 2021 sichergestellt werden. Damit konnte sich die KZBV mit der in ihrer Stellungnahme zum GPVG nicht durchsetzen, „die Liquiditätshilfen für den zahnärztlichen Bereich als echte finanzielle Zuschüsse unter angemessener Beteiligung der Krankenkassen ... auszugestalten.“
Ein weiterer positiver Effekte entsteht durch den Entfall der Vergütungsobergrenzen bei den Gesamtverträgen für die Jahre 2021 und 2022. Somit ist die Leistungsmenge für diesen Zeitraum nicht gedeckelt und ermöglicht somit potenzielle Nachholeffekte für die Vertragszahnärzteschaft.
Förderung durchgesetzt
Wirklich neu ist ein nun ins Gesetz gegossenes Steuerungsinstrument: „Die Kassenzahnärztliche Vereinigung kann in den Jahren 2021 und 2022 aus Mitteln des Strukturfonds eine Förderung von in den Jahren 2019 bis 2021 neu niedergelassenen Praxen vorsehen.“ Somit erhalten die KZVen die Möglichkeit, die vertragszahnärztliche Versorgung in der Fläche teilweise sicherzustellen. Einzelne frisch gegründete Zahnarztpraxen und ZMVZ können gezielt gefördert werden, wenn sie durch den pandemie-bedingten Leistungsrückgang in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Nun ist die förderbare Gruppe an Zahnärzten auf einen schmalen Korridor beschränkt. Ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte, die eventuell selbst zur Risikogruppe gehören und dadurch mit am stärksten auch wirtschaftlich von der Pandemie betroffen sind, fallen durch das Raster. Sie werden große Teile der Liquiditätshilfe zurückzahlen müssen.
Die BZÄK hat gerade Zahlen veröffentlicht, die zeigen, in welchem Ausmaß das zahnärztliche System bereits im 1. Halbjahr 2020 von der Pandemie betroffen war. So sank hier die Bruttowertschöpfung um 14,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – im Vergleich ging die Gesamtwirtschaft in diesem Zeitraum um 3.9 Prozent zurück.
Eine Frage der Perspektive
Ist das Erreichte nun ein Erfolg? Das ist freilich eine Frage der Perspektive.
Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV ist voller Lob: „Wir begrüßen die nun getroffene Entscheidung des Bundestags. Mit den Änderungen hat der Gesetzgeber wesentliche Teile unserer Vorschläge aufgegriffen, um die Krisenreaktionsfähigkeit der vertragszahnärztlichen Versorgung während der anhaltenden Pandemie zu gewährleisten.“
Ganz anders sieht das das selbsternannte „Sprachrohr der Zahnärzteschaft“, HaraldSchrader, FVDZ-Bundesvorsitzender: „Der Gesetzgeber beschleunigt mit dieser Entscheidung den Prozess des Praxensterbens gerade in den ländlichen Gebieten und gefährdet damit selbst die Versorgungsstrukturen, die er schützen wollte.“
Immerhin ging Schrader nicht erneut offen konfrontativ gegen die Körperschaften los – von „Versagen“ war offen nicht die Rede. Einen kleinen Seitenhieb, wie der FVDZ das politische Gewicht der KZBV einschätzt, konnte sich der freie Verband nicht verkneifen: „Fragen an die KZBV wurden in der Anhörung nicht gestellt", heißt es im FVDZ aktuell vom 24. November 2020. (Das ist zwar sachlich falsch, der Abgeordnete Alexander Krauß (CDU/CSU) stellte Martin Hendges (KZBV-Vorstand) sehr wohl eine Frage und erhielt auch eine ausführliche Antwort - nachzulesen im Protokoll des Bundestags. Aber dem FVDZ geht es hier wohl eher um die Botschaft, weniger um Fakten.)
Ob nun ausgerechnet Schrader mehr erreicht hätte, darf bezweifelt werden. Eßer hat bei Spahn das herausgeholt, was politisch umsetzbar war. Die Ungleichbehandlung der Zahnärzteschaft im Vergleich zu anderen Arztgruppen bleibt – und bleibt problematisch. Aber eine Kehrtwende war nun auch nicht zu erwarten. Taube Dach oder Spatz Hand – das ist hier die Frage.