Jetzt ist es soweit. Ab dem 16. März 2022 gilt die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für Beschäftige im Gesundheitswesen und in der Pflege nach Paragraf 20a des „Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie“.
Und jetzt?
Jetzt müssen Arbeitgeber in den betroffenen Praxen und Einrichtungen alle diejenige an die Gesundheitsämter melden, die nicht nachweisen können, dass sie entsprechend geimpft oder genesen sind oder aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Im Gesetzestext heißt es dazu: „Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden.“ Das gilt theoretisch. Nur liegt die praktische Ausführung des Gesetzes bei den Ländern und die haben sich ihr eigenes System zurechtgelegt.
Wer muss jetzt wie in der Praxis aktiv werden?
Eins ist klar: Menschen, die nicht geimpft, genesen oder nicht nachweislich nicht geimpft werden können, dürfen nicht mehr neu eingestellt werden.
Alle Personen, die bereits in einer entsprechenden Praxis oder Einrichtung beschäftigt sind – das gilt zum guten Teil auch für nicht-medizinisches Personal – müssen bis zum 15. März 2022 ihr Attest vorlegen. Personen, die kein Attest vorweisen können, müssen – meist über extra eingerichtete Online-Portale – den Gesundheitsämtern gemeldet werden. Ein ursprünglich geplantes bundesweites Portal wurde nicht realisiert. Und hier steckt der Teufel schon wieder in der Digitalisierung. Bei manchem Gesundheitsamt versteckt sich das entsprechende Meldeportal wie die Verkäufer in einem Baumarkt.
Und sowieso scheinen jetzt doch alle ein wenig überrascht vom In-Kraft-Treten des am 10. Dezember 2021 beschlossenen Gesetzes. Weihnachten kommt ja auch immer irgendwie ganz plötzlich. Die Gesundheitsämter, die ja schon mit der Pandemie-Eindämmung gut ausgelastet sind, haben in den meisten Bundesländern großzügige Fristen, um auf die ungeimpften Beschäftigten zuzugehen. Diese wiederum erhalten dann häufig großzügige Fristen, um ihrerseits einen entsprechenden Nachweis anzubringen. Bei Nicht-Rückmeldung droht dann allerdings ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro.
Im NRW-Sprech klingt das dann so: „Wird innerhalb einer angemessenen Frist kein Nachweis vorgelegt oder der Aufforderung nach einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge geleistet, besteht für das Gesundheitsamt die Möglichkeit, der betroffenen Person zu untersagen, die Räumlichkeiten der jeweiligen Einrichtung zu betreten oder dort tätig zu werden. Das wiederum kann arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben, über die allerdings der Arbeitgeber entscheidet.“ Klingt nach viel „könnte“ und vielleicht oder wie es schön heißt: „Ermessensspielraum“.
In Bayern gibt es erst einmal als Begrüßungsgeschenk ein Beratungsangebot zur Covid-Impfung. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek betont in Bayern käme ein „Betretungsverbot“ nur als „ultima ratio“ in Betracht: „Hierbei wird im Einzelfall jeweils auch die Einrichtung angehört werden, um bei der Entscheidung den Aspekt der Versorgungssicherheit angemessen berücksichtigen zu können. Denn eine planbare Versorgung von Patienten und Bewohnern von Einrichtungen muss stets gewährleistet bleiben.“
In den „ermessensleitenden Vollzugshinweisen für Landkreise und kreisfreie Städte zur einrichtungsbezogene Impfpflicht“ des sächsischen Staatsministerium für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt heißt es: „Wenn trotz Anforderung kein Nachweis innerhalb der genannten Fristen vorliegt, kann das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. Dies ist risikoadaptiert und der Versorgungssicherheit entsprechend vorzunehmen. Im Ermessen des Gesundheitsamtes ist zu prüfen, welches Infektionsrisiko für vulnerable Personen bei einer fortgeführten Tätigkeit bestehen würde und ob Hinweise auf wesentliche Beeinträchtigungen der Versorgung der Patienten oder Pflegebedürftigen als Folge der Umsetzung des Verbots vorliegen. Dazu ist die Einrichtung anzuhören. … Der Ermessensspielraum ist so zu nutzen, dass die Versorgungssicherheit der betroffenen Einrichtung nicht gefährdet wird.“
In den meisten Bundesländern klingt es irgendwie ähnlich.
Die Zahlen steigen
Die Omikronfallzahlen gehen derzeit wieder durch die Decke. Trotzdem soll es bald weitere Lockerungen geben. Das klingt nicht nach mehr Freizeit in den Gesundheitsämtern. Hinzu kommen noch möglich Impfangebote der Gesundheitsämter für aus der Ukraine Geflüchtete.
Und die Zahl der von der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ Betroffenen und davon als ungeimpft zu Überprüfenden ist kaum abschätzbar. Im deutschen Gesundheitswesen arbeiten 5.800.000 Menschen. Wie viele von Ihnen haben direkten Patientenkontakt? Hinzu kommen noch Handwerker, Verwaltungsmitarbeiter, ITler, wenn sie nicht klar räumlich abgegrenzt arbeiten, Friseure in Einrichtungen, Ehrenamtler und und und.
Das Statistische Bundesamt erhebt regelmäßig Daten zum Personal in der ambulanten und stationären Pflege. Demnach waren 2019 rund 1.218.000 Menschen in der Pflege tätig. Sind von denen 90 Prozent vollständig geimpft und genesen, blieben immer noch 121.800 Menschen allein in der Pflege, die mehrfach individuell von den Gesundheitsämtern erfasst und kontaktiert werden müssen. In Deutschland gibt es rund 400 Gesundheitsämter.
Ein Schaubild des thüringischen Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zeigt eine „Zeitschiene zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“. In der heißt es: „Ende Juli/Anfang August: Verbotsverfügung entfaltet inhaltliche Wirkung“. Vorher wird es demnach weder Betretungs- noch Tätigkeitsverbote für die entsprechende Gruppe der Ungeimpften geben. Zugleich steht in einer „Handreichung zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten“ des Bundesgesundheitsministerium: „Die Regelung des Paragraf 20a IfSG tritt am 1. Januar 2023 außer Kraft.“
Nach einem Durchstart in der Pandemiebekämpfung klingt das alles nicht.