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Praxisrelevantes zu Prothetik und Indikationen

Aus Gegenpositionen fundierte Konzepte entwickeln

Sind Verbundbrücken empfehlenswert? In welchen Situationen sollten abnehmbare Versorgungen bevorzugt werden? Wann sollte bei Parodontitis implantiert werden? Hochkarätige Experten lieferten Antworten auf dem DGI-Event „Implantattherapie im Spannungsfeld Ästhetik – Funktion – Zahnerhalt“.

Metall oder Keramik? Verbund­brücken oder rein implantatge­tra­­gen? Diese und weitere Fragen sind nicht neu, aber das Wissen entwickelt sich kontinuierlich weiter. Um das Online-Format lebendig zu gestalten, hatte die DGI die Vor­träge als Rede und Gegenrede aufgebaut. Beide sollten sich dessen un­geachtet laut Moderatoren­team fachlich und indikationsbezogen ergänzen.

Entsprechend zeigte sich, dass Metall einschließlich Titan als Implantatmaterial bis heute in vielen Indikationen unverzichtbar ist. So ist laut Dr. Peter Gehrke (Ludwigshafen) für Titanimplantate eine erfolgreiche Re-Osseointegration dokumentiert [1], entsprechende Daten zu Keramikimplantaten fehl­ten und müssten sich allgemein am Standard messen. Wegen ihrer Materialeigenschaften lassen sich Keramikimplantate zudem nach Aussage von Dr. Frederic Hermann (Zug, Schweiz) häufig nur mit Knochenfräsern wieder entfernen.

Prothetische Domänen für Metalle sind laut Gehrke zum Beispiel Titanklebebasen im Seitenzahn­bereich und aufgrund ihrer Biegefestigkeit weitspannige Brückengerüste oder CAD/CAM-Stege. Dagegen stimmten die beiden „Kontrahenten“ überein, dass sich für Kronen und kleinere Brücken Zirkonoxid- und Lithium-Disilikat- Keramiken wegen ihrer guten Biokompatibilität und Ästhetik zunehmend durchsetzen. Eine computergestützte Herstellung der Prothetik wird wegen besserer Materialeigenschaften ebenfalls als Standard gesehen.

Zähne erleichtern Passung bei Doppelkronen

Bei kombiniert zahn- und implantatgetragenen Konus-Prothesen (Verbundprothesen) bestimmen Anzahl (möglichst viele) und parodontaler Zustand der Pfeiler­zäh­ne die Prognose. Wie Prof. Dr. Stefan Wolfart  (Aachen) im De­tail aus­führte, haben Galvano-Pro­­the­sen auf konischen Zirkonoxid-Abutments sehr hohe Erfolgsra­ten – aufgrund retrospektiver Daten nach durchschnittlich 11,5 Jahren [2]. Die Verlustrate war bei quadrangulärer Abstützung ge­ringer, ebenso bei erhaltenen distalen Zahnpfeilern unter Doppelkronen-Verbundprothesen.

Hoch interessant ist, dass bei die­sem Versorgungstyp nach Wolfarts Erfahrung kleine Passungenauigkeiten durch die parodontale Zahn­aufhängung ausgeglichen wer­den. Eine intraorale Verklebung erfolgt deshalb in Aachen nur auf Im­plan­tat-Abutments: „Je weniger Im­-­plan­tate, desto präziser.“ Ab vier Im­plantaten wird situationsbezogen mit Galvano gearbeitet, ab sechs Implantaten immer. Für Verbundbrücken (2019) und zahnlose Oberkiefer (in Überarbeitung) gibt es bereits DGI-Leitlinien [3, 4]. Für zahnbegrenzte Lücken hat die Deutsche Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Bioma­terialien (DGPro) für Ende des Jahres eine Leitlinie angekündigt.

Periimplantitis verhindern

In mehreren Vortrags-Paaren ging es um die Prävention und Thera­pie von Periimplantitis. So betonte der Universitäts-Zahnarzt DDr. Behrouz Arefnia (Graz, Österreich), dass vor einer größeren Versorgung keine Taschen über 4 Millimeter vorliegen sollten. Eine Frage aus dem Online-Publikum, wie lange die Vorbehandlung dauern sollte, beantwortete Arefnia nur allgemein: „Je größer die Versorgung, desto länger.“ Wenn Patienten bei der Parodontaltherapie gut mitmachen, sei das häufig auch in der Implantat-Nachsorge der Fall.

Eine spezielle Disputation zu Implantaten im parodontal kompromittierten Gebiss zeigte, dass sehr differenziert entschieden werden sollte. Prof. Dr. Stefan Fickl (Würzburg) betonte auf eine Teilnehmerfrage, dass Parodontologen eher später implantieren. Grund sei, dass vor einer Implantation in den meisten Fällen ohnehin augmentiert werden müsse. Der Mainzer Parodontologe Prof. Dr. James Deschner ergänzte, dass bei persistierender Entzündung an systemische Auswirkungen gedacht werden müsse und eine Extraktion anzuraten sei.

Die European Federation of Periodontology (EFP) bereitet zur­zeit eine diagnosebezogene Leitlinie zur Therapie bei komplexer parodon­taler Schädigung vor (Erkrankungsstadium IV), die voraussichtlich von der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie übernommen wird.

Fazit

Erstmals tagte die DGI in Form eines Live-Streams. Gäste und Referenten nahmen „remote“ am Bildschirm teil. Vor Ort im Mannheimer High-Tech-Studio befanden sich nur die Tagungspräsi­denten und die Moderatoren. Unabhän­gig davon brachte die 34. Tagung wie gewohnt reichlich Inhalt, praxisrelevant aufbereitet und präsentiert auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Beeindruckend war auch die „fernseh“-journalistische Kompetenz des Moderations- Teams.

Weitere Informationen zum Kongress und aktuellen DGI-Aktivitäten gibt es hier. Zusätzliche Kongress-Inhalte, die sich unter an­derem auf die Themen minimal-invasive Implantologie und Augmentation beziehen, werden in den beiden folgenden Orale Implantologie-Schwerpunkten fo­kussiert (dzw-Ausgaben 3-4/2021 und 9/2021).

2021: Engere Anbindung an übrige Medizin

In der Online-Pressekonferenz kündigte Tagungspräsident Prof. Dr. Dr. Knut A. Grötz (Wiesbaden) den nächsten DGI-Kongress für das erste Advent-Wochenende 2021 als Hybrid-Veranstaltung an. Der analoge Teil wird in Wiesbaden stattfinden. Neben anderen zahnmedizinischen Fachgesellschaften will sich auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) beteiligen.

Laut Grötz will die DGI erreichen, dass die DGIM und zum Beispiel auch der für Gelenkprothesen zuständige Dachverband Osteologie (DVO) Zahnimplantate als medizinische Maßnahme anerkennen und über fachliche Details orientiert sind. Hohe „systemische“ Relevanz der oralen Implantologie sei auch durch das infektiöse Geschehen bei Periimplantitis gegeben.

Dr. med. dent. Jan H. Koch, Freising

Literatur

1. Madi M, Htet M, Zakaria O, Alagl A, Kasugai S. Re-osseointegration of Dental Implants After Periimplantitis Treatments: A Systematic Review. Implant Dent 2018;27:101-110.
2. Brandt S, Winter A, Weigl P, Brandt J, Romanos G, Lauer HC. Conical zirconia telescoping into electroformed gold: A retrospective study of prostheses supported by teeth and/or implants. Clin Implant Dent Relat Res 2019;21:317-323.
3. DGI, DGZMK. Implantatprothetische Versorgung des zahnlosen Oberkiefers. S3-Leitlinie (Stand 31.05.2016, in Überarbeitung). 2012.
4. DGI, DGZMK. Ersatz fehlender Zähne mit Verbundbrücken. S3-Leitlinie (Langversion), AWMF-Registernummer: 083-031; Stand: Juli 2019; Gültig bis: Juni 2024. 2019.