Es läuft nicht rund bei der TI und der sie verantwortenden Gematik. Technisches und kommunikatives Hickhack um E-Rezept und eAU, Datenschutzprobleme mit Konnektoren, Probleme beim Karteneinlesen …
Die im Januar 2021 in einem knallbunten Whitepaper angekündigte konnektorfreie TI 2.0 startet frühestens 2025. Die Gematik will sie dann „schrittweise einführen und die alte Technik nach und nach ablösen“, so Gematik-Produktchef Florian Hartge im Gespräch mit dem „änd“. Bis dahin bleibt die alte TI.
Ab in die Tonne
Und nun droht dieser neues Ungemach: 2022 laufen nach fünf Jahren die Schlüssel-Zertifikate der ersten Konnektor-Generation aus. Das betrifft erst einmal nur die erstzugelassenen Konnektoren der CGM. Sie erhalten aus technischen und datenschutzrechtlichen Gründen kein Update, sondern müssen ausgetauscht werden. Ab 2023 folgen dann auch Konnektoren der einzigen beiden weiteren Konnektor-Anbieter RISE und Secunet. In nüchternen Zahlen: 2022 seien es 15.150, 2023 insgesamt 58.083 und im Jahr 2024 noch einmal 54.914 ablaufende Zertifikate, berichtet die Gematik auf Nachfrage des „änd“. Nüchtern zusammengerechnet sind das 128.147 Konnektoren, die bis Ende 2024 ausgetauscht werden müssen. Und ob die TI 2.0 2025 kommt und wie lange sich eine „schrittweise“ Einführung dann hinzieht, will vermutlich niemand glaskugeln.
Seinerzeit erhielten die Praxen für die TI-Erstausstattung gut 1.000 Euro allein für den Konnektor. Für die Erkenntnis, dass der Hardware-Austausch in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag kosten wird, wiederum braucht es keine Glaskugel. Millionen für „gigantische Menge an Elektroschrott“, wie es Dr. Thomas Kriedel, KBV-Vorstand, nannte.
Und wer zahlt das alles? Und was bedeutet das für die Zahnarztpraxen? Das hat die dzw die KZBV gefragt:
Wie viele Zahnarztpraxen werden jetzt und in den kommenden Jahren vom Konnektortausch betroffen sein?
KZBV: Ab dem 3. Quartal 2022 werden zunächst nur wenige Zahnarztpraxen betroffen sein – ausschließlich diejenigen, die im Jahr 2017 einen Konnektor der Firma CGM in Betrieb genommen haben. Ein Jahr später, ab dem 3. Quartal 2023 laufen dann auch erste Konnektor-Zertifikate des Hersteller RISE, ab 2024 erste von Secunet aus. Zu der jeweils konkreten Anzahl betroffener Praxen und der von den Anbietern geplanten weiteren Vorgehensweise ist die KZBV aktuell mit den Anbietern im Gespräch.
Hat die KZBV als Gematik-Gesellschafter dem Beschluss zum Konnektor-Austausch zugestimmt?
KZBV: Ja, die KZBV hat dem Beschluss, wie alle anderen Gesellschafter der Gematik, zugestimmt. Der Entscheidung ist eine technische und produktpolitische Machbarkeitsprüfung der gematik vorangegangen, bei der auch die Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationspolitik (BSI) und die Konnektoren-Hersteller berücksichtigt wurden.
Ergebnis dieser Betrachtung war, dass ein Hardwaretausch die sicherste Lösung für die betroffenen Praxen ist. Vor allem, weil dadurch die zuletzt ebenfalls in Betracht gezogene, aber bei der Entwicklung der Konnektoren noch nicht spezifizierte Laufzeitverlängerung der in den alten Konnektoren verbauten Zertifikate entfällt. Diese Laufzeitverlängerung wäre aufgrund auslaufender Kryptoalgorithmen maximal bis 2024, ggf. bis 2025 möglich gewesen und hätte jährlich erneuert werden müssen. Der dazu notwendige Zertifikatswechsel ist zudem noch nicht erprobt, was im Zusammenspiel mit einer fünf Jahre alten Hardware – in der IT-Welt ein durchaus langer Zeitraum, nach der viele Geräte standardmäßig ausgetauscht werden – zu nur schwer kalkulierbaren Risiken geführt hätte. Wenn der Zertifikatswechsel schiefläuft, fällt der Konnektor irreparabel aus, die TI ist nicht mehr erreichbar und eGKs können z.B. nicht mehr eingelesen werden. Dagegen ist der Hardware-Tausch eine plan- und kalkulierbare Aufgabe, die in den Praxen von IT-Dienstleistern nach erprobten Standards durchgeführt werden kann. Hierzu gibt es auch bereits konkrete Erfahrungen im Feld, weil vor zwei Jahren die Telekom-Konnektoren durch Secunet-Konnektoren ausgetauscht werden mussten. Der Umstieg jetzt ist dabei tendenziell noch einfacher umzusetzen, weil Geräte des gleichen Herstellers getauscht werden.
Der Austausch der Konnektoren wird vermutlich einen dreistelligen Millionen-Betrag kosten. Wer finanziert das?
KZBV: Die entstehenden Kosten werden durch den GKV-Spitzenverband finanziert. Dies war eine Prämisse für die Zustimmung der KZBV zu dem Vorgehen. Im Übrigen hätte auch die Laufzeitverlängerung Kosten verursacht, die aufgrund der genannten Risiken und jährlichen Erneuerungen nicht zu vernachlässigen wären.
Kommen auf die betroffenen Praxen neben dem Ärger noch Kosten zu?
KZBV: Der GKV-Spitzenverband hat die Zusage gemacht, die Kosten zu übernehmen. Im Rahmen der Anpassung der Finanzierungsvereinbarung wird sich die KZBV in Gesprächen mit dem GKV-SV dafür einsetzen, dass alle Kosten inklusive der anfallenden Aufwände für IT-Dienstleister erstattet werden. Diese Gespräche wurden bereits aufgenommen.
Die KZBV geht außerdem davon aus, dass der eigentliche Austausch der Geräte gut funktionieren kann, sodass für die Praxen in der Regel keine Belastungen entstehen. Die Einrichtung der Austauschgeräte ist für IT-Dienstleistern eine seit Jahren geübte Praxis, die anhand von Checklisten standardisiert durchgeführt werden kann. Zudem ist der Austausch in der Reihenfolge der betroffenen Zertifikate zeitlich und organisatorisch gut planbar.
Warum wird der anstehende Konnektor-Austausch nicht offener kommuniziert? Wissen die betroffenen Praxen, was auf sie zukommt?
KZBV: Die Gesellschafter der gematik haben wenige Tage nach dem Beschluss in der Gesellschafterversammlung zu dem Thema informiert. Vor dem Beschluss konnte keine Information erfolgen. Seitdem laufen auch die Planungen für den konkreten Austausch der Konnektoren in den Praxen.
Was man heute bereits mit Gewissheit sagen kann, ist, dass die Praxen selbst nicht aktiv werden müssen. Die Hersteller der Konnektoren haben den Ablauf der Zertifikate im Blick und werden proaktiv auf die betroffenen Praxen zugehen und sie über den Austausch informieren. Wie das grundsätzlich organisiert und umgesetzt werden soll, ist Gegenstand von Gesprächen, welche die KZBV zurzeit mit den Herstellern führt.