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„Niederlassung ist Goldstandard“

Zwei Jahre ist es nun her, dass der neue geschäftsführende Vorstand der Bundeszahnärztekammer 2021 auf einer außerordentlichen Bundesversammlung gewählt wurde. Zu ihrer Halbzeitbilanz treffen wir Prof. Dr. Christoph Benz, Konstantin von Laffert und Dr. Romy Ermler in der Berliner Geschäftsstelle der BZÄK und bringen einen bunten Strauß Fragen mit.

Halbzeitbilanz: Der geschäftsführende Vorstand der Bundeszahnärztekammer im Exklusiv-Interview mit der dzw

Herr Professor Benz, es ist Zeit für eine Halbzeitbilanz. In Zeiten von Rezession, Fachkräftemangel, einer alternden Gesellschaft und einer steigenden Tendenz zur angestellten Zahnärztin: Wie sieht da die Zukunft der zahnärztlichen Niederlassung aus? Wie lässt sich die Niederlassung im ländlichen Raum stärken, wo jetzt schon Engpässe in der ambulanten zahnärztlichen Versorgung bestehen?

Prof. Dr. Christoph Benz: Unbestritten leben wir in Krisenzeiten. Aber Krise heißt ja immer auch Chance. Ich bestreite einfach, dass es eine unabwendbar steigende Tendenz zur angestellten Zahnmedizin gibt. Früher hieß es immer – und ich habe das vor zehn Jahren auch gesagt – die Zahnmedizin sei hochspezialisiert und brauche Spezialisten in den verschiedenen Bereichen. Und die Konsequenz im Kopf eines jungen Kollegen, einer jungen Kollegin war automatisch, ich kann mich nicht niederlassen, ich bin ja kein Spezialist für alles. Wir kommen jetzt aber zu dem Schluss, dass eigentlich die „Hauszahnärztin“, der „Hauszahnarzt“ in eigener Niederlassung der Goldstandard ist. Auch mein großer Sohn ist jetzt Zahnarzt geworden und denkt jetzt sehr intensiv darüber nach, sich niederzulassen, weil er das Gefühl hat, er möchte seine Dinge selbst regeln. Er möchte nicht, dass da jemand ist und sagt, das machst du heute und das machst du morgen. Wir Zahnmediziner haben dieses großartige Privileg, ein ziemlich einfaches Start-up gründen zu können – und das überall in Deutschland. Das kann auf einer Insel sein, das kann in München sein, das kann irgendwo auf dem Land sein. Jede Zahnärztin und jeder Zahnarzt kann nahezu 80 bis 90 Prozent dessen, was Zahnmedizin heute bedeutet, für Patienten in bester Qualität liefern. Das sagt mittlerweile auch die Wissenschaft. Wir können jetzt sogar über Horizonte hinausdenken, wir können mit den Alignern Zähne verschieben, was ja bis vor kurzem gar nicht im Spektrum einer Zahnärztin, eines Zahnarztes gelegen war. Wir haben neue Themen – und das ist sehr spannend!

Das gilt auch für den ländlichen Raum. Vielen ist die Stadt zu teuer, zu unpersönlich. Jenseits der großen Städte kann man sich mehr leisten, mit Solarzellen auf dem Dach ökologischer leben, sich selbstverständlicher in der freien Natur bewegen. Da gibt es so viele Möglichkeiten. Diese Vorzüge wollen wir als Bundeszahnärztekammer verstärkt unseren Kolleginnen und Kollegen näherbringen. Dazu dient auch unsere „Warnemünder Erklärung“ mit ihren Überlegungen, die wir gerade veröffentlicht haben. Doch ländlicher Raum ist ja nicht gleich ländlicher Raum. Wenn jemand in Frankfurt studiert hat, dann weiß er oder sie noch lange nicht, welche Region zu welchen Bedürfnissen passt. Sollen die jungen Kolleginnen und Kollegen jetzt durch ganz Deutschland fahren? Die üblichen Anzeigen beziehen sich immer auf die fünf Behandlungsräume, die sehen in Frankfurt genauso aus wie in Falkenburg. Darauf kann niemand seine Lebensplanung bauen. Dazu muss man schon mehr wissen. Daher brauchen wir eine Plattform, wo die regionalen Gegebenheiten wie Schule und Freizeitmöglichkeiten viel besser dargestellt werden. Wo die jüngeren Kolleginnen und Kollegen dann auch sehen, was sie für ihr Leben planen. Es sollte die Möglichkeit geben, dass sich die Jüngeren etwa in einem kommunalen Ärztehaus auf dem Land einmieten können und dort Praxisluft schnuppern. Und wenn es ihnen gefällt, sollten sie die Option haben, die Praxis auch kaufen zu können. Das könnten die Bundesländer organisieren. Ich bin sicher, Trends sind nie für immer. Man kann sie auch setzen.

Herr von Laffert, die Ampelkoalition hat auf ihrer Klausurtagung in Meseberg ein Bürokratieentlastungsgesetz unter Justizminister Buschmann auf den Weg gebracht, nun plant Bundesgesundheitsminister Lauterbach wohl ein eigenes Gesetz aus seinem Haus. BZÄK und KZBV haben Vorschläge zum Bürokratieabbau an das BMG geschickt. Wie sehen Ihre Erwartungen aus?

Konstantin von Laffert: Es ist ein kleines Signal, das Herr Lauterbach gesendet hat, dass er einen Vorschlag aus seinem Hause zur Entbürokratisierung im September 2023 vorlegen wird. Der September ist längst verstrichen und wir haben bisher noch nichts davon gehört. Insofern halten sich meine Erwartungen sehr in Grenzen. Nichtsdestotrotz bin ich sehr froh, dass wir gemeinsam mit der KZBV ein gemeinsames Papier erarbeitet haben. Hier haben wir für die Politik sowohl die Themen aus dem SGB V als auch unsere berufsrechtlichen Themen der BZÄK konzentriert dargestellt. Das können wir gut bei unseren Gesprächen mit der Politik hier in Berlin nutzen. Aber wir hatten 2015 schon einmal eine Initiative des Normenkontrollrates der Bundesregierung, die „Mehr Zeit für Behandlung“ hieß, dort haben wir damals bereits viele Themen identifiziert , von denen allerdings keines, was die Zahnmedizin betrifft, umgesetzt wurde. Auch insofern sind meine Hoffnungen bescheiden. Aber vielleicht haben wir ja dieses Mal Erfolg -  vielleicht überrascht mich Herr Lauterbach doch noch positiv.

Benz: Von diesem „Deutschland Fetisch Bürokratie“ müssen wir wegkommen. Dieses übertriebene Sicherheitsgefühl, das sich da entwickelt hat, hat mit der Wirklichkeit überhaupt nichts mehr zu tun. In der Hygiene  werden Dinge erfunden, wo nicht einmal eine Evidenz für ein mögliches Erkrankungsrisiko besteht. Wir dürfen nicht immer weiter von einer Verordnung in die nächste rutschen.

Dr. Romy Ermler: Auch die Digitalisierung brennt ja in den Praxen und führt zu noch mehr Bürokratie. Sie bringt viele ältere Kolleginnen und Kollegen dazu, den Schlüssel in ihren Praxen umzudrehen, weil sie auf diese undurchdachte Digitalisierung keine Lust mehr haben. Sie fühlen sich von der Politik nicht mehr mitgenommen. Auch die jungen Kolleginnen und Kollegen, die ja wirklich digital sehr affin sind, haben damit ihre Probleme. Was auch bezeichnend ist, dass die EU-Politik noch nicht zu Ende gedacht ist, aber das BMG schon eine Politik plant, die noch nicht einmal darauf aufsattelt. Wenn dann wieder Entscheidungen zurückgenommen werden müssen, werden wir Leistungserbringer überhaupt nicht mehr dort abgeholt, wo wir hinwollen. Und wenn die gematik jetzt in eine Digitalagentur umgebaut wird und wir gar kein Mitspracherecht mehr haben, ist das für die Akzeptanz auch nicht förderlich. Ich würde mich freuen, wenn die Digitalisierung so eine Fahrt aufnimmt, dass sie in den Praxen auch positiv ankommt. Nur wenn sie einen Nutzen für die Patientinnen und Patienten und für uns in den Praxen hat, macht Digitalisierung Sinn!

Frau Doktor Ermler, vor zehn Jahren ist der BDIZ EDI mit seiner GOZ-Verfassungsbeschwerde gescheitert. Nun plant die BZÄK eine eigene GOZ-Verfassungsbeschwerde. Haben Sie heute eine bessere juristische Strategie?

Ermler: Die GOZ ist bei unseren Kollegen und Kolleginnen verständlicherweise ein sehr emotionales Thema, und das wird so bleiben, solange sie nicht endlich novelliert ist. Wir setzen alles daran, die juristischen Weichen zu stellen, um nicht erneut mit einer Verfassungsbeschwerde zu scheitern. Wir müssen dabei gut überlegen, welche Schritte wir gehen. Wir sind dabei, gemeinsam mit unserem GOZ-Strategieausschuss, die relevanten Daten und Fakten zu sammeln. Wir lassen prüfen, ob diese ausreichen, um erneut eine Verfassungsbeschwerde anzugehen. Es ist eine Risiko-Nutzen-Abwägung. Wir müssen der Kollegenschaft sagen, dass nicht schon der Gang zum Verfassungsgericht positiv sein muss. Bei einem negativen Ausgang würde sich das BMG darin bestärkt sehen, nichts ändern zu müssen. Wir haben einen hochkarätigen Juristen, Prof. Dr. Gregor Thüsing, der uns mit seiner Expertise dazu berät. Gemeinsam werden wir die Erfolgsaussichten abwägen.

Herr Professor Benz, Community Health Nurse, Alterszahngesundheit, Gesundheitskioske – die ambulante Versorgung kommt in den Plänen der Bundesregierung auch gerne mal ohne die niedergelassenen Zahnärztinnen aus. Sollten die Standesvertreter die Delegation nicht besser von sich aus neugestalten? Und wenn ja – wie?

Benz: Wir kennen alle unser demografisches Problem in Deutschland. Das wird den Fachkräftemangel weiter verstärken. Wir sehen es ganz dramatisch im Bereich Pflege, weil es schlicht am Personal fehlt. Ich glaube, dagegen ist die Zahnmedizin gut aufgestellt, weil wir durch die Prävention viele unserer alten Routineaufgaben zunehmend seltener bewältigen müssen. Die ganze Prothetik, die wir in der Vergangenheit hatten, wird deutlich weniger. Wir sind mit der Prävention sehr erfolgreich. Wir haben in der Zahnmedizin vieles verändert, dadurch entstehen Freiräume , die auch mehr Gespräch, mehr Betreuung und einen intensiveren Blick auf die medizinische Situation zulassen.

Wir positionieren uns ja nicht gegen die Substitution, wo ein Gesundheitsfachberuf  die Aufgaben einer Ärztin oder Arztes übernimmt, weil wir den anderen das nicht gönnen. Etwa im Pflegebereich in der Seniorenzahnmedizin können wir vieles so nicht verantworten. Hier sind bestimmte Fachkenntnisse erforderlich. Wir als Ärztinnen und Ärzte können manuell eingreifen, wenn es medizinisch notwendig ist. Da können wir bestimmte Aufgaben nicht einfach delegieren. Wir tun es überall da, wo wir es verantworten können. Gerade in der Pflegezahnmedizin ist es üblich, dass wir Pflegekräfte schulen, damit sie Mundhygiene optimal umsetzen können. Das sind Bereiche, wo wir Aufgaben gut abgeben können. Die medizinischen Inhalte werden bei den Ärztinnen und Ärzten bleiben müssen. Eine Community Dental Nurse kann ich mir eher nicht vorstellen.

Die Frage, was in zehn Jahren sein wird, wenn die Baby-Boomer-Generation komplett im Ruhestand sein wird, können wir heute nicht beantworten. Wir können jetzt keine Optionen ausschließen, sondern müssen sie immer neu unter Bewertung der aktuellen Situation durchdenken. Da muss jedes Modell, das funktioniert, in Betracht kommen.

Herr von Laffert, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat nun die „Heuschrecken“ im Gesundheitswesen entdeckt und mit markigen Worten entschlossenes Handeln gegen iMVZ angekündigt. Bislang gibt es nur warme Luft. Wie sollten seine angekündigten neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Investoren im Gesundheitswesen aussehen?

Von Laffert: Wir haben ja heute Halbzeitbilanz. Das ist sicherlich mein Thema Nummer eins in den vergangenen zwei Jahren gewesen. Ich habe dazu sehr viele Gespräche geführt. Wir haben sehr deutliche Vorstellungen von den rechtlichen Rahmenbedingungen, die wir uns wünschen. Herr Lauterbach hat Weihnachten 2022 in der „Bild am Sonntag“ geäußert, das sei das letzte schöne Weihnachten für die Investoren. Und neue rechtliche Rahmenbedingungen hat er für das erste Quartal 2023 angekündigt. Darauf warten wir noch immer. Mittlerweile ist der Stand, dass sie im ersten Quartal 2024 kommen sollen. Unsere Forderungen sind ganz klar. Auch hier freuen wir uns, dass wir mit der KZBV sehr eng zusammenarbeiten und gemeinsame Forderungen haben. Wir wollen die räumliche und fachliche Nähe des gründungsberechtigten Krankenhauses eines MVZ. Wir wollen, dass dieses Krankenhaus eine zahnärztliche oder kieferchirurgische Abteilung hat. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie eng die räumliche Nähe sein soll. Aber es kann unserer Meinung nach nicht sein, dass ein Krankenhaus im Bayerischen Wald ein Investoren-MVZ in der schönsten Gegend von Hamburg mit hoher Kaufkraft gründet. Das sind die beiden Kernpunkte, die wir anführen. Ergänzend wollen wir dazu eine Änderung des Zahnheilkundegesetzes. Hier fordern wir, dass die Mehrheit eines MVZ in den Händen von Zahnärzten und Zahnärztinnen sein muss. Es darf nicht sein, dass die wirtschaftliche Geschäftsführung über medizinische Behandlung entscheidet. Die ärztliche Entscheidung muss immer das letzte Wort sein. Die Bundesärztekammer hat ein eigenes Papier erarbeitet, das wesentlich über unsere Forderungen hinausgeht. Hier wurde sogar der Bestandsschutz für iMVZ in Frage gestellt. Das haben wir mit viel Interesse verfolgt. Wir sind aber auch Realisten und wissen, dass in vielen Bereichen der Humanmedizin ein sehr hoher Anteil von Investoren tätig ist – etwa in der Radiologie und in der Augenheilkunde. Insofern haben wir an die Politik appelliert, dass wir zumindest eine Regelung für die Zahnheilkunde brauchen. Wir glauben, dass die Zahnheilkunde für Überbehandlung extrem anfällig ist. Es könnte eine Regelung kommen, die auf das TSVG aufsattelt, wo ja bereits eine Regelung für Investoren im Bereich Zahnmedizin existiert – die allerdings ein zahnloser Tiger ist. Dass diese Regelung entsprechend zielführend ausgebaut wird, ist unser Wunsch. Der letzte Punkt ist, wir wollen Transparenz für die Patientinnen und Patienten, die sehen sollen, diese Praxis gehört z.B. einem Fonds aus Qatar. Die Transparenzregelung ist für uns ein wichtiges Add-on, aber wenn das die einzige Regulierung wäre, dann bedeutete das für uns eine riesige Enttäuschung – gerade nach den Worten von Herrn Lauterbach.

Wir führen sehr viele Gespräche hier im politischen Berlin. Von den Grünen haben wir viel Verständnis erhalten. Bei der SPD ist das manchmal schon etwas schwieriger. Wobei man denken sollte, Sozialdemokratie und Private Equity das passt irgendwie nicht zusammen – aber da wundert man sich manchmal. Bei der FDP ist es so, sie ist in zwei deutlich auseinanderklaffende Lager gespalten. Die eine Seite, das sind die Heilberufler, die ja traditionell stark in der FDP vertreten sind und  gegen iMVZ sind. Die andere Seite ist der Wirtschaftsflügel, der sagt, es gäbe kein gutes und kein schlechtes Geld. Ich sehe das anders. Es gibt schlechtes Geld, das sich an unserem Gesundheitssystem rein renditeorientiert bereichert. Insofern ist auch mit der Ampel keine schnelle Lösung in Sicht. Um das noch einmal ganz klar zu sagen, wir wollen keine iMVZ verbieten. Wir wollen eine klare Regulierung und klare Spielregeln.

Herr Professor Benz, das Amalgam-Aus wird nun voraussichtlich 2025 EU-weit kommen. Welche Folgen hat das für die ambulante Versorgung? Welche Füllungsmaterialien könnten Amalgam ersetzen?

Benz: Wir waren ja kürzlich in Straßburg und haben dort gehört, dass der Kommissar für Umwelt und Ozeane den schönen Spruch gesagt hat, Quecksilber wolle man noch in dieser Legislatur abschaffen. Im Juni nächsten Jahres sind die EU-Wahlen. Wir sollten mit dem Gedanken leben, dass das Verbot wirklich so schnell kommt, wie wir es nicht gewünscht haben. Es ist nicht so, dass wir das Amalgam für immer behalten wollen. Es ist aber nun mal ein bewährtes Material in speziellen Indikationen. Wir hätten gern mehr Zeit für die Forschung, um sagen zu können, mit welchem Material uns lange wissenschaftliche Erfahrung für diese Indikationen verbindet. Deswegen war unser Wunsch 2027 oder 2030 für dieses Phase-out. Dennoch können wir unsere Kolleginnen und Kollegen beruhigen, wenn es nötig wird, wird es Lösungen geben. Wir arbeiten daran.

Frau Doktor Ermler, die Bundesagentur für Arbeit zählt Zahnärztliche Fachangestellte zu den „Engpassberufen“, obwohl die Ausbildung zu den Top Ten in der Beliebtheit zählt. Woran liegt das? Und wie lässt sich dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Ermler: Wir müssen mehr das Positive an dem Beruf Zahnmedizinische Fachangestellte herausstellen und damit sichtbarer für junge Menschen werden, dass sie diesen Beruf auch ergreifen. Dazu starten wir 2024 unsere bundesweite ZFA-Kampagne. Über Instagram, TikTok, über eine Influencer-Kampagne wollen wir die potenziellen Azubis  erreichen und ihnen zeigen, wie schön der Beruf ist und wie er ausgeübt wird. Viele haben gar kein Bild davon. Da sehen wir auch die Schulen in der Pflicht. Es ist einfach zu früh, wenn die Schülerinnen und Schüler in der 8. oder 9. Klasse ihre Berufsfelderkundung haben. Da wissen die meisten noch gar nicht, wohin ihr Weg gehen soll. Und die Kollegenschaft wollen wir mitnehmen, dass sie vermehrt Schülerpraktika anbietet. Das kann jungen Menschen dazu bringen, sich hier oder in anderen zahnmedizinischen Bereichen einen Ausbildungsplatz zu suchen.

Wir haben konstant hohe Zahlen bei den Auszubildenden. Wir müssen hier daran arbeiten, dass wir nicht so viele Abbrecher haben. Dazu müssen wir auch die Ausbildungspraxen gut vorbereiten. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte in Praxen gewährleistet sein. Und am Thema Vergütung müssen wir weiter-arbeiten. Wir sollten es den anderen Berufsgruppen nicht so leicht machen, die von uns ausgebildeten Fachkräfte abzuwerben.

Herr Professor Benz, in letzter Zeit tauchte das Thema Sedierung und Zahnärzte wiederholt negativ in der Medienlandschaft auf. Da sind offenkundig einige Dinge schief gelaufen. Was muss sich hier ändern?

Benz: Zahnmedizin ist ja immer die Beherrschung von Schmerz und Angst. Das ist unsere große Geschichte, auch wenn wir durch Prävention heute vieles auf andere Weise schaffen. In jüngster Zeit gab es Presseberichte, dass wir Zahnärzte bei Behandlungen in Allgemeinanästhesie nicht sachgerecht handeln würden. Wir haben alle diese Fälle analysiert und konnten feststellen, dass es in keinem der Fälle ein schuldhaftes Verhalten durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt gab. Um die Indikationen und Zuständigkeiten bei solchen Behandlungen nochmals klar darzustellen, erarbeiten wir gerade mit den anästhesiologischen Fachgesellschaften eine gemeinsame Stellungnahme. Auch bei Sedierungen, die in Zahnarztpraxen durchgeführt werden, handelt es sich immer um einen Eingriff in die Vitalfunktion, die eine spezielle Expertise der Zahnärztin, des Zahnarztes braucht. Wir haben uns dafür eingesetzt, die seit drei Jahren auf Eis liegende Leitlinie neu aufzusetzen.

Das andere große Thema in der Presse war die Narkose. Das ist natürlich nicht unsere Aufgabe, sondern immer die einer Anästhesistin oder eines Anästhesisten. Aber bei den Rahmenbedingungen spielt die Zahnärztin oder der Zahnarzt schon eine Rolle. Welche Räume stehen zur Verfügung, welche Regeln müssen beachtet werden. Rund 110.000 Patienten brauchen jedes Jahr eine Narkosebehandlung. Das sind 45.000 Senioren, etwa 50.000 Kinder, die auf andere Weise nicht zu behandeln wären, und rund 15.000 Menschen, die unter extremen Ängsten leiden. Dazu legen wir als BZÄK gemeinsam mit den anderen Akteuren zunächst die Qualitätsstandards fest, dann muss aber auch eine adäquate Honorierung sichergestellt werden. Bislang erhalten die Anästhesisten und Anästhesistinnen für eine Kinderanästhesie 50 Euro. Da müssen sich Dinge ändern.

Herr von Laffert, Sie kriegen heute die ganze Ministerriege: Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, plant klare und verbindliche Regeln zu an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung. Die FDP sträubt sich noch dagegen. Wie positioniert sich hier die BZÄK?

Von Laffert: Die BZÄK positioniert sich eindeutig auf der Seite von Herrn Özdemir. Wir haben einen Beschluss unseres höchsten Gremiums, der Bundesversammlung, aus dem Jahr 2018, der in die gleiche Richtung geht. Unser Beschluss geht noch darüber hinaus, da fordern wir auch eine Zuckerabgabe. Großbritannien hat 2018 eine Zuckersteuer eingeführt, die sich schnell als sehr wirksam erwiesen hat. Hier zielt die Steuer nur auf bestimmte Softdrinks. Und welch ein Wunder – innerhalb kürzester Zeit war die Zuckerkonzentration in den Softdrinks deutlich gesunken. Es geht doch. Auf der jüngsten FDI-Tagung (Weltzahnärzteverband – Anm. der Redaktion) haben wir ebenfalls ein Papier mit genau diesen Forderungen einstimmig beschlossen – inklusive der nach einer Zuckersteuer. Schlimm sind auch die versteckten Zucker in vielen Lebensmitteln. Und die werden dann in der Lebensmittelwerbung für Kinder etwa als „Frühstückscerealien“ angepriesen, obwohl sie massiv Zucker enthalten. Viele Eltern wissen gar nicht, was sie ihren Kindern da morgens antun.

Zurück zu den Plänen von Herrn Özdemir. Die FDP sträubt sich noch dagegen. Jetzt haben Sie mir schon zwei Fragen gestellt, bei denen ich anderer Meinung bin als die FDP. Damit hat sich die Legende, dass die FDP die Zahnarzt-Partei sei, erledigt (lacht). Ich glaube, in der FDP wird man darüber noch einmal nachdenken und zu dem Ergebnis kommen, dass sie im Sinne der Prävention für Kinder doch besser zustimmt.

Ermler: Wenn die Bundesregierung mit dem neuzugründenden Präventions-Institut des BMG mehr Richtung Prävention gehen will, dann gehört das Thema Zucker dort auch auf den Tisch. Zucker ist ja nicht nur schlecht für die Zähne, sondern verursacht ja auch Adipositas und Folgeerkrankungen wie Diabetes. Und die Zahl der Diabeteserkrankungen bei Kindern steigt rapide. Das ist ein Thema, das über Prävention und ausgewogene Ernährung geregelt werden kann.

Wir müssen insgesamt den Arzt im Zahnarzt stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Das ist uns mit unserer PAR-Kampagne sehr gut gelungen. Sie hat sich zu einer richtig guten Image-Kampagne für unseren Berufstand entwickelt und zeigt die Zusammenhänge von Mundgesundheit und beispielsweise Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Damit flankieren wir auch wieder die aktuelle Kampagne der KZBV „Zähne zeigen“. Was bei uns als Aufklärungskampagne zu Parodontitis für Patienten begonnen hat, ist nun eine Kampagne geworden, die die Politik aufklärt, welche Folgen die Parodontitis hat – auch für die Allgemeingesundheit und welche Folgekosten für das Gesundheitswesen dadurch entstehen. Das zeigt sehr deutlich der Evaluationsbericht von KZBV und DG Paro zu den Folgen der PAR-Budgetierung durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Zahnärzte sind eben mehr als Löcherstopfer.

Frau Doktor Ermler, die Standespolitik ist erfreulich weiblicher geworden. Doch noch sind wir weit davon entfernt, dass die Repräsentanz von Frauen in den standespolitischen Gremien auch ihrem Anteil im Berufsbild spiegelt. Gibt es neue Initiativen der BZÄK zur Förderung von Frauen?

Ermler: Wir haben Initiativen der letzten Jahre aufgegriffen und weiterentwickelt. Als erste Vizepräsidentin der BZÄK wird man stark mit dem Thema Frauenförderung verknüpft. Die Rolle nehme ich gerne an. Wir haben letztes Jahr die erste Koordinierungskonferenz zur Frauenförderung hier im Haus gehabt. Ich hatte die weiblichen „Vorständinnen“ aus den einzelnen Bundesländern eingeladen, die auch zahlreich erschienen sind. Wir haben uns besser kennengelernt, ausgetauscht und unterschiedliche Arbeitsweisen der einzelnen Kammern betrachtet: Wo gab es Schwierigkeiten? Was ist gut gelaufen? Wie sind die Frauen in ihre Ämter gekommen? Wo sehen sie ihren standespolitischen Handlungsbedarf? Das war eine sehr fruchtbare Konferenz, die wir auch wieder aufgreifen werden.

Es gab ja früher immer die Problematik, dass Frauen die Standespolitik nicht gut mit Familie und Beruf vereinbaren konnten. Die Sitzungen fanden abends statt oder die Anreise war zu lang. Hier spielt uns heute die hybride Sitzungstechnik in die Karten. Wir können Sitzungen tagsüber veranstalten. Man kann sich zuschalten, ohne die Familie zu vernachlässigen. Das kommt sehr gut an. Wir haben mittlerweile sehr viel mehr Frauen, die in den Ausschüssen mitarbeiten und auch viel mehr weibliche Delegierte in der Bundesversammlung. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir auch in den Kammern. Der Nachwuchs wird jünger und weiblicher. Wir möchten aber auch die jungen Männer dazu motivieren, sich in der Standespolitik einzubringen – auch wenn der Berufsstand generell weiblicher wird. Wir haben mittlerweile vier Präsidentinnen im Vorstand.