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TI – und vieles wird besser

Interview mit Martin Hendges: HKP und Bonusheft werden digital

Interview mit Martin Hendges: HKP und Bonusheft werden digital

Bislang hat die Telematikinfrastruktur wenig Begeisterung ausgelöst: hoher Aufwand, geringer Nutzen. Das soll sich nun ändern. Die KZBV hat TI-Projekte auf den Weg gebracht, die einen echten Mehrwert für die Zahnarztpraxen mit sich bringen werden. Dazu sprach der stellvertretende KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges mit Dr. Helge David exklusiv im dzw-Interview.

dzw: Bislang hat die Telematikinfrastruktur ja nur einen geringen Nutzen für die Zahnärzteschaft. Welche praxisrelevanten und bürokratieabbauenden Maßnahmen initiiert die KZBV derzeit?

Martin Hendges: Fangen wir erst einmal bei den jetzigen Fachanwendungen wie Notfalldatenmanagement, elektronischer Medikationsplan und Arzneimitteltherapiesicherheit an, die durchaus für die Praxen schon einen Nutzen haben: zur Risikoabschätzung und bei der Anamnese. Welche Medikamente nimmt der Patient, gibt es Wechselwirkungen zu den Verordnungen der Zahnärzte? Darüber hinaus gibt es zwei zentrale Projekte, die wir gerade verfolgen. Das eine ist das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren, das wir schon seit Längerem andenken. Unter meiner Ressortleitung arbeiten wir nun daran, das Genehmigungsverfahren des Heil- und Kostenplans ohne Medienbruch rein digital abzubilden. Das geplante Verfahren ist so aufgesetzt, dass der Zahnarzt künftig einen elektronischen Antragsdatensatz direkt und sicher an die Krankenkasse übermittelt und die Krankenkassen einen elektronischen Antwortdatensatz wieder an die Zahnarztpraxis zurückspielen. Das Praxisverwaltungssystem kann diesen Antwortdatensatz dann automatisch verarbeiten. Entweder „genehmigt, wie geplant“ oder mit „Änderungen genehmigt“ oder „abgelehnt“ – mit Nennung der Gründe. Im PVS werden mögliche Änderungen automatisch erfasst, ohne dass der Patientendatensatz noch einmal aktiv von der Praxis aufgerufen werden muss. Die digitale Prozesskette ist somit komplett geschlossen. Dazu haben wir Ende letzten Jahres bereits eine Vereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband getroffen. Der Patient selbst bekommt dann nicht mehr den vollständigen Heil- und Kostenplan, den er heute erhält, sondern eine Patienteninformation mit allen für ihn relevanten Inhalten in verständlicher Form. Sie enthält auch die Vereinbarung, die er unterschreiben muss. Dadurch wird das ganze Verfahren extrem beschleunigt und vereinfacht. Die so entstandenen Vorteile werden eine messbare Bürokratiereduktion für Praxen und zugleich mehr Transparenz für Versicherte mit sich bringen. Davon profitiert auch das Zahnarzt-Patientenverhältnis. Es gibt auch Überlegungen, ob man die Patienteninformation den Patienten direkt digital übermitteln könnte. Mit der digitalen Signatur gäbe es hier dann überhaupt kein Papier mehr.

Martin Hendges, Stellvertretender Vorsitzender des KZBV-Vorstands

Martin Hendges, Stellvertretender Vorsitzender des KZBV-Vorstands

dzw: Wann ist es soweit?

Hendges: Wir haben einen Zeitkorridor von ein bis zwei Jahren. Die PVS-Hersteller sind durch die Programmierung stark in das Verfahren eingebunden. Die Neuerungen greifen komplex in die Systeme ein. Wir gehen von einer Programmierzeit von einem Jahr aus. Dann starten wir eine Pilotphase mit ausgesuchten Praxen und ausgesuchten Krankenkassen. Anschließend kommt der eHKP in den Regelbetrieb. Wir gehen davon aus, dass wir das Verfahren im Jahr 2022 in der Fläche ausrollen können.

dzw: Wer übernimmt die Kosten?

Hendges: Die Kostendiskussion ist ein Stück weit immer ein Geben und Nehmen. Deshalb haben wir in den Verhandlungen mit dem GKV-SV entsprechend eine Regelung für eine angemessene Gegenfinanzierung vereinbart. Diese sieht vor, dass die von Kassenseite erfolgende Kostenbeteiligung, die nicht unerheblich ist, im Jahr des Ausrollens ausgezahlt wird.
dzw: Wie wurden die PVS-Hersteller einbezogen?
Hendges: Die waren von Anfang an dabei und intensiv eingebunden. Wichtig waren ihre Kommentare dazu, wie wir die Prozesse aufsetzen. Hier sind viele Anregungen gekommen, die wir berücksichtigen konnten. Die Hersteller waren sehr engagiert und dementsprechend lief die Kommunikation in einer hohen Frequenz. Auch bei der Schätzung möglicher Kosten konnten uns die PVS-Hersteller unterstützen.

dzw: KIM steht für „Kommunikation im Medizinwesen“ und ist als Kommunikationsdienst für Zahnarztpraxen gerade in der Testphase. Welche Rolle wird KIM künftig spielen?

Hendges: KIM – vormals KOM-LE – garantiert ein sicheres Mail-System. Wir werden es beispielsweise für die Kommunikation von Zahnarztpraxen mit den Krankenkassen bei der Übermittlung des HKP nutzen, so dass das Genehmigungsverfahren voll automatisiert ablaufen wird. KIM wird eine sehr nutzbringende Anwendung für Zahnarztpraxen. Wir wollen die komplette Kommunikationsstrecke KZV zur Zahnarztpraxis auf KIM umstellen, so dass auch die elektronische Abrechnung darüber laufen wird, ebenso der Austausch von Dokumenten – etwa Röntgenbilder – zwischen Zahnärzten, was ja derzeit datenschutzrechtlich noch problematisch ist. Damit schließen wir die gesamte digitale Kommunikationskette.
dzw: Ab wann ist der neue Kommunikationsweg verpflichtend für alle Zahnarztpraxen?
Hendges: Für das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren wurden im TSVG gesetzliche Grundlagen geschaffen. Gerade für die Anfangsphase sind natürlich noch Ausnahmeregelungen für die Verwendung von Papier vorgesehen. Das betrifft etwa mögliche Fehler in der Programmierung durch PVS-Hersteller, die dann innerhalb etwa eines Jahres beseitigt werden sollten. In dem Fall kann die Zahnarztpraxis dann auf den schriftlichen HKP zurückgreifen. Bis Ende des Jahres 2022 soll der eHKP dann in der Fläche ausgerollt sein.

dzw: Herr Hendges, Sie sprachen von zwei zentralen Projekten. Welches ist neben dem eHKP das zweite?

Hendges: Das Bonusheft spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Krankenkassen hatten die Bitte, dass beim eHKP bereits aus der Praxis heraus eine Angabe des möglichen Bonus stattfindet. Vertraglich ist natürlich die Krankenkasse verpflichtet, den Bonus zu prüfen, und nicht der Zahnarzt, weil sie ja schließlich die leistungsrechtliche Entscheidung trifft. Wir sind dennoch bereit, im Vorfeld beim Antragsdatensatz einen Bonus einzutragen. Das ist sinnvoll, weil auf Grundlage des Bonus ja auch der Eigenanteil der Patienten berechnet wird. Im Grunde läuft es heute auch so. Der Zahnarzt trägt den Bonus ein. Für den eHKP haben wir dann überlegt, dass ein digitales Bonusheft absolut sinnvoll wäre. Dazu haben wir das Bonusheft als „Medizinisches Informationsobjekt“, kurz MIO, angelegt. Das sind die ersten Objekte, die jetzt in die elektronische Patientenakte eingefügt werden. Da ist das Bonusheft wirklich maßgeblich. Der Zahnarzt kann dann bei Patienten, die eine ePA nutzen und den Zahnarzt berechtigen, den Bonuseintrag als Metadatensatz digital vornehmen. Der Patient kann selbst auf seinem Smartphone oder Tablet sein Bonusheft aufrufen. Angedacht ist auch eine Erinnerungsfunktion, die den Patienten auf seine regelmäßige Kontrolluntersuchung aufmerksam macht. Der Zahnarzt kann wiederum das Bonusheft des Patienten in sein PVS einlesen. Damit hat der Zahnarzt künftig immer ein aktuelles Bonusheft des Patienten verfügbar. Das funktioniert lückenlos, auch wenn der Patient seinen Wohnort oder Zahnarzt wechselt.

dzw: Gibt es weitere Pläne für die ePA, die für Zahnärzte und Patienten Nutzen bringen?

Hendges: Wir wollen in der ePA auch einen Implantatpass als Informationsobjekt verankern. So kann der behandelnde Zahnarzt bei bereits gesetzten Implantaten auch nach zehn Jahren noch abfragen, was sich da im Kiefer befindet, um welches Implantatsystem es sich handelt. Hier wollen wir die sinnvollen Angaben digitalisieren und als Implantatpass in die ePA einstellen. In der Praxis ist das derzeit noch ein echtes Problem. Zusammen mit dem digitalen Bonusheft haben wir so zwei zahnärztliche Leuchtturmprojekte, mit denen wir die Digitalisierung positiv und patientenorientiert besetzen. Mittelfristig sollte auch die Patienteninformation, die die Patienten zum eHKP bekommen, in die ePA einfließen. So kommen jetzt TI-Anwendungen, die spürbaren Nutzen speziell für die Zahnarztpraxen haben in die Versorgung.