Rüstzeug für die optimale Begleitung der Betroffenen
Immer mehr Kinder und Jugendliche sind von MIH-Zähnen betroffen. Wie kann die Betreuung dieser Patientengruppe im Praxisalltag aussehen? Welche Möglichkeiten in der Prophylaxe gibt es? Wie können wir Kinder und Eltern bestmöglich unterstützen?
Die Zähne haben weißlich-helle bis bräunlich-dunkle Verfärbungen, reagieren empfindlich auf Süßes, Saures, Kaltes sowie Warmes und können in schwereren Fällen bereits größere Absplitterungen, massive Schmelz- oder Dentindefekte aufweisen. Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist ein ernstzunehmendes Krankheitsbild bei Kindern und Jugendlichen, das immer häufiger vorkommt.
Größeres Problem als Karies
Im Schnitt sind etwa vier bis 14 von 100 Kindern in Deutschland betroffen. Jedes dritte zwölfjährige Kind hat laut Deutscher Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) mindestens einen sogenannten „Kreidezahn“. Bei diesen Kindern ist der Zahnschmelz nur etwa ein Zehntel so dick wie im Normalfall. Viele Fachleute sprechen bereits von einem „größeren Problem als Karies“.
Die Mineralisationsstörung MIH wurde 1987 erstmals wissenschaftlich beschrieben. Jedoch ist sie möglicherweise früher aufgrund der erhöhten Kariesprävalenz bei Kindern und Jugendlichen nicht oder nicht so stark aufgefallen, da die MIH auch nur dann gut zu erkennen ist, wenn die Zähne kariesfrei sind.
Da in den vergangenen 20 Jahren – bezogen auf bestimmte Altersgruppen – in Deutschland ein starker Kariesrückgang zu verzeichnen war, fallen nun Anomalien des Zahnschmelzes viel stärker auf. Es existiert ein neues MIH-Bewusstsein.
Ursachen bisher ungeklärt
Die große klinische Relevanz dieses Erkrankungsbildes steht inzwischen außer Frage: Weltweit nehmen die Fallzahlen zu. Die Wissenschaft beschäftigt sich deshalb seit gut zehn Jahren verstärkt mit der MIH-Problematik, und selbst im Praxisalltag ist man nun immer häufiger damit konfrontiert. Dennoch konnten die Ursachen, die möglicherweise für die MIH verantwortlich sind, bisher noch nicht geklärt werden. Deshalb ist auch die Frage nach dem Ursprung der Krankheit noch sehr umstritten – ein klarer kausaler Zusammenhang konnte bisher nicht gefunden werden.
Erschwerte Ursachenforschung
Als mögliche Faktoren werden beispielsweise eine genetische Disposition, bestimmte Umwelteinflüsse, ein verändertes Ernährungsverhalten oder auch ein daraus resultierender Nährstoffmangel wie beispielsweise ein zu geringer Vitamin-D-Spiegel im Körper diskutiert. Als zusätzlicher Auslöser wird auch Bisphenol A (BPA), das bei der Herstellung von Plastikflaschen zum Einsatz kommt, in Erwägung gezogen. Diesen Zusammenhang hält das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) allerdings eher für unwahrscheinlich.
In den meisten Fällen tritt MIH nur an bleibenden Zähnen auf, und da zwischen dem Beginn der Krankheit und ihrer Diagnose oft viele Jahre liegen, erschwert es die Ursachenforschung umso mehr.
Der Forschungsstand erlaubt mittlerweile aber eine klare Diagnostik anhand klinischer Kriterien sowie eine Klassifikation und Einteilung in unterschiedliche Schweregrade: Grad I, II und III bezüglich der Ausprägungen der Hypomineralisation sowie deren Stärke. Diese Einteilung bildet das Fundament für einen vorläufigen Therapieplan.
Grad I: Einzelne cremefarbene bis braune Areale an Kauflächen/Höckerspitzen beziehungsweise an den vestibulären Flächen von Schneidezähnen
Grad II: Überwiegend gelb-brauner Zahnschmelz, hypomineralisierte Bereiche über die Okklusalfläche hinaus beziehungsweise an der gesamten vestibulären Fläche von Schneidezähnen; erhöhte Gefahr für Schmelzfrakturen und gesteigerte Empfindlichkeit der betroffenen Zähne.
Grad III: Große gelblich-braune Areale im gesamten Zahnbereich; gegebenenfalls Schmelzverluste oft vor dem vollständigen Durchbruch der Zähne; hohe Empfindlichkeit der Zähne.
Wie diese Therapie aussehen kann, hängt wesentlich vom Schweregrad der Hypomineralisation ab. Auch das Vorkommen bestimmter Symptome, das Patientenalter sowie der soziale Hintergrund und die Erwartungshaltung des Kindes und der Eltern spielt, nach unserem Empfinden, bei der Behandlung eine tragende Rolle. Das Spektrum möglicher Optionen reicht von der Intensivprophylaxe, die bei geringeren Schweregraden ausreichend sein kann, bis hin zu restaurativen Maßnahmen.
Grundsätzlich sind eine engmaschige Betreuung der betroffenen Kinder in der Zahnarztpraxis und eine intensive professionelle und häusliche Prophylaxe angezeigt – dazu zählen regelmäßige Prophylaxesitzungen (IP), Zahnreinigungen (PZR) sowie das Auftragen von unterschiedlichen Fluorid-, CHX- oder CPP-ACP-Präparaten.
Neues Kursangebot
Die stark zunehmende Ausbreitung der MIH stellt aber nicht nur für die Betroffenen selbst eine große Belastung dar, die unter der unästhetischen, vor allem aber oft auch schmerzhaften Schmelzbildungsstörung leiden. Auch das Personal in den Zahnarztpraxen ist herausgefordert, individuelle zahnmedizinische Lösungen zu finden sowie insbesondere mit den Sorgen der Patienten und ihrer Eltern umzugehen und ihre Fragen zu beantworten.
Genau hier setzt unser neues Kursangebot an: Gemeinsam haben wir ein MIH-Betreuungskonzept entwickelt, das den Praxismitarbeitern das nötige Rüstzeug für eine optimale Begleitung von Betroffenen mitgeben soll. Wir möchten nicht nur vermitteln, welche Produkte sich zur Unterstützung empfehlen, sondern auch die psychologische Komponente aufzeigen und Tipps geben, wie man sensibel und konstruktiv mit den von MIH betroffenen Kindern umgehen kann.
Ein wichtiger Punkt ist es dabei auch, die Eltern mit fundierten Informationen zur Zahnerkrankung und unserem speziell darauf abgestimmten Betreuungskonzept zu versorgen.
Dentalhygienikerinnen Anne Bastek, Sabrina Dogan und Birgit Schlee
Das neue Kursangebot der drei Dentalhygienikerinnen Anne Bastek, Sabrina Dogan und Birgit Schlee liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Umgang mit der neuen Volkskrankheit "Kreidezähne". Weitere Informationen zum Kursus unter schlee-dentalhygiene.de/