Die orale Mukosa ist wahrscheinlich die primäre Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus. Dafür spricht unter anderem, dass bei Covid-19-Patienten häufig der Geschmacksinn gestört ist. Vermittelt wird die orale Infektion durch das Angiotensin-konvertierende Enzym II (ACE2). Dieses wird von Mukosazellen in großem Umfang gebildet und dient als Viren-Rezeptor [1].
Zugleich hemmt das Virus nach Eindringen in die Mukosa verschiedene unspezifische (angeborene) Immunfunktionen. Dies kann zu einem schwereren Krankheitsverlauf führen. Eine gesunde Mundschleimhaut wirkt im Umkehrschluss als Infektionsbarriere [2]. Die immunologischen Vorgänge sind jedoch noch nicht im Detail bekannt [1].
Parodontitis als Risikofaktor
An Covid-19 erkrankte Patienten, die zugleich eine Parodontitis aufweisen, haben ein erhöhtes Letalitätsrisiko [3]. Eine Studie mit mehr als 13.000 Patienten (davon 1.616 positiv getestete) zeigte für SARS-CoV-2-positive Patienten, die zugleich parodontal erkrankt waren, ein um den Faktor 1,7 erhöhtes relatives Sterberisiko (odds ratio). Wurden jedoch alle Daten ausgewertet (von SARS-CoV-2-negativen und -positiven Patienten), zeigte eine parodontale Erkrankung kein erhöhtes Sterberisiko.
Parodontitis scheint also primär ein Risikofaktor für bereits an Covid-19 erkrankte Patienten zu sein. Ob dies auf einer gestörten Immunbarriere im Mund oder eher auf einer erhöhten systemischen Belastung durch die Parodontitis und andere Erkrankungen beruht, ist nicht bewiesen. Um dies in Zukunft zu ermögliche, plädieren die Autoren der Studie in Zukunft für eine bessere Vernetzung oralmedizinischer und allgemeinmedizinischer Befunde in Datenbanken des englischen öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Speicheldiagnostik statt Rachenabstrich
Neben Zellen der Mundschleimhaut sind epitheliale Zellen der Speicheldrüsen an SARS-CoV-2-Infektionen beteiligt [4]. Folgerichtig erwiesen sich PCR-Tests, die Virus-Antigene im Speichel detektieren, als ebenso zuverlässig wie die aktuell gebräuchlichen Tests mit Nutzung von Rachenabstrichen [5]. Die systematische Literatursichtung ergab für Speicheltests eine Sensitivität von 83,2 % (Anteil richtig positiv erkannter Patienten), und eine Spezifität von 99,2 % (Anteil richtig negativer Ergebnisse).
Die Vergleichswerte für Rachenabstriche betragen 84,8 % und 98,9 %. Die Autoren folgern, dass speichelbasierte Tests wegen ihrer einfacheren Anwendung für groß angelegte Testreihen bevorzugt werden sollten. Ob eine Anwendung in zahnärztlichen Praxen sinnvoll wäre, wird in dem Artikel, der in einer medizinischen Zeitschrift publiziert wurde, nicht diskutiert.
Dr. Jan Koch
Literatur
1. Diamond, G., et al.; Molecular Oral Microbiology. Online 2020_12_08
2. Frankenberger, R., et al.; Quintessenz 2020. 71 (12): 1320-1327.
3. Larvin, H., et al.; Front Med (Lausanne) 2020. 7 604980.
4. Li, Y., et al.; Mol Oral Microbiol 2020. 35 (4): 141-145.
5. Butler-Laporte, G., et al.; JAMA Internal Medicine. online 2021_01_15.
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