Jahresausblick: Ein neues Jahr. Was wird es bringen? Die dzw hat dazu die drei großen Standesvertreter der Zahnärzteschaft – BZÄK, DGZMK, KZBV – befragt.
Fundamente gelegt – die BZÄK blickt nach vorn
Die Bundeszahnärztekammer arbeitet neben dem „Dauerbrenner GOZ“ Themen weiter aus, für die sie 2023 schon ein solides Fundament gelegt hat. Ganz vorne nennt sie das Thema Fachkräftemangel und die ZFA-Ausbildung: „Kernstück wird die bereits angekündigte bundesweite Kampagne der BZÄK im Verbund mit den (Landes-)Zahnärztekammern, um Jugendliche für eine ZFA-Ausbildung zu gewinnen.“ Dass die BZÄK erfolgreich Kampagne kann, hat sie schon zuvor mit ihrer erfolgreichen Kampagne zu Parodontitis bewiesen. Lassen wir uns also überraschen, wie die Ansprache gerade über diverse Sozial-Media-Kanäle ausfallen wird. 2021 haben gerade mal 213 „Männer“ – so das Statistische-Jahrbuch der BZÄK – die Prüfung zum Zahnmedizinischen Fachangestellten bestanden. Vielleicht lassen sich ja hier noch Potenziale heben.
Zudem will die BZÄK im Sinne einer Start-up-Kultur die „inhabergeführte, freiberufliche Praxisstrukturen stärken“. Dazu strebt sie die Zusammenarbeit etwa mit Kommunen und Städtetag an, um den eher abstrakten Gründungs- und Niederlassungswunsch mit konkreten regionalen Gegebenheiten zu untermauern.
Auch das Dauerthema Prävention soll weiter ausgebaut werden. Zum einen im Bereich „Pflege“, auf Basis des Ende 2023 vorgelegten „Schnittstellenpapieres mit dem Deutschen Pflegerat“, und zum anderen im Bereich „Ernährung“, wo sie die im Koalitionsvertrag der Ampel festgehaltenen Pläne zu „Beschränkungen von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel“ unterstützt, die derzeit noch von der FDP blockiert werden.
Wissenschaft und Mensch – die DGZMK behält beides im Blick
Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde setzt primär auf das hohe Niveau der Zahnheilkunde in Deutschland, ist sich aber der finanziellen Grenzen bewusst. „Die Evidenz, die wir in unseren Leitlinien auf hohem Niveau erarbeiten bedeuten auch deutliche Mehrausgaben in der Versorgung, wenn wir denn diese Qualität, wie in unseren Leitlinien zum Teil gefordert, auch umsetzen wollen. Die Quadratur des Kreises wird sicher schwierig“, so DGZMK-Präsident Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang. Hier bedürfe es der Zusammenarbeit mit den Körperschaften KZBV und BZÄK, um eine möglichst hohe Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten in der Praxis umsetzen zu können.
Wiltfang sucht auch Wege, um die bestehende Abhängigkeit von Mundgesundheit und sozialem Status zu durchbrechen. Hier könnte sich die Zahnmedizin etwa in bestehenden Strukturen wie dem „Startchancen-Programm“ aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung einbringen, das „bedarfsgerecht Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler“ fördert und in das Bund und Länder zusammen rund 20 Milliarden Euro über zehn Jahre investieren.
Eine weitere Herausforderung für die Zahnmedizin: „Die Versorgung vulnerabler Gruppen ist gefährdet.“ Hier müssen DGZMK, BZÄK und KZBV zusammenarbeiten, um den politischen Druck für verbesserte Rahmenbedingungen zu erhöhen, und auch weitere vulnerable Gruppen zu erreichen.
Die Jahre kommen, die Themen der KZBV bleiben
Ganz vorne will die KZBV zusammen mit den KZVen sowie der Bundeszahnärztekammer und den (Landes-)Zahnärztekammern sowie den Verbänden weiter „Zähne zeigen“, um die breite Öffentlichkeit über die negativen „Auswirkungen des GKV-FinStG auf die Patientenversorgung, insbesondere auf die Parodontitistherapie“ zu informieren und an die Politik zu appellieren: „Im Sinne einer weiterhin flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung lautet unsere klare Forderung an die Politik, die mit dem GKV-FinStG wiedereingeführte strikte Budgetierung für alle Zeiten zu beenden.“ Dabei könne die sofortige Herausnahme der Parodontitisbehandlung aus der Budgetierung nur ein erster Schritt sein.
Dauerthema und doch gerade hoch aktuell sind die Investoren-MVZ und der damit aus Sicht der KZBV „zunehmenden Vergewerblichung der zahnärztlichen Versorgung“. Unter den 15 für 2024 geplanten Gesetzesvorhaben des BMG wird eines auch die von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach angekündigte Regulierung von iMVZ enthalten. Daher drängt die KZBV: „Unsere Vorschläge zu den iMVZ liegen bereits seit Langem der Politik vor, verbunden mit der Forderung, die Regelungen noch im ersten Versorgungsgesetz, dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, gemeinsam mit der Regulierung von kommunalen MVZ aufzunehmen.“ Ob Lauterbach sich diesen Forderungen anschließen und auch gegen den politischen Willen des Koalitionspartner FDP durchsetzen wird, bleibt ein Blick in die Glaskugel. Am Ende könnte der Minimalkompromiss zur iMVZ-Regulierung auch bloß ein Transparenzregister bedeuten oder zumindest einen „Sonderweg für die vertragszahnärztliche Versorgung“ beinhalten.
Und zu guter Letzt die Themen Bürokratieabbau und praxistaugliche Digitalisierung. Hier verweist die KZBV auf das erfolgreiche und aus der „Berufswirklichkeit“ entwickelte elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ) und den gemeinsam mit der BZÄK entwickelten Katalog „Gemeinsam Bürokratie abbauen – Vorschläge zum Bürokratieabbau in der zahnärztlichen Versorgung“. „Denn Bürokratieabbau ist keine Nebensache, sondern zwingend erforderlich, damit die Tätigkeit in einer Praxis auch weiterhin attraktiv bleibt“, so der gute Wunsch der KZBV an die Politik.
In weiten Teilen gibt es auch Übereinstimmungen
Solide Inhalte und solide Strategien, Ziele umzusetzen, finden sich in den Top-Themen der „großen Drei“. So unterschiedlich ihre Aufgabenverteilung auch ist, so gibt es in weiten Teilen auch Übereinstimmungen. Es findet sich bei allen der Einsatz für eine hochwertige, wohnortnahe und flächendeckende zahnmedizinische Versorgung zum Wohle von Patienten. Sei es der Einsatz gegen den Fachkräftemangel, für eine Förderung niederlassungsfreundlicher Rahmenbedingungen, für die Umsetzung evidenzbasierter Wissenschaft oder für das Pochen auf die Relevanz von Prävention, die nicht kurzfristigen haushalterischen Reflexen zum Opfer fallen darf.
Auch der Handlungsbedarf bei der Versorgung vulnerabler Gruppen wird als ein wichtiges Zukunftsthema deutlich an die Politik adressiert. Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen.
Gemeinsam lassen BZÄK, DGZMK und KZBV auch Themen wie Klimakrise, Nachhaltigkeit, Künstlicher Intelligenz, Gleichstellung aus – keine Problemstellung für die Zahnmedizin, keine Lösungsansätze. Etwas Visionäres erfahren wir nicht. Vielleicht halten sie es mit Helmut Schmidt „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Und vielleicht ist das auch gut so.
Titelbild: nilanka – stock.adobe.com