Der Kommentar von Chefredakteur Marc Oliver Pick
Mit der Kampagne „Zähne zeigen!“ hat die Zahnärzteschaft es geschafft, unter Patienten Aufmerksamkeit für die von der Gesundheitspolitik zumindest in Kauf genommene Verschlechterung der Versorgungssituation in deutschen Zahnarztpraxen zu erregen. Die Praxen wurden ein Stück weit zum politischen Raum, der für Gespräche über Hintergründe und absehbare Folgen der Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Lauterbach genutzt wurde.
Wenn auch sicher nicht überall in gleicher Intensität diskutiert wurde: Die Plakataktion dürfte den einen oder anderen Patienten überrascht, vielleicht bestürzt und zu Fragen veranlasst haben.
Deutschlandweite Protesttage
Mit den deutschlandweiten Protesttagen wurde der berechtigte Unmut der Zahnärztinnen und Zahnärzte (und ihrer Praxisteams) über eine verfehlte Gesundheitspolitik mit falsch gesetzten Rahmenbedingungen und mangelnde Dialogbereitschaft der Politik nun auch auf die Straße getragen – nicht nur punktuell, sondern in mehreren Bundesländern, und dort auch simultan an verschiedensten Orten.
In vielen Praxen in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz blieben am 18. Juni die Praxen geschlossen, statt im Behandlungszimmer wurde auf Straßen und Plätzen der Dialog mit den Patienten gesucht. In Bayern wurde schon am 12. Juni protestiert, in Hessen und Westfalen-Lippe sind am 25. September weitere Protestaktionen geplant. Auch die Mitglieder des Bundesverbands der Kinderzahnärzte schlossen ihre Praxen für einen Tag und nutzten den Protesttag, um auf die prekäre Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen.
Bereitschaft zum Austausch eingefordert
Mit Slogans wie „Wir müssen reden!“, „Es ist Zeit“ und „Das Maß ist voll“ wurde nicht nur plakativ auf ein Umlenken der Politik gedrungen, sondern auch die längst überfällige Bereitschaft zum konstruktiven Austausch eingefordert.
Neben politikgemachten Dauerbrennerthemen, die die Praxen aktuell beschäftigen, darunter die Budgetierung von GKV-Leistungen, die wachsende Belastung und Einengung durch eine überbordende Bürokratie, der jahrzehntelange Stillstand bei der GOZ und die mit drohenden Sanktionen erzwungene Einführung einer praxisfernen Telematik-Infrastruktur, richtete sich der Blick ebenso auf die zukünftige zahnärztliche Versorgungslandschaft, die nur durch verbesserte Rahmenbedingungen für den zahnärztlichen Nachwuchs gesichert werden kann.
Praxen leiden unter den Bedingungen
Wie groß und berechtigt der Unmut mittlerweile ist, zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse einer Online-Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung unter Zahnärzten zur Wahrnehmung der aktuellen Bedingungen, unter denen Praxen leiden, und ihrer Einschätzung der Zukunftsaussichten.
Obwohl nahezu 100 Prozent der Befragten ihre Arbeit als sinnvoll und nützlich erachteten, würde sich mehr als die Hälfte der Teilnehmer heute nicht mehr niederlassen. Ein noch höherer Anteil überlege sogar, vorzeitig aus der Versorgung auszuscheiden. Damit sei klar, dass die „Forderungen nach weniger Bürokratie, nach einer tragfähigen Finanzierung, nach einer praxistauglichen Digitalisierung und nach Abschaffung der Mittelbegrenzung keine haltlosen Lobbyisten-Klagen sind“, kommentierte Martin Hendges, Vorsitzender des KZBV-Vorstands.
In der Basis brodelt es gewaltig
Man fragt sich, wie weit es noch kommen muss, bis die Warnzeichen in Berlin wahrgenommen werden und das Ruder in Richtung zukunftsfähiger Gesundheitspolitik mit verlässlichen Rahmenbedingungen herumgerissen wird. In der Basis, bei niedergelassenen Zahnärzten, brodelt es jedenfalls gewaltig.
Mit wachsender Sorge blickt man auf die eigene Praxiszukunft, auf die der Fachangestellten und vor allem auf die Patienten. Schon heute sind längere Wartezeiten Realität, schon jetzt steht nicht mehr allen die gesamte Bandbreite des zahnärztlichen Therapiespektrums zur Verfügung.
Noch funktioniert das System, aber künftig wird das nicht überall selbstverständlich sein. Proteste sind deshalb richtig und wichtig, um sich Gehör zu verschaffen. Also raus aus der Praxis und auf die Straße – jede Aktion hilft.